Symphytum Officinale

Beinwell

Mag. pharm. Arnold Achmüller
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Beinwell © Shutterstock
Die Farben der Beinwellblüten reichen von Rosa über Purpurrot bis hin zu Violett. © Shutterstock

Wesentliche botanische Merkmale dieser Heilpflanze sind der stark borstig behaarte Stängel, die eiförmig-lanzettlich zugespitzten Blätter mit einer groben Netzstruktur und die in den Achseln der oberen Blätter stehenden – von rosa über purpurrot bis violett blühenden – Blüten. Charakteristisch sind auch die weit am Stängel herablaufenden oberen Blätter mit einem geflügelten Blattstiel. Die Art ist nicht eng definiert, sondern ein Aggregat mit unterschiedlichen Ploidie-stufen und entsprechend hoher phytochemischer Variabilität.

Beinwell ist eng mit der traditionellen europäischen Kräuterkunde verbunden und wurde – wie bereits bei Dioskurides beschrieben – als Heilmittel bei Wunden und Knochenbrüchen verwendet. Der Name Symphytum leitet sich vom griechischen syn (= zusammen) und phyo (= wachsen) ab. Auch der deutsche Name Beinwell, der im Mittelalter gebräuchliche Name Wallwurz (wallen = Wunde/Knochen wächst zusammen) und der unter anderem von Hildegard von Bingen und Paracelsus verwendete Name Consolida (lat. consolida = füge zusammen) gehen auf die seit Jahrhunderten praktizierte Anwendung bei Verletzungen und Knochenbrüchen zurück.

Arzneilich verwendete Droge

Zu Beinwell ist noch keine Monographie im Europäischen Arzneibuch verfügbar. Im Allgemeinen wird die Beinwellwurzel – wie in der British Herbal Pharmacopoeia 1996 – als das getrocknete Rhizom und die Wurzeln von Symphytum officinale L. definiert. Daneben wird auch der Presssaft aus dem frischen Kraut des Futter-Beinwell (Symphytum x uplandicum Nym.) arzneilich verwendet. Die Droge stammt vorwiegend aus dem Anbau. Zur Herstellung von Extrakten werden meist Sorten verwendet, die nur sehr wenige Pyrrolizidinalkaloide enthalten. Außerdem werden diese Alkaloide mittels Spezialverfahren weitestgehend aus dem endgültigen Extrakt entfernt.

Inhaltsstoffe und pharmakologische Wirkungen 

Die Beinwellwurzel enthält circa 0,6 bis 0,8 % Allantoin, circa 0,04 bis 0,6 % Pyrrolizidinalkaloide (PA), 4 bis 6 % Gerbstoffe sowie verschiedene Kohlenhydrate wie Schleimstoffe, Inulin und Stärke. Ferner finden sich in der Wurzel auch Triterpensaponine, Glycopeptide, Sterole und Phenolcarbonsäuren (u. a. Salicyl-, Rosmarin- und Chlorogensäure).1

Analgetische und antiphlogistische Wirkung

Die analgetische und antiphlogistische Wirkung ist vermutlich auf die enthaltenen Hydroxyzimtsäuren (u. a. Rosmarinsäure und Chlorogensäure), die Glycopeptide und das enthaltene Allantoin zurückzuführen. Zuletzt wurde das in einem DPPH- und ABTS-Assay für diverse Oligomere der Kaffeesäure (Globoidnan, Rabdosiin, Rosmarinsäure und Globoidnan A) bestätigt. Der Effekt war bei Rosmarinsäure am größten.2

Neuere In-vitro-Studien zeigen, dass Beinwellextrakte die Aktivierung von NF-κB unterbinden. Da dieser Transkriptionsfaktor eine wesentliche Rolle in der Expression von proinflammatorischen Genen spielt, ist auch dies ein weiterer Baustein in der Aufklärung des Wirkmechanismus.3

Wundheilungsfördernder Effekt

Eine aktuelle Studie bestätigt die schon früher beobachtete wundheilungsfördernde Wirkung eines Presssaftes aus dem frischen Kraut von Symphytum x uplandicum Nyman (DEV 2,5:1). Durch die Applikation einer halbfesten Zubereitung (enthielt 10 % Presssaft) kam es in vitro innerhalb von vier bis sieben Tagen zu einer deutlichen Beschleunigung der Hautregeneration und zu einer früher stattfindenden Differenzierung der neugebildeten Zellen.4 Außerdem gibt es Hinweise auf eine gesteigerte Proliferation von dermalen Fibroblasten.5  

