Deutscher Apothekertag

Deutscher Gesundheitsminister kommt mit „zerstörerischen“ Plänen

Mag. Ingrid Trebo
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Gabriele Regina Owerviening bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertages © ABDA/Wagenzik
Die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Owerviening hielt bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertages eine mitreißende Rede. © ABDA/Wagenzik

Der Deutsche Apothekertag hat am 28. September, einen Tag nach der Eröffnung und dem Videocall des Gesundheitsministers Karl Lauterbach eine Resolution zur Stärkung und Stabilisierung der Arzneimittelversorgung beschlossen und damit Lauterbachs Pläne von Medikamenten-Abgabestellen ohne persönlichen Kontakt zur Apothekerin oder zum Apotheker abgelehnt.

Die Stimmung bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertages am 27. September war erregt. Bereits am Vortag, am 26. September, waren in der Presse Lauterbachs Apothekenpläne publik geworden: Zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung am Land stellt sich Lauterbach die Einführung von Filial- oder Zweigapotheken vor, die ohne anwesenden approbierten Apotheker öffnen können, mit zugeschalteter Telepharmazie-Beratungsmöglichkeit aus der Stammapotheke. Labore und Rezepturräume wären dort ebenso wenig Pflicht wie die Teilnahme an Not- und Nachtdiensten.

Mitreißende Rede der ABDA-Präsidentin

Mit diesen Informationen aus der Presse startete also der Deutsche Apothekertag am 27. September. Die Präsidentin der ABDA, Gabriele Regina Owerviening, hielt eine mitreißende Rede und nannte die Vorabveröffentlichung von Lauterbachs Apothekenplänen „ein unfassbares Zeichen verantwortungsloser Undankbarkeit und schwerwiegender Geringschätzung an uns“.

Lauterbach zeige sich bereit, mit seinen Plänen das Apothekensystem gänzlich zu zerstören, resümiert Owerviening die Pläne des Gesundheitsministers und bezeichnet diese als „völlig verrückt“. Die Vorhaben würden die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes bedeuten, was langfristig dazu führen würde, dass das heilberufliche und unabhängige Apothekensystem den Angriffen von Fremdkapital ausgeliefert werde, so Owerviening. Filialapotheken sollten zu bloßen Arzneimittelabgabestellen werden. Auf dem Land würde dadurch das Apothekensterben ungebremst weitergehen, unterversorgte Landesteile blieben unterversorgt und erhielten auch noch eine Leistungskürzung, weil kein Nacht- und Notdienst verfügbar sei. „Wir reden hier über einen sozialdemokratischen Minister, der dafür sorgen will, dass die Arzneimittelversorgung entwertet wird, dass die Daseinsvorsorge vor Ort auseinanderbröckelt, und dass Menschen im Land nicht mehr sicher versorgt werden“, fasst Owerviening zusammen. Sie kündigt weitere Proteste, aber auch Dialogoffenheit an.

Apotheker tragen Warnwesten © ABDA/Wagenzik
Die Präsidentin der ABDA, Gabriele Regina Owerviening, hatte die Teilnehmer:innen dazu aufgerufen, die weißen Warnwesten mit der Aufschrift „Apotheken stärken. Jetzt“ anzulegen. Das Autidorium war schnell voller Westenträger:innen. © ABDA/Wagenzik

„Extremkrisenmodus im Hinblick auf Finanzen“

Die sichere Versorgung der Patient:innen sei in Gefahr. Durch die Lieferengpassproblematik sei eine schnelle Versorgung oft gar nicht mehr möglich. Durch die äußerst angespannte Personallage in den Apotheken sei die Aufrechterhaltung der Versorgung größtenteils nur durch Selbstausbeutung zu bewerkstelligen.

Die letzten Bundesregierungen hatten sich - so wie die derzeitige - geweigert, das Apothekenhonorar an die allgemeine Kostenentwicklung anzupassen. Das zeige laut Owerviening die fehlende Wertschätzung, denn ohne die Apotheken würde derzeit Versorgungschaos ausbrechen. Vor elf Jahren hatten die deutschen Apotheker ihre letzte Honoraranpassung von 3 % erhalten, diese sei damals schon eher ein symbolischer Akt gewesen. Seitdem blieben die Forderungen der Apotheker:innen unerhört, so Owerviening. Die Kosten in den Apotheken seien enorm gestiegen. Die Bundesregierung weiche ihrer Verantwortung aus, weder das System der Apotheken zu stärken noch zu stabilisieren, klagt Overwiening an. „Um die sinkende Anzahl der Apotheken vor Ort abzufangen, bedarf es für die Apotheken vor Ort einer Fixhonorierung von mindestens 12 Euro je versorgter Arzneimittelpackung, was 2,7 Milliarden Euro jährlich entspricht“, lautet die Forderung von Owerviening.

