Interview

„Wir werden lösungsorientiert reagieren“

Mag. Andreas Feichtenberger
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Mag. Ingrid Reischl © Richard Tanzer
Mag. Ingrid Reischl © Richard Tanzer

ÖAZ Was sagen Sie den Kritiker:innen, die aufgrund des neuen Preisbands bei Medikamenten eine Gefährdung der Arzneimittelversorgung sehen?
Mag. Ingrid Reischl Der Dachverband nimmt eine funktionierende Versorgung der Versicherten mit notwendigen Medikamenten sehr ernst und wird die Situation laufend überprüfen. Außerdem gehen wir davon aus, dass Firmen ihre Produkte nicht vom Markt nehmen werden und die Versorgungssicherheit riskieren, nur um ihre Gewinnmarge zu erhöhen. Das im ASVG verankerte Preisband betrifft nur jene Packungen eines Wirkstoffs im EKO, die unverhältnismäßig teuer sind, alle anderen verfügbaren Packungen sind nicht betroffen. Sollte es in Folge des Preisbands 2023 wider Erwarten dennoch zu Problemen bei einzelnen Produkten kommen, wird die Sozialversicherung zur Wahrung der Versorgungssicherheit im Bereich ihrer Möglichkeiten lösungsorientiert reagieren.

ÖAZ Die Spanne bei Kassenumsätzen stagniert bei Apotheken seit Längerem, was wiederum die Ertragskraft der Apotheken gefährdet. Wird es hier – wie gefordert – zu einer Anpassung kommen?
Reischl Grundsätzlich möchte ich anmerken, dass die Apotheken in der Corona-Krise gezeigt haben, dass sie nicht nur ein essenzieller Teil der heimischen Gesundheitsversorgung sind, sondern auch unter Beweis gestellt haben, dass sie innerhalb kurzer Zeit in der Lage sind, wichtige Angebote für die Bevölkerung zu organisieren und bereitzustellen. Das war eine beeindruckende Performance, wofür wir alle den Apotheken zu Dank verpflichtet sind. 
Was die Ertragskraft der Apotheken betrifft, kann ich natürlich nur jenen Teil beurteilen, der mit den Kassenumsätzen in Verbindung steht. Die von der Sozialversicherung an die öffentlichen Apotheken bezahlten Spannen für Arzneispezialitäten im Jahr 2022 sind um 4,2 % (entspricht einem Zuwachs von 17 Mio. EUR) und im ersten Halbjahr 2023 um 6,4 % (+13 Mio. EUR) im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. In den letzten 10 Jahren nahmen die durch die SV bezahlten Apothekenspannen um 11,3 % (pro von der Sozialversicherung bezahlter Packung um 21,5 %) zu. Zu beachten ist hierbei, dass die von der Sozialversicherung bezahlten Apothekenspannen zunehmen und das, obwohl eine wachsende Anzahl an Packungen durch die jährlich steigende Rezeptgebühr nicht mehr von der Sozialversicherung, sondern privat bezahlt werden – für diese Packungen werden jedoch von Apothekenseite weiterhin Spannen eingenommen. Auch diese Spannenumsätze sowie die höhere von den Patienten und Patientinnen privat zu zahlende Spanne (inklusive Aufpreis pro Packung von 15 Prozent) müssten bei der Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Lage und einer Evaluation des aktuellen Spannensystems berücksichtigt werden. 

ÖAZ Der Dachverband prognostiziert Jahr für Jahr ein Minus im Budget. Letztlich fällt dieses aber bei weitem nicht so stark aus oder es werden sogar schwarze Zahlen geschrieben. Wie sieht es aktuell bei den Krankenkassen aus?
Reischl  Für das heurige Jahr rechnen die Krankenkassen aktuell (Mitte August) mit einem Bilanzverlust von rund 604 Mio. Euro. Im Mai lag die Prognose noch bei ca. minus 579 Mio. Euro für 2023. Generell ist die Voranschlagstreffsicherheit der Krankenversicherung – gemessen an der Abweichung Voranschlag zu Rechnungsabschluss – sehr hoch. Ein Vergleich der Voranschlagsgenauigkeit der Krankenversicherung mit jener anderer großer öffentlicher Haushalte stellt der Sozialversicherung ein gutes Zeugnis aus. Würde man der Sozialversicherung unterstellen, bewusst und wider besseres Wissen unkorrekte Zahlen zu berichten, um bestimmte Interessen zu verfolgen, so würde ich das sehr deutlich zurückweisen. 

