Multiple Sklerose

Anti-B-Zell-Therapie wird noch wirksamer

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Illustration eines Gehirns. © Shutterstock
Multiple Sklerose ist zwar nicht heilbar, aber behandelbar. © Shutterstock

Bei der Multiplen Sklerose (MS) kommt es im Zuge einer Autoimmunreaktion, deren Auslöser man noch nicht kennt, zu einer Zerstörung der Myelinscheiden der Nervenverbindungen in Gehirn. Dieser Abbau der "Isolierschicht" mit sprichwörtlichem "Kabelschaden" inklusive entzündlicher Prozesse verursacht - schubweise und mit jeweils bleibenden Defiziten oder ständig fortschreitend - motorische Störungen, die schließlich zur Invalidität führen können.

De facto alle bisher bekannten medikamentösen Therapien setzen beim Immunsystem an. Weiterhin ist Cortison in einem akuten Schub das wirksamste Mittel. Doch ab dem Jahr 2000 brachte schließlich Beta-Interferon eine Revolution der Behandlung mit sich. Erstmals wurde es möglich, akute Krankheitsschübe zu verhindern. Substanzen wie Glatirameracetat und Teriflunomid folgten. Ursprünglich aus der Suche nach besseren Mitteln zur Unterdrückung der Abstoßungsreaktion nach Organtransplantationen stammt zusätzlich der Wirkstoff Fingolimod, dem ähnliche Substanzen folgten.

Schließlich zeigte sich, dass die Beseitigung bestimmter Immunzellen - der B-Zellen - besonders wirksam in der möglichst starken Unterdrückung der MS-Mechanismen ist. Dafür eingesetzt werden bereits monoklonale Antikörper wie Ocrelizumab und Ofatumumab. Mit einem ähnlichen monoklonalen Antikörper in neuer Form erfolgten jetzt groß angelegte Wirksamkeitsstudien der Phase III mit Patienten mit schubförmig remittierender MS, der häufigsten Verlaufsform. Die Kranken erleiden immer wieder akute Schübe, die dabei erlittenen Schäden können sich mit der Zeit summieren.

In die beiden Studien wurden knapp 1.100 Patienten aufgenommen. Das mittlere Alter betrug etwas mehr als 35 Jahre. Sie hatten zuvor rund sieben Jahre an Multipler Sklerose gelitten. Pro Jahr waren zwischen 1,2 und 1,4 akute Krankheitsschübe eingetreten. Die Hälfte der Probanden erhielt das oral einzunehmende Medikament Teriflunomid, die andere Hälfte Ublituximab. Dieser monoklonale Antikörper zielt auf die Beseitigung der B-Zellen im Blut ab. Im Vergleich zu den ähnlichen Biotech-Medikamenten hat er aber eine modifizierte "Verzuckerung" (Glykosilierung). Zucker-Seitenketten können Funktion und Wirksamkeit beeinflussen. In diesem Fall soll der monoklonale Antikörper dadurch eine schnellere und bis zum 30-Fachen höhere Wirksamkeit erreichen.

Die im New England Journal of Medicine publizierte Studien mit einer Beobachtungszeit von 96 Wochen (DOI: 10.1056/NEJMoa2201904) von Lawrence Steinman (Universität Palo Alto/USA) und seinen Co-Autoren zeigten in der Gesamtdarstellung jedenfalls eine sehr hohe Wirksamkeit im Vergleich zu dem herkömmlichen MS-Medikament Teriflunomid. Die jährliche Rückfallsrate (akute Schübe) wurde unter der Therapie mit Ublituximab in den beiden Studien auf 0,08 bzw. 0,09 solcher Episoden gedrückt. In den Gruppen mit der Teriflunomid-Therapie lag die jährliche Schubrate bei 0,19 bzw. 0,18. Das bedeutete je nach Studie eine um knapp die Hälfte bis um 59 Prozent bessere Wirksamkeit der monoklonalen Antikörper. In den Magnetresonanz-Untersuchungen zeigte sich auch, dass es mit dem neuen in Entwicklung stehenden Medikament kaum mehr zu neuen entzündlichen Krankheitsherden im Gehirn kam.

Allerdings ergab sich zwischen den beiden Behandlungsgruppen kein signifikanter Unterschied bei der Entwicklung bleibender Schäden durch die MS. Während Teriflunomid in Tablettenform eingenommen werden kann, sind bei dem Biotech-Medikament Infusionen notwendig, was bei knapp der Hälfte der Behandelten zu zumeist leichten Nebenwirkungen führte. Durch die Beseitigung der B-Zellen, welche Antikörper produzieren, kam es in der Gruppe der mit dem Biotech-Medikament Behandelten zu mehr Infektionen. Ein Patient starb an einer Lungenentzündung.

(APA)

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