Kurioser Fall

Vergiftung mit Bromid nach Tipps von ChatGPT

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Bromid © Shutterstock
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Mit den Fortschritten in Medizin und Pharmazie nahm die Zahl der Fälle im 20. Jahrhundert drastisch ab. Heute gilt Bromismus als seltene Diagnose. Ein aktueller Fall sorgt jedoch für Aufsehen: In den Annals of Internal Medicine wurde die Krankengeschichte eines 60-jährigen Mannes veröffentlicht, der nach einer schleichenden Selbstvergiftung mit Bromid in die Notaufnahme eingeliefert wurde.

Der Patient erschien mit Halluzinationen, Paranoia und starkem Durstgefühl im Krankenhaus. Er war überzeugt, von seinem Nachbarn vergiftet worden zu sein. Die initialen Blutwerte wirkten weitgehend unauffällig, zeigten jedoch eine ausgeprägte Anionenlücke und einen auffällig niedrigen Phosphatspiegel. Da zunächst eine Schwermetallvergiftung vermutet wurde, schalteten die behandelnden Ärzt:innen die klinischen Toxikolog:innen ein.

Bromid © Shutterstock
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Während der laufenden Untersuchungen versuchte der Mann, die Klinik zu verlassen, musste aber aufgrund seines psychischen Zustands fixiert und beruhigt werden. Nach Infusion von Elektrolytlösungen stabilisierte sich sein Zustand allmählich. Auffällig war zudem: Er hatte keine psychiatrische Vorgeschichte und auch keine einschlägigen Medikamente eingenommen. Die toxikologische Analyse legte schließlich die Ursache offen: keine Schwermetalle, sondern ein Halogen – Bromid.

Ernährungsumstellung mit fatalen Folgen

Im Gespräch gab der Patient an, aus gesundheitlichen Gründen auf Speisesalz verzichten zu wollen. Bei seiner Recherche stieß er auf ChatGPT, den er um Ernährungstipps bat. Die KI schlug als mögliche Alternative zu Chlorid das chemisch verwandte Natriumbromid vor. Ältere Versionen von ChatGPT geben tatsächlich Bromid als Ersatz für Chlorid an,  wenn auch nicht spezifisch im Kontext der Ernährung. Der Patient würzte daraufhin drei Monate lang seine Mahlzeiten mit Natriumbromid anstelle von Kochsalz. 

Die Aufnahme von Bromid führt nur langsam zu toxischen Konzentrationen, da die Eliminationshalbwertszeit rund 12 Tage beträgt. Das bedeutet, dass der Körper mehrere Wochen benötigt, um die Substanz abzubauen. Beim Patienten erreichte der gemessene Bromidspiegel schließlich 1700 mg/L Blut – rund das 233-Fache des oberen Referenzwertes von 7,3 mg/L. Nach drei Wochen Krankenhausaufenthalt konnte der Patient das Spital wieder verlassen. 

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