Longevity

Strategien für ein gesundes, langes Leben

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Longevity (Langlebigkeit) und Anti-Aging (verlangsamter Alterungsprozess) sind nicht das Gleiche, aber sie sind eng miteinander verbunden. Anti-Aging konzentriert sich primär auf die Verlangsamung äußerer Zeichen des Alterns, während Longevity auf die Verlängerung der gesunden Lebensspanne abzielt, quantitativ und insbesondere qualitativ. Dies umfasst die Förderung eines gesunden, aktiven und erfüllten Lebens durch bewusste Entscheidungen in den Bereichen Ernährung, körperliche Bewegung, psychische Gesundheit, Schlaf, soziales Umfeld, Stressmanagement, Vorsorge und Lebensstil.

Longevity und was wir unter Gesundheit verstehen

Gesundheit und Langlebigkeit beginnen auf zellulärer Ebene. So ist Gesundheit kein Zustand, sondern das Resultat von optimal ablaufenden Stoffwechselprozessen. Diese Prozesse können in vielen Fällen positiv beeinflusst werden, sodass mögliche Störungen und Blockaden gezielt behoben oder Defizite ausgeglichen werden können. Wer auf seine Gesundheit achtet, der ist gut beraten, primär auf die Balance zwischen Stress und Entspannung zu achten und der Regeneration v. a. mit zunehmendem Alter mehr Aufmerksamkeit zu widmen. 

Hallmarks of Aging - Überblick der verschiedenen Hauptmerkmale des Alterns

2013 wurde vom spanischen Forscher Carlos López Otín erstmals eine Studie zu den neun Kennzeichen des Alterns (Hallmarks of Aging) veröffentlicht. Die Hallmarks erklären den Alterungsprozess wissenschaftlich und auf molekularer Ebene und beschreiben die grundlegenden Veränderungen, die im Körper im Laufe der Zeit stattfinden. 2023 wurden weitere drei Prozesse ergänzt, wobei alle Merkmale eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen und ergänzen. Die resultierende Liste an zwölf Kennzeichen bildet die Basis für die Erforschung und Formulierung effektiver Longevity-Strategien, um altersbedingte Erkrankungen zu verzögern und die Gesundheitsspanne zu verlängern.


künstlich generiert © künstlich generiert
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Ohne Energie keine Regeneration 

Die Voraussetzung für eine gesunde Balance zwischen Aktivität und Erholung ist ausreichend Zellenergie in Form von ATP (Adenosintriphosphat), die auf Zellebene in den Mitochondrien produziert wird. Dieser Prozess ist essenziell für alles, was der Körper leistet, von der Bewegung bis hin zur Zellreparatur. Voraussetzung für die Energiesynthese sind intakte Mitochondrien, ausreichend verwertbare Nährstoffe sowie ein effizientes Zusammenspiel zwischen Enzymen und Mikronährstoffen, die als Cofaktoren die Enzymaktivität regulieren. Sowohl die aktive Phase als auch die Entspannung benötigen ATP, d. h., die Mitochondrien sind 24 Stunden, sieben Tage die Woche gefordert.


Was uns altern lässt 

Die zwölf Kennzeichen (siehe Abbildung, links) umfassen sowohl genetische als auch epigenetische Faktoren und betonen die Selbstregulation des Körpers in Form der Autophagie und den körpereigenen Umgang mit seneszenten Zellen. Letztere sind ehemals gesunde Zellen, die sich aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht mehr teilen können. Diese sogenannten Zombie-Zellen sondern Substanzen ab, die gesunde umliegende Zellen, Gewebe und Organe schädigen können. Hier ist es wiederum entscheidend, den Körper in seinen natürlichen Autophagie-Prozessen zu unterstützen. Auch die Mitochondriengesundheit, ein nachlassendes Immunsystem bzw. allgemein chronische Entzündungsprozesse, schwindende Stammzellen-Reserven sowie das Mikrobiom im Darm spielen wichtige Rollen im Alterungsprozess.

Es sind nicht die Gene

Warum das Thema im Moment so populär geworden ist, könnte am Altersforscher Dr. David Sinclair liegen, der 2019 die Longevity-Forschung mit seinen Untersuchungen revolutioniert hat. Er propagiert die These, dass die Hauptursache für das Altern v. a. im Verlust der epigenetischen Information liegt und nicht in der Anhäufung von DNA-Schäden, also an genetischen Schäden. Diese Theorie erklärt, warum Zellen ihre Funktionsfähigkeit verlieren können, auch wenn die zugrunde liegende genetische Information intakt bleibt. Gleichzeitig betont Sinclair die Bedeutung von Sirtuinen, einer Gruppe von Proteinen, die eine wichtige Rolle bei der Regulierung zellulärer Prozesse spielen. 

