Atemwegserkrankungen

Sari im Fokus

MAG. PHARM.  René  GERSTBAUER
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Schwere akute respiratorische Infektionen umfassen Krankheiten wie COVID-19, Influenza, RSV und bakterielle Lungenentzündungen. Diese zeichnen sich durch Symptome wie Fieber, Husten und Atemnot aus und treten saisonal verstärkt in den Wintermonaten auf. Besonders gefährdet sind Kleinkinder, ältere Menschen und chronisch Kranke, bei denen SARI häufig zu Komplikationen wie Krankenhausaufenthalten oder intensivmedizinischer Betreuung führen.

Die systematische Überwachung von SARI hilft, saisonale Muster zu erkennen und Präventionsstrategien wie Impfkampagnen gezielt zu planen. Apotheker:innen spielen eine zentrale Rolle, indem sie präventive Maßnahmen fördern, immunstärkende Produkte anbieten und Patient:innen mit symptomlindernden Präparaten wie Hustenlösern und Nasensprays versorgen. So tragen sie wesentlich zur besseren Versorgung gefährdeter Gruppen bei.

SARI-Dashboard Österreich

Die detaillierte Analyse der österreichischen SARI-Daten zeigt eine klare saisonale Verteilung der Fallzahlen. Wie zu erwarten, tritt die Mehrheit der Fälle in den Wintermonaten auf, wenn die Übertragungsrate viraler Atemwegserkrankungen wie COVID-19, Influenza und RSV am höchsten ist. Diese saisonale Häufung korreliert daher mit der typischen Grippe- und Erkältungssaison, in der auch andere respiratorische Infektionen – wie bakterielle Lungenentzündungen oder akute Bronchitiden – vermehrt auftreten. Die aktuellen Daten verdeutlichen, dass präventive Maßnahmen wie Impfungen gegen Influenza und COVID-19 sowie der gezielte Schutz vulnerabler Gruppen (z. B. durch Masken oder verstärkte Hygienemaßnahmen) in dieser Zeit besonders wichtig sind.

Hygienepraktiken wie u. a. die richtige Handhygiene können die Verbreitung von Atemwegserregern reduzieren. © Shutterstock
Hygienepraktiken wie u. a. die richtige Handhygiene können die Verbreitung von Atemwegserregern reduzieren. © Shutterstock

Eine genauere Betrachtung der Altersgruppen offenbart, dass sowohl Kleinkinder (0 bis 4 Jahre) als auch ältere Erwachsene (ab 65 Jahre) besonders stark betroffen sind.

SARI-Fälle je Bundesland 
im Zeitraum von KW 47 2023 – KW 46 2024

Die SARI-Fälle verteilen sich regional und nach Altersgruppen unterschiedlich. Die Altersgruppe 60+ dominiert die Fallzahlen, besonders in Oberösterreich (10.449 Fälle) und der Steiermark (10.590 Fälle). Oberösterreich (14.522 Fälle) und die Steiermark (14.191 Fälle) führen auch die Gesamtliste an, während das Burgenland mit 3.013 Fällen die geringste Belastung verzeichnet. Die Hauptlast liegt bei älteren Patient:innen auf Normalstationen, während Wien trotz hoher Einwohnerzahl geringere Fallzahlen aufweist, möglicherweise wegen einer jüngeren Bevölkerung und besserer Versorgung.
Bundesland0-29 Jahre30-59 Jahre 60 JahreIntensivNormalstationGesamt
BGL242319245210629073013
KTN929716499624064016641
18961709103264971343413931
OÖ 22811792104496191390314522
SBG684565385234147605101
STMK2012158910590712 1347914191
T14319295661 34176808021
V720417258719735273724
W2770173689398121263313445

Während bei Kleinkindern Infektionen mit RSV und Influenza häufig auftreten, dominieren bei älteren Erwachsenen COVID-19 und bakterielle Folgeinfektionen. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, präventive Strategien für diese beiden Altersgruppen zu optimieren, beispielsweise durch die noch größere Förderung spezifischer Impfprogramme und weiterer präventiver Maßnahmen. Zudem zeigt sich bei der Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen eine geringere Häufigkeit schwerer Verläufe, was womöglich mit einer stärkeren Immunabwehr in dieser Population zusammenhängt.

Innovationen in Überwachung und Behandlung respiratorischer Virusinfektionen 

Zwei aktuelle Studien liefern neue Einblicke in die Überwachung von SARI und die Behandlungsmöglichkeiten von SARS-CoV-2, Influenza und RSV.

