(Heimische) Reisegefahren der Zukunft

Krankheiten durch Klimawandel und Migration

MAG. PHARM.  René  GERSTBAUER
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Arzt mit kleiner Weltkugel in der Hand © Shutterstock
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Die Pandemie hat nicht nur das globale Gesundheitssystem strapaziert, sondern auch die Aufmerksamkeit auf eine Vielzahl indirekter Effekte gelenkt. Klimawandel und Migration haben Infektionskrankheiten in einer Weise beeinflusst, welche vor wenigen Jahrzehnten unvorstellbar schien. Krankheiten, die bisher auf spezifische Regionen beschränkt waren, breiten sich durch das wärmere Klima und globale Mobilität aus. Diese Dynamiken schaffen neue Herausforderungen – auch für Länder wie Österreich. Die tiefgreifenden Verbindungen zwischen Umweltveränderungen, Migration und Krankheitsausbrüchen erfordern eine faktenbasierte Analyse und eine globale wie regionale Zusammenarbeit. Viele Studien beziehen sich zwar auf unser Nachbarland Deutschland, können aber sinngemäß auch auf Österreich übertragen werden.

Klimawandel und vektor-übertragene Krankheiten

Der Klimawandel verändert die Ökologie von Krankheitsvektoren wie Mücken, Zecken und Nagetieren und begünstigt die Ausbreitung von Krankheiten wie Dengue-Fieber, Lyme-Borreliose und FSME in neue Regionen. Die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), ursprünglich in tropischen Gebieten beheimatet, hat sich durch wärmere Winter und längere Sommer in Europa etabliert und überträgt Viren wie Dengue, Zika und Chikungunya – seit 2007 breitet sie sich kontinuierlich in unseren Gefilden aus. Das Denguefieber wurde in Österreich aber nur aus dem Ausland importiert, eine heimische Infektion mit dem Chikungunya-Fieber ist ebenfalls noch nicht vorgekommen. Eine weitere invasive Art, die japanische Buschmücke (Aedes japonicus), zeigt eine hohe Kältetoleranz und könnte in den Alpenländern Viren wie das West-Nil-Virus verbreiten, welches in Europa zunehmend vorkommt.

Zecken profitieren ebenfalls stark vom Klimawandel und fördern die Verbreitung von Krankheiten wie Lyme-Borreliose, die in Europa die häufigste zeckenübertragene Krankheit ist – in Österreich allein gibt es jährlich 25.000 bis 70.000 Infektionen. FSME, hierzulande seit Langem endemisch, könnte sich durch mildere Winter weiter ausbreiten. Trotz Österreichs vorbildlichem FSME-Impfprogramm erfordern neue Bedrohungen wie Babesiose und das Krim-Kongo-Fiebervirus eine kontinuierliche Anpassung der Präventionsstrategien.

Die wachsende Bedeutung von Nicht-Cholera-Vibrionen

Im Sommer 2018 verursachten ungewöhnlich hohe Wassertemperaturen in der Ostsee eine Häufung von Vibrio-Infektionen. © Shutterstock
Im Sommer 2018 verursachten ungewöhnlich hohe Wassertemperaturen in der Ostsee eine Häufung von Vibrio-Infektionen. © Shutterstock

Nicht-Cholera-Vibrionen sind gramnegative Bakterien, die natürlicherweise in salzhaltigen und brackigen Gewässern vorkommen. Durch steigende Wassertemperaturen treten sie zunehmend auch in gemäßigten Klimazonen auf. Studien zeigen eine direkte Korrelation zwischen der Häufigkeit von Vibrio-Infektionen und Oberflächenwassertemperaturen über 20 °C. In der Ost- und Nordsee wurden bspw. in den Sommermonaten vermehrt Infektionen registriert. Der Klimawandel fördert die Ausbreitung dieser Bakterien. Ein Beispiel ist der Sommer 2018, als ungewöhnlich hohe Wassertemperaturen in der Ostsee eine Häufung von Vibrio-Infektionen verursachten. Diese Bakterien könnten mit der Erwärmung weitere Regionen erreichen und als Frühindikator für klimatische Auswirkungen auf wasserbezogene Krankheitsmuster dienen.

Wasserbezogene Krankheiten
Nicht-Cholera-Vibrionen

Zu den humanpathogenen Arten zählen Vibrio vulnificus, Vibrio parahaemolyticus und Vibrio alginolyticus, welche vor allem drei Krankheitsbilder verursachen:

  1. Wundinfektionen
    Nach Kontakt mit kontaminiertem Wasser, teils mit schweren systemischen Verläufen
  2. Gastroenteritiden
    Nach Verzehr kontaminierter Meerestiere, besonders bei unzureichender Erhitzung
  3. Primäre septische Infektionen
    Häufig bei immunsupprimierten Personen, hohe Letalität