Liegt es am Lebensstil?

Durch den epigenetischen Ansatz kann auch die Übereinstimmung sämtlicher Longevity-Abhandlungen zum Thema Lebensstil erklärt werden. Erst 2024 wurde eine Langzeitstudie veröffentlicht, die nachweist, dass sich das Leben durch einen gesunden Lebensstil deutlich verlängern lässt: Ein 40-jähriger Mann mit einem sehr gesunden Lebensstil lebt im Durchschnitt 23,7 Jahre länger verglichen mit einem gleichaltrigen Mann mit einem ungesunden Lebensstil. Bei Frauen liegt dieser Unterschied bei 22,6 Jahren. Für diese Untersuchungen wurden acht Faktoren festgelegt, die einen gesunden Lebensstil kennzeichnen: körperliche Aktivität, der Verzicht auf Rauchen, ein guter Umgang mit Stress, gute Ernährung, ein mäßiger Alkoholkonsum, keine Abhängigkeit von Opioid-Schmerzmitteln, guter und regelmäßiger Schlaf sowie das Pflegen positiver sozialer Beziehungen. Umgekehrt sind die größten Risikofaktoren, die das Leben verkürzen können, eine geringe körperliche Aktivität, Rauchen sowie die Abhängigkeit von Opioid-Schmerzmitteln. 

Die Theorie der freien Radikale

Eine der ersten Theorien des Alterns stammt aus den 50er-Jahren und bezog sich fast ausschließlich auf die Bildung freier Radikale und deren Schäden an den Zellen als Ursache für den Alterungsprozess. Antioxidantien galten hingegen als lebensverlängernd, da sie oxidativen Stress reduzieren können. Mittlerweile ist diese Theorie überholt, da ein gewisses Quantum an freien Radikalen durchaus gesund ist, um die Hormesis anzuregen. Hormesis ist ein Reparatur- und Schutzmodus unserer Zellen, der durch leichten Stress aktiviert wird. Erst wenn das Gleichgewicht zwischen gesundem und ungesundem oxidativem Stress kippt, stellen die freien Radikale eine Bedrohung für unsere genomische Stabilität dar. Dies spielt auch bei der Einnahme von Antioxidantien eine Rolle. In physiologischen Dosen können Antioxidantien freie Radikale neutralisieren und dazu beitragen, die körpereigene Abwehr zu stärken. Ein Überangebot an hochdosierten Antioxidantien kann jedoch unerwünschte Effekte haben und die gesundheitsfördernde Wirkung von Sport oder anderen Hormesis-Reizen aufheben.

Sport, Fasten, Sauna und Kälte

Studien haben gezeigt, dass regelmäßige Bewegung und intermittierendes Fasten die Gesundheit verbessern und die Funktion der Mitochondrien aktivieren können. Dies beruht zum einen auf der Autophagie, die sowohl durch Fasten als auch durch Ausdauertraining stimuliert werden kann. Zum anderen werden durch verschiedene Fastenformen Sirtuine aktiviert, die eine wichtige Rolle in Longevity-Strategien einnehmen. Auch die Kombination aus Hitze und Kälte ist in der Longevity-Forschung ein wichtiges Thema. Studien deuten darauf hin, dass regelmäßige Kälteexposition (wie Eisbaden oder Kryotherapie) den Alterungsprozess verlangsamen kann, indem sie die Aktivität u. a. von Sirtuinen steigert und die Autophagie ankurbelt.

Eine Langzeitstudie aus dem Jahr 2024 zeigt: Ein gesunder Lebensstil kann die Lebenserwartung deutlich steigern. © Künstlich generiert
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Ausgewählte WIrkstoffe  aus der Longevity-Forschung

Spermidin
Spermidin ist eine Verbindung, die in allen lebenden Zellen natürlicherweise vorkommt und im Körper produziert wird. Es spielt eine wichtige Rolle im Zellstoffwechsel und ist entscheidend für Wachstumsprozesse und die Zellteilung. Besonders spannend ist die Rolle von Spermidin für die Autophagie, einen körpereigenen Prozess, in dem beschädigte Zellbestandteile recycelt werden. Mit dem Alter nimmt der Spermidin-Spiegel im Körper ab. Daher gewinnt die Aufnahme über die Nahrung oder eine Ergänzung an Bedeutung. Spermidin findet sich u. a. in Weizenkeimen, Haferflocken und gereiftem Käse. 