Weitere Wirkungen

Ältere Studien zeigten in vivo eine antibakterielle Wirksamkeit gegenüber diversen grampositiven und -negativen Bakterien. Dies wurde bislang allerdings nicht durch neuere Studien bestätigt. Diverse mit Beinwellextrakten durchgeführte In-vitro-Testungen (DPPH, FRAP, TPC) belegen außerdem eine ausgeprägte antioxidative Wirkung.5

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Die analgetische und antiphlogistische Wirkung ist vermutlich auf die enthaltenen Hydroxyzimtsäuren, die Glycopeptide und das Allantoin zurückzuführen. © Shutterstock

Klinische Studien

Es sind zahlreiche klinische Studien verfügbar, die einen Nutzen bei diversen schmerzhaften Erkrankungen des Bewegungsapparates und bei Myalgien belegen. In einer multizentrischen placebokontrollierten Studie von Giannetti et al. (2010) wurde eine Beinwellsalbe (Flüssigextrakt aus den Wurzeln, DEV 1:2, 60 % Ethanol) an 120 Teilnehmern mit akuten Rückenschmerzen mit einem Placebo verglichen. Die Teilnehmer applizierten hierfür fünf Tage dreimal täglich jeweils 4 g einer Salbe an den schmerzenden Stellen. Dabei zeigten sich im Beobachtungszeitraum eindeutig schmerzstillende Effekte der Beinwellsalbe, welche Placebo deutlich überlegen waren. In der Verumgruppe berichteten 95,2 % der Teilnehmer über eine Verbesserung der Schmerzen, in der Placebogruppe waren dies lediglich 37,8 %.

In einer Studie mit 164 Patienten zeigte sich eine Beinwellsalbe auf Basis eines Beinwellwurzel-Flüssigextraktes (DEV 1:2, 60 % Ethanol) bei akuter Knöchelverstauchung sogar dem topisch aufgetragenen Wirkstoff Diclofenac überlegen.

Beinwell gilt seit Jahrhunderten auch als wundheilungsfördernde Pflanze. Eine offene prospektive Studie befasste sich mit einem möglichen Benefit bei durch Druck ausgelösten Ulcera im Pflegebereich. In dieser Studie wurden bei 345 Patienten, die Ulcera in den Stadien I und II aufwiesen, die Druckgeschwüre über vier Wochen jeden zweiten bis dritten Tag mittels einer mit einer Beinwellcreme (enthielt 10 % Presssaft aus dem frischen Kraut von Symphytum x uplandicum Nyman (DEV 2,5:1) imprägnierten Bandage behandelt. Nach vier Wochen wurde in mehr als 80 % der Fälle eine komplette Abheilung der Wunden beobachtet. Bei den restlichen Ulcera reduzierte sich deren Tiefe um circa 90 %.

Wissenschaftlich bewertete Anwendungen

Das HMPC hat bisher nur die Beinwellwurzel als traditionelles pflanzliches Arzneimittel („traditional use“) zur symptomatischen Behandlung von leichten Verstauchungen und Prellungen anerkannt. 

Info

Eine aktuelle Studie bestätigt die schon frühe beobachtete wundheilungsfördernde Wirkun des Presssaftes aus dem frischen Kraut.

Typische Zubereitungen, Tagesdosierung und Anwendungsdauer

Die Anwendung sollte laut HMPC ausschließlich äußerlich auf Basis eines Flüssigextraktes (DEV 2:1, 65 % Ethanol) in einer halbfesten Zubereitung erfolgen. 

Im Handel ist auch ein Presssaft aus dem Beinwellkraut (Symphytum x uplandicum Nym., 100 mg/g, DEV 2,5:1) verarbeitet in einer halbfesten Zubereitung zum äußerlichen Gebrauch verfügbar. 

Eine 10%ige halbfeste Zubereitung sollte 2 x täglich aufgetragen werden. Die Anwendung sollte sich auf zehn Tage beschränken. Nur auf intakter Haut auftragen, die Augen und die Schleimhäute müssen ausgespart bleiben. Falls sich die Symptome nicht verbessern oder gar verschlimmern, sollte eine ärztliche Abklärung folgen. Da Beinwell Pyrrolizidinalkaloide enthält, darf eine innerliche Anwendung − z. B. als Teedroge − nicht erfolgen.