Die wachsende Bedeutung von Nicht-Cholera-Vibrionen

Nicht-Cholera-Vibrionen sind gramnegative Bakterien, die natürlicherweise in salzhaltigen und brackigen Gewässern vorkommen. Durch steigende Wassertemperaturen treten sie zunehmend auch in gemäßigten Klimazonen auf. Studien zeigen eine direkte Korrelation zwischen der Häufigkeit von Vibrio-Infektionen und Oberflächenwassertemperaturen über 20 °C. In der Ost- und Nordsee wurden bspw. in den Sommermonaten vermehrt Infektionen registriert. Der Klimawandel fördert die Ausbreitung dieser Bakterien. Ein Beispiel ist der Sommer 2018, als ungewöhnlich hohe Wassertemperaturen in der Ostsee eine Häufung von Vibrio-Infektionen verursachten. Diese Bakterien könnten mit der Erwärmung weitere Regionen erreichen und als Frühindikator für klimatische Auswirkungen auf wasserbezogene Krankheitsmuster dienen.

Relevanz für Österreich

Während die meisten Studien sich auf Küstenregionen wie die Nord- und Ostsee konzentrieren, könnte Österreich ebenfalls potenziell betroffen sein: Erwärmte Binnengewässer wie der Neusiedler See, die in heißen Sommern über längere Zeit hohe Temperaturen aufweisen, könnten ideale Bedingungen für das Wachstum von Vibrionen bieten. Ein Risiko für Infektionen besteht bei Freizeitaktivitäten wie Schwimmen durch direkten Hautkontakt, aber auch beim Verzehr von Fisch aus kontaminierten Gewässern.

Tuberkulose: Eine wieder­aufkommende Bedrohung

Migration beeinflusst die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose (TB) erheblich. Migrant:innen aus Regionen mit hoher TB-Prävalenz tragen zum Wiederauftreten der Krankheit in Europa bei, insbesondere durch resistente TB-Stämme. Im Jahr 2023 wurden hierzulande insgesamt 422 Tuberkulose-Fälle im Epidemiologischen Meldesystem (EMS) registriert (Stand: 7. März 2024), was einer Inzidenz von 4,6 Fällen pro 100.000 Einwohner:innen entspricht. Von diesen Fällen konnten 327 mikrobiologisch dem Mycobacterium-tuberculosis-Komplex (MTC) zugeordnet werden. Darüber hinaus wurde je ein Fall durch Mycobacterium bovis und Mycobacterium caprae nachgewiesen. Auch wenn die Fallzahlen über die Jahre hinweg sinken, ist Österreich als Transitland besonders betroffen, und um Ausbrüche zu verhindern, sind umfassende Screenings und gezielte Gesundheitsprogramme für Migrant:innen notwendig. 

Zoonotische Krankheiten & Migration

Neben Tuberkulose spielen auch zoonotische Krankheiten eine wachsende Rolle in Verbindung mit Migration. Die Interaktion zwischen Menschen und Wildtieren nimmt durch die Migration in abgelegene oder urbane Regionen zu. Dies führt zu einer verstärkten Exposition gegenüber zoonotischen Pathogenen, darunter Viren wie das Issyk-Kul-Virus und das Zwiesel-Bat-Banyangvirus.

Batmans gefährliche Seite 
Krankheitserreger in Fledermäusen

Fledermäuse sind als Reservoirwirte für zahlreiche zoonotische Viren bekannt. Ihre Rolle bei der Übertragung von SARS-ähnlichen Coronaviren, Nipah-Viren und Bunyaviren ist bekanntlich gut dokumentiert. Der Klimawandel und die zunehmende Zerstörung ihrer natürlichen Lebensräume drängen Fledermäuse jedoch näher an menschliche Siedlungen, was die Gefahr zoonotischer Ausbrüche erhöht.

Das Zwiesel-Bat-Banyangvirus: eine neue Bedrohung

In Deutschland wurde erstmals das Zwiesel-Bat-Banyangvirus identifiziert, ein neuartiger Vertreter der Phenuiviridae-Familie. Dieses Virus weist genetische Ähnlichkeiten mit dem Huaiyangshan-Banyangvirus auf, welches in Asien schwere Krankheitsausbrüche mit hohen Sterblichkeitsraten verursacht hat. Solche Entdeckungen verdeutlichen die Bedeutung einer intensiven Überwachung und Forschung zur Rolle von Fledermäusen als Virusreservoire.

Das Issyk-Kul-Virus und seine Verbreitung

Ein weiteres Beispiel ist das Issyk-Kul-Virus, welches bei europäischen Fledermäusen nachgewiesen wurde. Es gehört zur Familie der Nairoviridae und kann fieberhafte Erkrankungen beim Menschen verursachen. Das Virus wurde ursprünglich in Zentralasien entdeckt, doch die zunehmende Mobilität und der Klimawandel könnten zu einer weiteren Verbreitung beitragen. Der direkte Kontakt mit Fledermäusen oder deren Exkrementen ist ein wesentlicher Risikofaktor für eine Übertragung.