NADH und Coenzym Q10
Die körpereigenen Antioxidantien NADH und Coenzym Q10 sind in den Mitochondrien für eine effiziente Energieproduktion unerlässlich und schützen gleichzeitig die Zellen vor freien Radikalen. Auf diese Weise tragen sie zu einer effizienten ATP-Produktion bei, stimulieren Regenerationsprozesse, reduzieren oxidativen Stress und können die Lebensqualität im Alter verbessern. Zusätzlich kann NAD+, das oxidierte Pendant zu NADH, Sirtuine aktivieren, die wie erwähnt wichtige Schlüsselfaktoren in der Longevity-Forschung darstellen. Niacin (Vitamin B3) nimmt als Vorstufe von NAD+ eine wichtige Rolle ein, da es den NAD+-Spiegel nachweislich steigern kann und damit einen Beitrag zu einem gesunden, langen Leben leisten kann. Vitamin B3 wird aus Verträglichkeitsgründen bevorzugt als Nicotinamid (auch Niacinamid) supplementiert. Das ebenso propagierte Nicotinamid-Mononukleotid (NMN) ist als neuartiges Lebensmittel klassifiziert und in Europa nicht als Nahrungsergänzung zugelassen.

Alpha-Ketoglutarat (AKG)
AKG ist ein Metabolit im Citratzyklus, einem wichtigen Stoffwechselschritt in der Energieproduktion in den Zellen. AKG beeinflusst die epigenetische Regulierung, indem es als Coenzym für bestimmte Enzyme fungiert, die an der DNA-Demethylierung und Chromatinmodifikation beteiligt sind. In Humanstudien konnte nachgewiesen werden, dass sich der Alterungsprozess nach mehrmonatiger Einnahme um acht Jahre verzögern lässt.

Resveratrol, Quercetin und Epigallocatechingallat (EGCG)
Resveratrol ist ein Antioxidans aus den Weintrauben. Studien haben gezeigt, dass Resveratrol das Risiko von Herzkrankheiten, Krebs und Neurodegeneration verringern kann. Quercetin ist ein Flavonoid und potentes Antioxidans aus Beerenobst und verschiedenen grünen Gemüsesorten (Brokkoli). Quercetin konnte in Untersuchungen seine Effektivität für die Zellgesundheit unter Beweis stellen. Es kann seneszente Zellen beseitigen und somit gesundheitsfördernd und lebensverlängernd wirken. EGCG aus dem grünen Tee gilt ebenfalls als potentes Antioxidans, wirkt entzündungshemmend und erhöht den NAD+-Spiegel in der Zelle.

Berberin 
Studien deuten darauf hin, dass Berberin aus der Berberitze das Potenzial besitzt, die Lebensspanne zu verlängern und altersbedingte Krankheiten zu verbessern. So kann Berberin oxidativen Stress reduzieren, die zelluläre Autophagie unterstützen, die Insulinsensitivität verbessern und die Zuckeraufnahme in die Zellen fördern. 

Omega-3-Fettsäuren 
Omega-3-Fettsäuren kommen in der Natur hauptsächlich als Alpha-Linolensäure, Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) vor. Ein Forscherteam hat über sechs Jahre den Zusammenhang zwischen dem Omega-3-Index und Telomeren erforscht. Und tatsächlich hatten Patient:innen, die wenig DHA und EPA zu sich nahmen, einen niedrigen Omega-3-Index und einen schnelleren Telomerabrieb.

Quellen
•   Ames BN: Prolonging healthy aging: Longevity vitamins and proteins. Proc Natl Acad Sci USA 2018; 115(43): 10836-10844
•   Deledda A, et al.: Mitochondrial aging and senolytic natural products with protective potential. Int J Mol Sci 2022;19; 23(24): 16219
•   Hofer SJ, et al.: Spermidine is essential for fasting-mediated autophagy and longevity. Nat Cell Biol 2024; 26(9): 1571-1584
•   Kiechl S, et al.: Higher spermidine intake is linked to lower mortality: a prospective population-based study. Am J Clin Nutr 2018; 108(2): 371-380
•   Madeo F, et al.: Spermidine: a physiological autophagy inducer acting as an anti-aging vitamin in humans? Autophagy 2019; 15(1): 165-168

Weitere Literatur auf Anfrage

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