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Zahlreiche klinische Studien belegen den Nutzen der äußeren Anwendung von Beinwell bei diversen schmerzhaften Erkrankungen des Bewegungsapparates und bei Myalgien. © Shutterstock

Kinder, Schwangere und Stillende 

Aufgrund fehlender Daten wird Beinwell seitens des HMPC erst ab 18 Jahren empfohlen. Für die Anwendung bei Schwangeren und Stillenden liegen bis dato keine Daten vor, weshalb eine entsprechende Anwendung nicht empfohlen wird. Studien mit isolierten Pyrrolizidinalkaloiden aus Beinwellwurzeln haben bei Tieren reproduktionstoxische Wirkungen gezeigt.

Wechsel- und Nebenwirkungen (Risiken)

Die im Beinwell enthaltenen Pyrrolizidinalkaloide (PA) zeigten in diversen Tierversuchen hepato-, kardio-, nephro- und neurotoxische sowie potenziell genotoxische Wirkungen. In der Leber kommt es durch mischfunktionelle Oxygenasen zur Entstehung von hepatotoxischen Pyrrolderivaten und damit zu einer metabolischen Giftung. Die Toxizität steigt mit der aufgenommenen Menge und der Expositionslänge. Das Penetrationsvermögen der PA bei topischer Anwendung ist noch nicht restlos geklärt. In einer aktuellen Untersuchung an der Franz-Diffusionzelle relativiert sich dieses Risiko zumindest für Lycopsamin, einem im Beinwell enthaltenen PA. Denn laut diesem Modell kommt es maximal zu einer Penetration von 4,9 % dieser Substanz.

In den im Handel befindlichen Arzneimitteln sind PA einerseits durch Verwendung PA-armer Sorten und andererseits durch spezielle Abreicherungsverfahren bei der Extraktherstellung gar nicht mehr bzw. nur mehr in Spuren vorhanden. 

Die Problematik der PA – welche in zahlreichen Pflanzen vorkommen – ist derzeit Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Diskurse. Da man diese als Kontaminanten auch in zahlreichen Lebensmitteln wie Honig und diversen Kräutertees findet, gibt es mittlerweile genaue Vorgaben. Bei oralen Anwendungen wird seitens der aktuellsten Guideline des HMPC auf Basis eines 50 kg schweren Erwachsenen eine maximale tägliche Aufnahme von 1,0 µg PA pro Tag empfohlen. Auch bei der topischen Anwendung von PA-haltigen Arzneimitteln muss sichergestellt sein, dass die empfohlene tägliche Aufnahmemenge von maximal 1,0 µg PA pro Tag für Erwachsene eingehalten wird. Die Anwendung ist beschränkt auf die intakte Haut.

Kontraindikation

Bei einer bekannten Überempfindlichkeit gegen eine im Beinwellkraut oder -wurzel enthaltenen Substanz.

Co-Autoren
Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Rudolf Bauer
em. o. Univ.-Prof. DI Dr. Chlodwig Franz
Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. Dr. h.c. Brigitte Kopp
Univ.-Prof. Mag. Dr. Hermann Stuppner

Quellen

1   Blaschek W.,: Wichtl − Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis. 6. Auflage. 2016; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart

2   Trifan A., et al.: Symphytum officinale L.: Liquid-liquid chromatography isolation of caffeic acid oligomers and evaluation of their influence on pro-inflammatory cytokine release in LPS-stimulated neutrophils. J Ethnopharmacol. 2020; 262:113169

3   Seigner J., et al.: A Symphytum officinale Root Extract Exerts Anti-inflammatory Properties by Affecting Two Distinct Steps of NF-κB Signaling. Front Pharmacol. 2019; 10:289

4   Dähnhardt D., et al.: Epidermal Regeneration Induced by Comfrey Extract: A Study by Light and Electron Microscopy. Skin Pharmacol Physiol. 2020; 33(4):189−197

5   Sowa I., et al.: Proliferative and antioxidant activity of Symphytum officinale root extract. Nat Prod Res. 2018; 32(5):605−609

Weitere Quellen auf Anfrage


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