Künstliche Intelligenz

KI in der Apotheke: Fluch oder Segen?

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Ki Apotheke © Shutterstock
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Dass eine digitalisierte Welt für uns alle Veränderungen mit sich bringt, ist kein Geheimnis. Für viele Berufsfelder werden diese Veränderungen größer ausfallen als für andere. Beim Blick auf das globale Gesundheitssystem fällt auf, dass sogar die WHO vor den Risiken sogenannter Generativer Künstlicher Intelligenz im Gesundheitsbereich warnt. Die WHO kommt zu dem Schluss, dass Generative Künstliche Intelligenz zwar in verschiedenen Bereichen der Medizin hilfreich sein kann, wenn sie aber nicht mit ausreichend Daten entwickelt wird, könnte sie irreführende und potenziell gefährliche Ergebnisse liefern. Vor der Realität verschließt sich die WHO aber nicht. Sie geht selbst davon aus, dass Generative Künstliche Intelligenz in der Zukunft breite Anwendung in der Medizin finden wird. So könnte die Technologie bei der Diagnose, in der Forschung und Entwicklung sowie in der Bildung von Ärzt:innen und Pflegekräften genutzt werden.

Die Risiken...

Doch nun der Blick nach Österreich und die heimischen Apotheken. Dass die künstliche Intelligenz nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken mit sich bringen kann, liegt in der Natur der Sache. Doch worin liegen genau die Risiken der neuen Technologien? Wichtig ist vor allem das Einpflegen der korrekten Daten. 
Ein essenzielles Problem in den kommenden Jahren wird die Selbstdiagnose der Patient:innen sein. Besonders in den vergangenen Jahren nahm die Selbstdiagnose wegen Tools wie ChatGPT oder auch Google rasant zu. Auf eine Diagnose eines Arztes/einer Ärztin wird da erst gar nicht gewartet. Für die Apotheke vor Ort eine schwierige Situation, da sie oft die Selbstdiagnosen der Patient:innen ninnehmen muss. Mona Dür, CEO von Duervation meint im Gespräch mit der ÖAZ: „Aus meiner Sicht kommen die Patient:innen bereits mit Selbstdiagnosen und fordern einfach die Aushändigung entsprechender Medikamente – teils in Abstimmung – teils ohne Abstimmung mit den Ärzt:innen. Es stellt sich eher die Frage, wie können Apotheker:innen künftig mit KI-basierten Assistenzsystemen umgehen, die eine hohe Qualität und Treffsicherheit aufweisen und dadurch ernstzunehmende Informationen liefern.“ 

KI Apotheke © Shutterstock
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...und die Chancen

Doch gerade für alle Apotheker:innen bietet die KI eine hohe Chance. Die KI kann sich nämlich dank der Datenbanken Wissen generieren, welches sich Apotheker:innen niemals aneignen könnten. Einen hohen Stellenwert wird die KI sowohl im Einkauf bzw. der Beschaffung bei der Vorhersage von Produktions- und Lieferengpässen, bei der Optimierung von Lieferung und Lagerung, als auch bei der personalisierten Medizin haben. Künftig soll es möglich sein, Medikamente so zu verabreichen, dass die Einnahmezeit, Verabreichungsform, Resorption, und Dosierung auf die Patient:innen angepasst sind, dass sie ihre optimale Wirkung entfalten können bzw. möglichst wenig Unverträglichkeiten, Kreuzreaktion und unerwünschte Nebenwirkungen entstehen. KI soll und wird die tägliche Arbeit und die Arbeitsabläufe von Apotheker:innen maßgeblich verändern.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Von besonderer Relevanz wird das Terminmanagement in den Apotheken sein. Generative KI könnte auch den Dokumentationsaufwand in Apotheken erheblich reduzieren und dem knappen Personal ermöglichen, mehr Zeit in Kommunikation, Beratung und Versorgung der Kund:innen zu investieren. Generative KI könnte die Patientensicherheit erhöhen und das Apothekenteam entlasten. Durch die Automatisierung des Terminmanagements in Arztpraxen könnten Sprachassistenten während Gesprächen zwischen Arztpraxis und Patient:innen Informationen im Patientendossier festhalten, E-Rezepte erstellen und auf Servern ablegen. In der Apotheke könnte die KI im Hintergrund vor dem Eintreffen der Patient:innen die Medikation überprüfen und das Team vor potenziellen Wechselwirkungen warnen. Diese Checks würden selbst dann funktionieren, wenn nicht alle Medikamente in derselben Apotheke gekauft wurden, was einen Vorteil für die Patientensicherheit darstellt.