Optimierte Überwachung durch Proxy-Indikatoren

Eine retrospektive Analyse des Leiden University Medical Center untersuchte von 2017 bis 2023 die Wirksamkeit von Proxy-Indikatoren (Ersatzindikatoren als Annäherung für eine Einschätzung) wie RT-PCR-Tests, Kennzeichnung von Personen mit Kontakt- und Tröpfcheninfektionen und ICD-10-Diagnosecodes.
Die Kennzeichnungen korrelierten mit einem Pearson-Koeffizienten von 0,84 stark mit den ICD-10-Codes und erwiesen sich als besonders geeignete Echtzeit-Indikatoren.

Automatisch erfasste Kennzeichnungen ermöglichen eine schnelle und zuverlässige Überwachung von SARI-Fällen. Im Vergleich dazu sind ICD-10-Codes weniger zeitnah und RT-PCR-Tests unterliegen wechselnden Protokollen. Die Ergebnisse verdeutlichen das Potenzial automatisierter Systeme, um  Krankheitsausbrüche schneller und effizienter zu erkennen.

Sepsis bei Schwangeren
Das Risiko respiratorischer Infektionen 

Sepsis zählt weltweit zu den führenden Ursachen maternaler Mortalität während der Schwangerschaft und besonders respiratorische Infektionen erhöhen das Risiko für schwere Verläufe. Schwangerschaftsbedingte Veränderungen des Immunsystems und der Atemphysiologie fördern Komplikationen, welche sowohl Mutter als auch Fetus betreffen. Eine Pneumonie, oft ausgelöst durch Streptococcus pneumoniae oder SARS-CoV-2, kann zu Hypoxie führen und das Risiko für Frühgeburten oder intrauterinen Fruchttod steigern.

Das Sepsismanagement umfasst die rasche Gabe von Antibiotika, intravenöse Flüssigkeitszufuhr und eine engmaschige Überwachung. Die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Sauerstoffversorgung ist essenziell, um die fetale Oxygenierung sicherzustellen.

Apotheker:innen können präventiv durch Impfberatung (z. B. RSV, Influenza, COVID-19) und Aufklärung über Warnsignale wie Fieber oder Atemnot unterstützen. Eine frühzeitige Identifikation und Therapie schützt sowohl die Mutter als auch das ungeborene Kind.


Therapie und Prävention respiratorischer Infektionen

SARS-CoV-2, Influenza und RSV sind weltweit bedeutende Ursachen für Morbidität und Mortalität. SARS-CoV-2 hatte zum Studienzeitpunkt über 7 Millionen Todesfälle verursacht – vor allem bei über 80-Jährigen. Influenza betrifft jährlich bis zu 15 % der Weltbevölkerung und führt zu etwa 500.000
Todesfällen. RSV ist der Hauptgrund für Krankenhausaufenthalte bei Kleinkindern und bleibt eine therapeutische Herausforderung.

Gegen SARS-CoV-2 sind antivirale Medikamente und wirksame Impfstoffe verfügbar. Influenza wird erfolgreich mit Neuraminidase-Inhibitoren wie Oseltamivir behandelt, welche besonders bei frühzeitigem Einsatz (< 48 h nach Symptombeginn) wirksam sind. Impfungen bleiben jedoch die wichtigste Prä-
ventionsmaßnahme, insbesondere für Risikogruppen wie Schwangere, Kinder, Ältere und chronisch Kranke. RSV-Impfstoffe zeigen vielversprechende Fortschritte, doch antivirale Therapien sind begrenzt.

Beide Studien unterstreichen die Bedeutung eines gezielten Managements von Risikopatient:innen. Frühzeitige Diagnostik und Therapie sind entscheidend, um Komplikationen wie Superinfektionen oder kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern. Universelle Impfstoffe könnten künftig die Krankheitslast erheblich
reduzieren. Automatisierte Überwachungssysteme auf Basis von Proxy-Indikatoren verbessern die SARI-Erkennung und entlasten das medizinische Personal. Fortschritte bei Impfstoffen und antiviralen Therapien bieten neue
Ansätze, schwere Verläufe zu vermeiden.

