Interview

„Ein Krisenlager könnte helfen“

Mag. Andreas Feichtenberger
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Dr. Andreas Windischbauer, Präsident des Verbands der Österreichischen Arneimittelvollgroßhändler © Beigestellt
Dr. Andreas Windischbauer, Präsident des Verbands der Österreichischen Arneimittelvollgroßhändler © Beigestellt

Lieferengpässe, Blackout, mangelhafte Anpassungen bei den Spannen – der Großhandel sieht sich derzeit zahlreichen Themen gegenüber, ist aber für die Herausforderungen gut gerüstet, betont Andreas Windischbauer – was er sich von der Politik wünscht und wie sich der Großhandel als kritische Infrastruktur für den Winter gerüstet hat. 

ÖAZ Die Lieferengpässe sind seit Jahren ein Thema, kurzfristige Lösungen scheinen aber schwierig zu sein. Wie schätzen Sie die Situation ein und wie steuern Sie dagegen? 
Dr. Andreas Windischbauer Ich sehe aktuell keine Mechanismen, die die Situation deutlich verbessern könnten; es wird auf absehbare Zeit also sicherlich so bleiben. Eines der zentralen Probleme ist die unglaublich hohe Konzentration aller Fertigungs- und Wirkstoffherstellungen in Asien. Bei manchen Generika liegen diese sogar bei 100 %. Will man die Produktion für diese günstigen Arzneimittel nach Europa zurückholen, muss das auf europäischer Ebene gelöst werden – aber ich bin extrem skeptisch, ob das gelingen kann. Der einzige Grund, warum die österreichische Bevölkerung von der Problematik im Moment nur wenig betroffen ist, ist dem Umstand geschuldet, dass die Apotheker:innen Alternativen schaffen, die die Patientinnen und Patienten zufriedenstellen – und hier ist natürlich der Großhandel gefragt, der den Apotheken diese Alternativen zur Verfügung stellen muss. 

ÖAZ Funktioniert diese Logistik aktuell gut oder würden Sie sich Verbesserungen wünschen? 
Windischbauer Es funktioniert gut, aber es kann verbessert werden. Wir würden uns mehr gesicherte Informationen von der Industrie wünschen. Abhilfe könnte auch ein Krisenlager für rund 200 wichtige Medikamente schaffen – vor allem bei kurzfristigen Ausfallsituationen wie es bei manchen spezifischen Medikamenten vorkommt, die nicht substituierbar sind. Dieses Lager sollte für zwei bis vier Wochen halten, bis die Versorgungsketten wieder funktionieren. Problematisch ist aber auch, dass viele Produkte nicht mehr über den Großhandel, sondern direkt über die Industrie vertrieben wird. So werden Medikamente nicht mit der gewohnten Qualität des Großhandels ausgeliefert, und die Produkte kommen aus einem zentralen Lager. Das heißt die Ausfallsrisikoposition ist dramatisch erhöht. Die Forderung lautet daher, dass der Großhandel bei Belieferungen nicht ausgeschlossen werden darf. Die Apotheker:innen sollen entscheiden, wo sie lieber bestellen wollen. So wäre die Arzneimittelversorgung sicherlich noch stabiler aufgestellt. 

ÖAZ Begriffe wie Blackout und Energiekrise sind aktuell in aller Munde. Wie gehen Sie an die Themen heran und was bedeuten sie für den Großhandel? 
Windischbauer Wir bereiten uns auf die verschiedenen Szenarien vor. Jedes Mal, wenn ein neues und realistisches Szenario auftaucht, überlegen wir, wie wir ihm begegnen können. Diese Krisenpläne sind notwendig, damit wir im Fall der Fälle nicht anfangen müssen, zu improvisieren. Da wir dezentral organisiert sind, ist die Ausfallssicherheit wirklich groß – ein Standpunkt kann schnell und unkompliziert für einen anderen einspringen. Nehmen wir Herba als Beispiel: Alle Niederlassungen sind mit Notstromaggregaten ausgestattet, die uns für etwa zehn Tage 
autark machen. Das ist aufgrund unserer Marktgröße ganz besonders relevant. Denn wenn Sie die Gedanken weiterspinnen – ohne Großhandel funktioniert auch die Apotheke nicht, und die Menschen kommen nicht an ihre Medikamente. 

ÖAZ Die Spannen für Apotheken und Großhandel sind lange nicht angepasst worden, Corona hat die Verhandlungen diesbezüglich auch ins Stocken gebracht. Welche Ziele verfolgen Sie? 
Windischbauer Das stimmt, seit 2004 gab es in dem Bereich keinerlei Anpassungen, und die aktuelle Situation sorgt für weitere Spannungen. Auf der einen Seite haben wir eine nie da gewesene Inflation und auf der anderen Seite eine entsprechende Personalkostenentwicklung. Das ist in einem Segment, in dem der Staat die Preise vorgibt, eine extrem toxische Mischung. Wir sprechen aktuell mit allen Politikerinnen und Politikern aus allen Parteien, um unseren Standpunkt transparent zu machen. Das Thema ist sehr spezifisch, und wir müssen es ihnen erst verständlich machen, dass trotz wachsendem Umsatz die Gewinne zurückgehen. Wer eine funktionierende kritische Infrastruktur haben möchte, muss diese auch entsprechend ausstatten. 

ÖAZ Welche Erhöhung der Spannen wird angepeilt? 
Windischbauer Es geht grundsätzlich um eine Erhöhung der Spannen mithilfe einer zusätzlichen strukturellen Komponente. 70 % aller Arzneimittel sind im Bereich der ersten Aufschlagsgruppe zu finden, die bis € 6,– reicht. In dieser Aufschlagsgruppe ist bei einem Großteil der Artikel nicht einmal die Deckung der variablen Kosten möglich. Hier schlagen wir daher einen Fixbetrag plus den derzeit gültigen Aufschlag vor. Dieser Fixbetrag sollte jährlich, ähnlich wie die Rezeptgebühr, valorisiert werden. Der zweite Punkt unserer Forderung liegt im Bereich der sehr teuren Arzneimitteln (über € 2.000,–), wo es neben einem valorisierten Fixbetrag auch zu einem sehr geringen prozentualen Aufschlag kommen sollte, um unsere Finanzierungskosten wie auch Risikokosten wenigstens zum Teil abdecken zu können. Wir haben dieses Modell bereits mit Ministerium und Dachverband besprochen, die grundsätzlich Verständnis für die Situation gezeigt haben. Jetzt, wo es um die Umsetzung geht, wird das Ganze leider enorm zäh. 

ÖAZ Welche Wünsche hätten Sie an die Politik? 
Windischbauer Ich wünsche mir eine wertorientierte Diskussion über die besten Ideen für Österreich, kein klimavergiftendes Freund-Feind-Denken. Für unsere Branche wünsche ich mir Wertschätzung, die zu einem zukunftssicheren Finanzierungsmodell führt. 

ÖAZ Danke für das Gespräch.

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