Arbeitsalltag

Dass die KI für die Apotheker:innen ein unterstützendes Element im Arbeitsalltag sein wird, davon ist wohl auszugehen. Wie sehr sich die KI aber in den Alltag implementieren wird, das wird auch von der Akzeptanz der Menschen und Apotheker:innen abhängen. Mona Dür: „KI wird in allen Prozessen vollumfänglich integriert sein, die wiederholte, gleichförmige und vorhersagbare Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Daten beinhalten. KI wird die tägliche Arbeit und die Arbeitsabläufe von Apotheker:innen maßgeblich verändern. Apotheker:innen werden beim Einkauf, Verwaltung, der Dokumentation und Abrechnung, der Lagerung als auch in der Kund:innenbetreuung KI-basierte Assistenzsysteme verwenden. Auch bei der Planung, Steuerung und Organisation der Nachtapotheken, der Analyse des Kund:innen- und Einkaufsverhalten, bei der Vorhersage von Medikamentenbedarf sowie der Sicherstellung der Verfügbarkeit von Medikamenten werden Apotheker:innen KI-Anwendungen verwenden“.

Forschung

Ein entscheidender Punkt ist auch die Forschung. Die KI wird essenziell in der Wirkstoffforschung sein, um noch schneller an neue Medikamente zu kommen. Gerade bei der Recherche und der Einordnung wird die KI den Apotheker:innen viel Arbeit abnehmen. Im pharmazeutischen Bereich herrscht eine unfassbare Summe an potenziellem Wissen, welches ein Mensch nicht aufnehmen kann. Hier wird die KI hilfreich sein, um das Wissen zu sortieren und Prozesse zu beschleunigen.

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Neue Jobs

Auch neue Jobs im Apothekenumfeld werden wahrscheinlich. Potenzielle neue Berufe könnten von KI-Entwickler:innen über KI-Trainer:innen bis hin zu KI-Manager:innen reichen. Diese Berufe erfordern technische Kompetenz, Branchenkenntnisse und die Fähigkeit, KI-Technologien erfolgreich in die Apothekenpraxis zu integrieren.

Zukunftsaussichten

Letztlich werden jedoch die Menschen hauptverantwortlich dafür sein, ob sich die KI durchsetzen wird oder nicht. Es wird aber eine zutiefst ethische Frage sein, wie weit die KI gehen darf und inwieweit unsere Daten für Auswertungen herangezogen werden. Wie Mona Dür meint, wird es aber zu keiner Konkurrenz zwischen KI und Mensch kommen.: „Überall dort, wo die menschliche Dienstleistung bevorzugt wird, wird es langfristig kaum zu Konkurrenz mit der KI kommen. Ich erwarte es umgekehrt. Wir werden künftig entscheiden, welche Aufgaben von der KI ergänzt oder übernommen werden können, durch Menschen oder mithilfe von KI ausgeführt werden.“ Dass die KI sowohl Fluch als auch Segen sein kann, ist unbestritten und die kommenden Jahre werden zeigen, wie die Gesellschaft mit der KI umgehen wird. 

Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz

Mona Dür © Duervation
Mona Dür, Gründerin und CEO von Duervation © Duervation

Die ÖAZ befragte die CEO von Duervation, Mona Dür zum Thema KI im Gesundheitswesen und in den Apotheken. Sie spricht über Selbstdiagnosen von Patient:innen und die Chancen und Risiken für die Apotheker durch die künstliche Intelligenz.

Durch die KI stellen sich manche Patient:innen Selbstdiagnosen. Wie können die Apotheker:innen damit umgehen und welche Herausforderungen ergeben sich dadurch?  

Mona Dür Aus meiner Sicht kommen die Patient:innen bereits mit Selbstdiagnosen und fordern die Aushändigung entsprechender Medikamente – teils in Abstimmung, teils ohne Abstimmung mit den Ärzt:innen. Es stellt sich eher die Frage: Wie können Apotheker:innen künftig mit KI-basierten Assistenzsystemen wie Symptoma umgehen, die eine hohe Qualität und Treffsicherheit aufweisen und dadurch ernstzunehmende Informationen liefern?