Rolle der Apotheker:innen 

Diese Erkenntnisse haben direkte Relevanz für Apotheken, insbesondere im Hinblick auf die saisonale Planung und Beratung. Während der kalten Jahreszeit sollten Apotheker:innen den Fokus auf NEM und Medizinprodukte legen,
welche sowohl präventiv als auch unterstützend wirken. Hierzu zählen beispielsweise immunstärkende Nahrungsergänzungsmittel, Nasensprays zur Schleimhautpflege (und Schleimhautschutz) sowie bei Bedarf spezifische Arzneimittel zur Symptomkontrolle wie fiebersenkende Mittel, Hustensäfte oder Schleimlöser. Für die vulnerable Bevölkerung kann zudem die Aufklärung zu Impfungen gegen Influenza, Pneumokokken und Co. ein essenzieller Bestandteil der Beratung sein. Auf die neuen RSV-Impfstoffe (auch für Schwangere von der 34. bis 36. SSW) sollten Kund:innen ebenfalls aufmerksam gemacht werden.

Schwere akute respiratorischer Infektionen (SARI)
WICHTIGE MASSNAHMEN

1. Prävention fördern

  • Impfberatung: Aufklärung und Förderung von Impfungen gegen
    Influenza, COVID-19, RSV und Pneumokokken, insbesondere für Risikogruppen wie ältere Menschen, Schwangere, Kinder und chronisch Kranke.
  • Immunstärkende Maßnahmen: Empfehlung von Präparaten mit z.B. Zink oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln zur Stärkung des Immunsystems.
  • Hygienetipps: Bereitstellung von Desinfektionsmitteln und Hinweisen zu Hygienepraktiken, welche die Verbreitung von
    Atemwegserregern reduzieren.

2. Akute Symptomlinderung

  • Arzneimittel: Empfehlung von fiebersenkenden Mitteln, Nasen-
    sprays, Hustenlösern und anderen symptomatischen Therapien passend zu den Beschwerden.
  • Alternative Behandlungsansätze: Produkte wie Inhalatoren, Salben für die Brust oder pflanzliche Präparate zur Schleimlösung und Linderung von Atemwegssymptomen.

3. Gezielte Beratung

  • Erkennung von Warnzeichen: Schulung des Apothekenteams, um bei schweren Symptomen wie Atemnot oder anhaltendem Fieber die sofortige ärztliche Abklärung zu empfehlen.
  • Individuelle Beratung: Anpassung der Empfehlungen an die spezifischen Bedürfnisse von Patient:innen, z. B. bei Schwan-
    gerschaft, Vorerkrankungen oder Medikamenteneinnahme.

4. Vorrat und Versorgungssicherheit

  • Sicherstellung ausreichender Bestände an häufig nachgefragten Produkten während der Erkältungssaison, um Versorgungslücken zu vermeiden.

5. Zusammenarbeit mit Ärzt:innen 

  • Förderung einer engeren Kommunikation mit Hausärzt:innen, insbesondere bei Patient:innen mit chronischen Atemwegserkrankungen, um eine abgestimmte Versorgung zu gewährleisten.

Ein weiterer Fokus sollte auf der Unterstützung nach schweren Erkrankungen liegen: Produkte zur Lungenrehabilitation, wie etwa Atemtrainer oder ergänzende Beratung zur Stärkung des Immunsystems, beispielsweise durch eine gesunde Ernährung und Bewegung, können einen Mehrwert bieten. Zudem wird deutlich, dass die Zusammenarbeit zwischen Apotheker:innen und Hausärzt:innen bei der Betreuung chronisch kranker oder älterer Patient:innen/Kund:innen intensiviert werden sollte, um Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und ihnen gezielt entgegenzuwirken.

Apotheker:innen können durch diese Maßnahmen nicht nur zur Linderung akuter Beschwerden beitragen, sondern auch das Risiko von Komplikationen wie schweren Verläufen oder Hospitalisierungen reduzieren. Sie stärken damit ihre Rolle als wichtige Anlaufstelle für Gesundheitsfragen.


Quellen

  • SARI-Dashboard Österreich – Open Source Daten. Abgerufen am 25.11.2024
  • Trauth J.: Respiratorische Virusinfektionen: Unter besonderer Berücksichtigung des Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 und der Influenza-Viren. Medizinische Klinik: Intensivmedizin & Notfallmedizin. 2023;118(6):445-453.
  • Rüegg L, et al.: Lebensbedrohliche Infektionen in der Schwangerschaft. Gynäkologie 2024;57, 511–518
  • Jabri G, et al.: Noninvasive ventilation in critically Ill patients with severe acute respiratory infections. Respiratory Care 2024;69(9):1138-1145
  • Swets MC, et al.: Use of proxy indicators for automated surveillance of
    severe acute respiratory Infection, the Netherlands, 2017 to 2023: A proof-of-concept study. Europ Comm Dis Bulletin 2024; 29(27)

    Weitere Literatur auf Anfrage

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