Beide Viren wurden in Europa bei Fledermäusen entdeckt, doch die Verbreitung ihrer Vektoren und möglicher Wirte könnte durch die Mobilität von Menschen und Tieren erheblich beschleunigt werden.

Kulturelle und strukturelle Herausforderungen durch Migration

Migrant:innen sind oft in beengten Unterkünften untergebracht, welche den perfekten Nährboden für die Ausbreitung von Krankheiten darstellen. TB ist besonders in solchen Gemeinschaften ein Problem, da enge Kontakte die Übertragung begünstigen. Eine weitere Herausforderung ist die eingeschränkte Inanspruchnahme von Gesundheitseinrichtungen, bedingt durch Sprachbarrieren, fehlendes Wissen über das Gesundheitssystem oder Angst vor Stigmatisierung. Studien belegen, dass der Zugang zu Diagnostik und Therapie bei Migrant:innen insbesondere in frühen Phasen der Krankheit entscheidend ist, um Krankheitsausbrüche zu verhindern.

Ein weiteres Problem ist die geringe Durchimpfungsrate bei Migrant:innen aus Hochprävalenzregionen. Krankheiten wie Masern, die in Österreich und Deutschland gut eingedämmt waren, erleben u. a. durch Migration ein neues Aufblühen (selbstverständlich ist hierbei nicht allein die Ursache in der Migration zu finden, sondern vor allem auch an der heimischen Impfmüdigkeit). Die mangelnde Immunisierung gegen andere impfpräventable Krankheiten stellt ebenfalls ein Risiko dar, insbesondere wenn es um Krankheiten wie Polio oder Diphtherie geht, welche in manchen Herkunftsländern der Migrant:innen noch weit verbreitet sind. Die Bereitstellung von Impfprogrammen speziell für Migrant:innen ist daher ein integraler Bestandteil einer effektiven Krankheitsprävention in aufnehmenden Ländern.

Auswirkungen auf Österreich

Für Österreich, ein Land mit hohen Migrationsströmen, ist die Herausforderung besonders groß. Die Einführung von Gesundheitschecks bei der Ankunft, kombiniert mit einer wirksamen Krankheitsüberwachung und präventiven Maßnahmen, könnte dazu beitragen, das Risiko der Verbreitung von Krankheiten zu minimieren. Die Erfahrungen aus Deutschland könnten als Leitfaden dienen, um effektive Strategien für den Umgang mit Migration und Krankheitsrisiken zu entwickeln.

Die genannten Risiken erfordern umfassende und koordinierte Maßnahmen. Ein integrativer One-Health-Ansatz, der Mensch, Tier und Umwelt einbezieht, bietet eine vielversprechende Grundlage, um zoonotische Risiken einzudämmen. Österreichs Apotheker:innen könnten durch die Bereitstellung reisemedizinischer Beratung und die Förderung von Impfungen eine zentrale Rolle spielen. Darüber hinaus könnten nationale Überwachungsprogramme, ähnlich wie in Deutschland, dabei helfen, invasive Vektoren wie die Tigermücke frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zur Bekämpfung zu ergreifen. Zu erwähnen sei an dieser Stelle das bereits etablierte heimische Gelsen-Monitoring der AGES.

Die Notwendigkeit globaler Zusammenarbeit

Die Verflechtung von Klimawandel, Migration und der Ausbreitung von Infektionskrankheiten erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Österreich ist aufgrund seiner geografischen Lage und seiner Verbindung zu internationalen Netzwerken in einer guten Position, um den Herausforderungen zu begegnen. Die Kombination aus Forschung, Überwachung und Prävention wird entscheidend sein, um zukünftige Gesundheitskrisen zu bewältigen.


Quellen

  • Muzeniek T. et al. Detection of Alpha- and Betacoronaviruses in Miniopterus fuliginosus and Rousettus leschenaultii, two species of Sri Lankan Bats. Vaccines 2021, 9, 650.  https://doi.org/10.3390/vaccines9060650
  • Pramono D, et al. FeLIX is a restriction factor for mammalian retrovirus infection, Journal of Virology, 98, 4, (2024). https://doi.org/10.1128/jvi.01771-23
  • Kohl C. et al. Zwiesel bat banyangvirus, a potentially zoonotic Huaiyangshan banyangvirus (Formerly known as SFTS)–
    like banyangvirus in Northern bats from Germany. Sci Rep 10, 1370 (2020). https://doi.org/10.1038/s41598-020-58466-w
  • Kohl C.et al. The virome of German bats: comparing virus discovery approaches. Sci Rep 11, 7430 (2021). https://doi.org/10.1038/s41598-021-86435-4
  • Woudenberg T. et al. (2020). Dynamics of Borrelia burgdorferi-Specific Antibodies: Seroconversion and Seroreversion between Two Population-Based, Cross-Sectional Surveys among Adults in Germany. Microorganisms, 8(12), 1859. https://doi.org/10.3390/microorganisms8121859

    Weitere Literatur auf Anfrage

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