Ich denke, hier braucht es interdisziplinäre Ansätze und eine qualitätsgesicherte und anwenderinnenfreundliche Integration von digitalen Assistenzsystemen in die Gesundheitsversorgung. Dafür ist ein abgestimmtes Vorgehen aller Akteuer:innen nötig, außerdem eine umfassende Aufklärung und Information über die Möglichkeiten und Risiken von KI-Anwendungen im Gesundheitsbereich für die Bürger:innen, Patient:innen und das Gesundheitspersonal.  

Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch?

Mona Dür Die Beurteilung der Qualität, die Zuverlässigkeit von KI-gestützten Assistenzsystemen zur Unterstützung der Diagnostik und als Grundlage für Behandlungsempfehlungen durch die Apotheker:innen.

Wenn diese durch eine zentrale Stelle erfolgt, dann kann es für die Hersteller:innen/Anbieter:innen dieser Assistenzsysteme durch diverse aufwendige und kostenintensive Auflagen schwierig werden, als „vertrauenswürdige, sichere und qualitativ hochwertige“ KI-Anwendungen zertifiziert zu werden. Des Weiteren müssten die Ergebnisse dieser Anwendungen und darauf basierende Medikamentengaben entsprechend dokumentiert werden, was wiederum eine Anbindung an Elga oder eine Integration in die bestehenden Dokumentations- und Informationssysteme erfordert. 

Welchen Stellenwert geben Sie der KI aktuell im Apothekenwesen?

Mona Dür Einen hohen Stellenwert, sowohl im Einkauf bzw. der Beschaffung, bei der Vorhersage von Produktions- und Lieferengpässen, bei der Optimierung von Lieferung und Lagerung als auch bei der personalisierten Medizin. Künftig wird es möglich sein, Medikamente so zu verabreichen, dass die Einnahmezeit, Verabreichungsform, Resorption und Dosierung auf die Patient:innen angepasst sind, dass sie ihre optimale Wirkung entfalten können bzw. möglichst wenig Unverträglichkeiten, Kreuzreaktionen und unerwünschte Nebenwirkungen entstehen.

KI wird die tägliche Arbeit und die Arbeitsabläufe von Apothekerinnen maßgeblich verändern. Apotheker:innen werden beim Einkauf, bei der Verwaltung, der Dokumentation und Abrechnung, der Lagerung als auch in der Kund:innenbetreuung KI-basierte Assistenzsysteme verwenden. Auch bei der Planung, Steuerung und Organisation der Nachtapotheken, der Analyse des Kund:innen- und Einkaufsverhalten, bei der Vorhersage von Medikamentenbedarf sowie der Sicherstellung der Verfügbarkeit von Medikamenten werden Apotheker:innen KI-Anwendungen verwenden.

Wenn Sie sich das Gesundheitssystem in 10 Jahren vorstellen. Wie wird die KI darin integriert sein und inwieweit werden Apotheker:innen und Patient:innen davon profitieren?

Mona Dür KI wird in allen Prozessen vollumfänglich integriert sein, die wiederholte, gleichförmige und vorhersagbare Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Daten beinhalten. Ein Großteil der Bestellvorgänge wird datengetrieben und automatisiert sein, zudem werden intelligente Verfahren zur genaueren Vorhersage verwendet werden und Alarme auslösen können. Jede Handlung, Bewegung, Nahrungsaufnahme, Medikamenteneinnahme, unsere Emotionen, Belastungen, Beziehungen, unser Such-, Nutzer:innen- und Konsumverhalten, unser digitales Profil und vieles mehr wird durch Sensoren, die wir in unserem Alltag größtenteils nicht mehr wahrnehmen werden, automatisch erfasst und für die Steuerung unseres Verhaltens im Bereich der Gesundheit – zur Förderung unserer Gesundheit und Steuerung der Gesundheitsversorgung verwendet und verwertet werden.

Daten, die zur Erhaltung des Allgemeinwohls, der öffentlichen Gesundheit, der nationalen und internationalen Sicherheit der Menschen genutzt und in weiterer Folge beitragen können, werden überall gesammelt und in pseudonymisierter Form verwendet werden. Der Wert der Interaktion und der menschlichen Dienstleistung wird enorm steigen, der Kontakt mit Menschen wird zielgerichtet und ressourceneffizient eingesetzt werden. Der Wert der Gesundheit und des Wohlbefindens von Arbeitskräften wird ebenfalls steigen und Gesundheitsförderung wird einen deutlich höheren Stellenwert haben, es wird einen massiven Anstieg der Investitionen und finanziellen Aufwendungen öffentlicher Mittel für die Gesundheitsförderung und Erhaltung der Gesundheit geben als bisher. Der Megatrend Gesundheit wird sich auf alle Lebensbereiche ausgebreitet haben. 