Mitarbeiterlöhne und Attraktivität des Berufs

Ein Problem sieht Owerviening auch im Umstand, dass das Arbeiten in der Apotheke immer mehr an Attraktivität verliere. Die Honorare der Apothekenmitarbeiter:innen seien im Vergleich mit denen anderer Gesundheitsberufe nicht besonders hoch, aber Apothekenbesitzerinnen könnten höhere Gehälter nicht bezahlen und, anstatt über Neuanstellungen nachzudenken, müssten Apothekeneigentümer:innen immer öfter wirtschaftlich bedingte Kündigungen erwägen, obwohl eigentlich mehr Personal notwendig wäre.

„Noch haben wir 160.000 wohnortnahe Arbeitsplätze in unseren Apotheken. Das ist ein Fund, hier muss Politik aufsetzen. Hier muss Politik beginnen und alles daransetzen, diese Arbeitsplätze zu sichern“, wendet sich Owerviening an die Politik und ergänzt: „Die Ampel muss sich darüber bewusst sein, welchen Schatz sie mit den 160.000 wohnortnahen Arbeitsplätzen in den Apotheken hat. Diese zu erhalten geht nur, wenn die Regierung bereit ist, in die Apotheken vor Ort zu investieren.“

Positive Entwicklung bei Austauschfreiheiten, Präqualifizierung und Retaxation

In den Bereichen der Austauschfreiheiten, Präqualifizierung und Retaxation habe die Koalition Einsicht gezeigt, aber bedauerlich sei, dass ein Teil dieser bürokratisch entlastenden Neuregelungen nur lückenhaft beschlossen worden sei oder von den Krankenkassen im Nachhinein verwässert würden. „Der Apothekenalltag muss von überkomplexen bürokratischen Anforderungen entschlackt werden“, fordert die Präsidentin. Apothekenmitarbeiter:innen sollten sich um die Patient:innen kümmern können und nicht ihre Zeit in bürokratische Prozesse investieren müssen. 

Engpassausgleich

Positiv wertet die Präsidentin, dass der Bundestag durch den Engpassausgleich in der Höhe von 50 Cent für den zusätzlichen Aufwand für Rücksprache mit Ärzt:innen und Großhandel anerkannt hat, dass die Apotheken durch Lieferengpässe einen zusätzlichen Aufwand haben. Aber der GKV-Spitzenverband interpretiere das Gesetz anders und der Kassenverband wolle die Abrechnungsmöglichkeiten nur auf wenige spezielle Fälle einschränken. „Vom Gesetzgeber gewollte Verbesserungen und Weiterentwicklungen in der Gesundheitsversorgung werden durch dieses Verhalten regelmäßig, erst mit großem Zeitversatz umgesetzt. Das darf nicht sein“, empört sich Owerviening.

Gesundheitsminister Lauterbach per Videocall am Deutschen Apothekertag © ABDA/Wagenzik
Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach war bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertages per Vidocall zugeschaltet. © ABDA/Wagenzik

Lauterbach per Videocall

Gesundheitsminister Karl Lauterbach betonte, dass er gerne persönlich zum Apothekertag gekommen wäre, er aber beruflich verhindert war. Es sei auch nicht so geplant gewesen, dass seine Pläne für das Apothekensystem vorab in den Medien publik wurden.

„Apotheker sind hochqualifiziert und wir haben im gesamten Gesundheitssystem einen Mangel an hochqualifizierten Fachkräften. Da können wir es uns nicht leisten, dass wir die Qualifikation nicht voll ausreizen, das gilt auch für die Apotheker“, betonte Lauterbach. „Wir müssen aus der Qualifikation Apothekerin und Apotheker noch mehr herausholen. Sie werden derzeit nicht im vollen Umfang ihrer Qualifikationen eingesetzt“. Er bedauere, dass die Zahl der Apotheken zurückgegangen sei. „Ein Erhalt der Apotheken ist auch für mich ein sehr wichtiges Ziel“, betonte der Minister.

Zu seinen Plänen sagte er, dass er Filial- und Zweigapotheken fördern möchte, und zwar nicht durch Fremdbesitz von Apotheken, sondern durch Apotheken, die im Eigentum von Apothekern stehen. Er möchte die derzeitige Besitzstruktur um ein bis zwei Apotheken erhöhen, wenn dazu die Möglichkeit bestehe. Er könne sich eine Flexibilisierung der Labor- und Herstellungsbedingungen vorstellen, sodass eine Filialapotheke nicht mehr zwingend über ein Labor und eine Rezeptur verfügen müsse, sondern sich auch von der Hauptapotheke beliefern können lasse.
Der Minister lobte die Apothekerinnen als eine Speerspitze für die Digitalisierung im Gesundheitssystem - er könne sich daher gut eine telepharmazeutische Beratung in der Filialapotheke vorstellen. Lauterbach sprach auch eine mögliche Flexibilisierung der Öffnungszeiten an. Ebenso werde eine Diskussion über die Honorierung und Strukturierung stattfinden.

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