ÖAZ Mit der Medikationsanalyse ist eine für die Apotheken extrem wichtige Dienstleistung in Probebetrieb gegangen. Wie stehen Sie zu diesem Angebot und welche weiteren Tätigkeiten könnten Apotheken Ihrer Meinung nach auch übernehmen – Schlagwort Impfen oder Screening-Aktionen?
Reischl Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die Arbeitsteilung im österreichischen Gesundheitswesen einen Modernisierungsschub benötigt. Bei vielen Berufsgruppen ist ein Auseinanderdriften von fachlicher Qualifikation und tatsächlicher Tätigkeitserbringung bzw.  -berechtigung zu beobachten. Im Falle der Apotheken kann ich mir eine Ausweitung der Tätigkeiten gut vorstellen. Derzeit läuft mit der Medikationsanalyse ein von der Sozialversicherung mitfinanziertes Pilotprojekt, das einen allfälligen Nutzen für Patient:innen untersuchen soll. Eine seriöse Beurteilung kann erst nach dem Vorliegen der Ergebnisse erfolgen. 

ÖAZ Beim e-Rezept gibt es nach wie vor Bereiche, die nicht optimal funktionieren – darunter die Privatrezepte, die nicht abgerufen werden können, aber auch die Problematik der Medikamentenversorgung von Altersheimen. Gibt es hier bereits konkrete Lösungsvorschläge?
Reischl Zum Privatrezept ist zu sagen, dass im e-Rezept Service im e-Card-System die Funktionen für das elektronische Privatrezept bereits umgesetzt sind. Sobald alle großen Apothekensoftwarehersteller die Umsetzung korrekt vorgenommen haben, wird das Service im e-Card-System aktiviert. 
In puncto Pflegeheime gibt es bereits derzeit genügend Möglichkeiten, e-Rezepte einzulösen – auch für die Versorgung von Pflegeheimbewohner:innen oder auch die mobile Pflege (e-Rezept-Code, e-Rezept-ID, e-Rezept-Ausdruck). Die Softwarewirtschaft bietet auch seit geraumer Zeit Lösungen an, damit entweder der e-Rezept-Code oder die REZ-ID im Auftrag des Pflegeheimes direkt vom Arzt/von der Ärztin über sichere Kanäle (Befundübermittlungssysteme) an die beauftragte Apotheke übersendet werden kann. Welche digitale Lösung am besten geeignet ist oder ob dem Papierprozess der Vorrang gegeben wird, muss jedes Pflegeheim für sich selbst entscheiden und in weiterer Folge mit Arzt/Ärztin bzw. Apotheker:in vereinbaren. Mehr Informationen dazu siehe: www.chipkarte.at/cdscontent/?contentid=10007.865654& portal=ecardportal

ÖAZ Im September wird die Notfall-Hotline für Apotheken abgeschaltet. Wie sieht die Alternativlösung aus?
Reischl Aus Sicht der Sozialversicherung wird keine Alternativlösung benötigt, da dieses Service nur sehr selten in Anspruch genommen wurde. Der Bedarf für eine Aufrechterhaltung der Notfall-Hotline für Apotheken außerhalb der ordentlichen Geschäftszeiten der Vertragspartner-Serviceline ist somit nicht gegeben. 
Abgesehen davon gibt es zahlreiche Möglichkeiten, ein e-Rezept in der Apotheke einzulösen. Sei es durch Stecken der e-Card, durch Vorzeigen des e-Rezept-Codes vom e-Rezept-Ausdruck oder Handy bis hin zur Eingabe der zwölfstelligen Rezept-ID. Darüber hinaus bietet § 4 Abs. 6 Rezeptpflichtgesetz schon immer die Möglichkeit, im Notfall auch ohne Vorhandensein eines Rezeptes die kleinste im Handel erhältliche Packung abzugeben.

ÖAZ Danke für das Gespräch.

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