Werden die Apotheker:innen mit der KI konkurrieren oder wird die KI vollkommen neue Jobs/Herausforderungen für die Apotheke hervorbringen?

Mona Dür Überall dort, wo die menschliche Dienstleistung bevorzugt wird, wird es langfristig kaum zu Konkurrenz mit der KI kommen. Ich erwarte es eher umgekehrt. Wir werden künftig bewusst entscheiden, welche Aufgaben, Funktionen oder Tätigkeiten, die von der KI ergänzt oder übernommen werden können, durch Menschen oder mithilfe von KI ausgeführt werden. Es wird Aufgaben und Tätigkeiten geben, bei denen wir uns ganz bewusst weiterhin für den Luxus des Menschen als Arbeitskraft und speziell als Gesundheitsdienstleister entscheiden werden, sofern wir das Personal dafür haben.

KI wird eine Vielzahl von bestehenden Herausforderungen lösen, jedoch auch neue generieren. Beispielsweise werden Apotheker:innen künftig gefordert sein, zu entscheiden, wem bestimmte Medikamente ausgehändigt werden. Durch eine drastische Veränderung in der Früherkennung von Krankheiten wird es Richtlinien und Handlungsempfehlungen geben, wie bei Lieferengpässen umzugehen ist, wenn ein und dieselbe Substanz für die Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten verwendet werden kann. Wir werden uns den Fragen stellen müssen, ob es ethisch vertretbar ist, der einen Person ein Medikament auszuhändigen, das deren Symptome lindert, während es bei einer anderen Person die Entstehung von Krankheit verhindern könnte.  

Wie lassen sich die KI und der Datenschutz miteinander vereinbaren? Sind die persönlichen Daten der Patienten:innen in der KI, wird sie immer darauf zurückgreifen können. 

Mona Dür Dies ist eine Frage der Konzeptualisierung und Modellierung der KI. Es gibt bereits Entwicklungen und Innovationen, die ohne die Nutzung persönlicher Daten auskommen. Bei der personalisierten Medizin allerdings sehe ich einen deutlichen Mehrwert der Verwendung von persönlichen Daten, natürlich mit dem Einverständnis der betroffenen Personen und unter gesicherten Rahmenbedingungen. Ansonsten gibt es immer mehr Instrumente, die eine automatisierte Pseudonymisierung und Reidentifizierung der Daten (z.B.: zu konkreten Behandlungsentscheidungen) ermöglichen. Diese sind jedoch kaum in den gängigen Softwarelösungen integriert und bedeuten derzeit noch einen zusätzlichen Kostenaufwand. 

Zurück in die Gegenwart: Haben Sie den Eindruck, dass die Gesundheitsbranche und speziell die Apotheken digitalen Neuerungen und somit auch der KI positiv gegenüberstehen?

Mona Dür Das kann ich so nicht sagen. Ich sehe generell einen hohen Informations- und Aufklärungsbedarf über die Möglichkeiten und Grenzen der KI, über ethische und gesellschaftliche Herausforderung, die damit einhergehen, und allem voran über den persönlichen Nutzen, der sich für Patient:innen, deren pflegende Angehörige, die Allgemeinbevölkerung und das Gesundheitspersonals durch KI in der Gesundheitsversorgung ergibt. 

Stichwort Wirkstoffherstellung: Welche Arbeitsabläufe können mit der KI optimiert werden, um noch schneller an neue Medikamente/Therapien zu gelangen? 

Mona Dür Der gesamte Forschungs- und Entwicklungsaufwand und die Studien- und Medikamentenbelastung der Patient:innen können deutlich reduziert werden. Medikamente können primär anhand von Modellen entwickelt werden, bevor sie an Tieren bzw. Menschen getestet werden. Echtzeitdaten können dafür genutzt werden, die Wirkung der Medikamente zu erhöhen, das Qualitätsmanagement kann durch KI deutlich gesteigert werden, Fehleranfälligkeit deutlich reduziert werden. Es wird neue Studiendesigns und statistische Verfahren geben, weil wir möglicherweise erkennen werden, dass die p-Wert-getriebene Statistik nur eine eingeschränkte Aussagekraft über die reale Wirksamkeit von Medikamenten hat. Medikamente für seltene Erkrankungen können deutlich rascher entwickelt werden, weil eine weltweite Sammlung und Verwertung von Echtzeitdaten und die globale Forschung und Entwicklung zu Innovationssprüngen führen wird.

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