Ernährungstherapie

Ketogene Ernährung bei Diabetes – eine vielversprechende Kostform

Mag. Larissa Grünwald
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Ketogene Ernährung © Shutterstock
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Bei Typ-2-Diabetes lassen sich mit der ketogenen Ernährungsform zudem erstaunliche Erfolge erzielen. Was steckt hinter der keto­genen Ernährung und was gilt es zu beachten?

Diabeteserkrankungen nehmen zu

Rund 7–10 % der österreichischen Bevölkerung leiden unter Diabetes. Diabetes Typ 2 ist mit 85–90 % die häufigste Form und betrifft vorrangig Personen ab dem 40. Lebensjahr. Die Ursache ist multifaktoriell und meist auf Essverhalten und Lebensstil zurückzuführen. Galt Diabetes lange Zeit als irreversibel, lesen wir mittlerweile von einer Remission eines manifesten Diabetes durch eine gezielte Ernährungstherapie. Dies betrifft vorrangig Diabetes Typ 2, für Typ 1 ist die Studienlage noch zu gering, um klare Aussagen zu machen.

Ernährungs­therapie mit guten metabolischen Effekten

Da Typ-2-Diabetes in vielen Fällen mit starkem Übergewicht, Nährstoffmangel, erhöhten Blutfetten, erhöhtem Blutdruck und Bewegungsmangel Hand in Hand geht, bildet eine Ernährungs- und Lebensstiländerung die Behandlungsgrundlage der Stoffwechselerkrankung. 

Konkret geht es um eine Gewichtsreduktion sowie um den Abbau der Fetteinlagerungen in Leber und Bauchspeicheldrüse. In der Folge steigt die Insulinempfindlichkeit der Leber und die Insulin-produzierenden Beta-Zellen des Pankreas können sich regenerieren. Das ermöglicht langfristig eine nahezu normale Kapazität der Insulinfreisetzung und Blutzuckerkontrolle. Mit dieser Annahme wurden zahlreiche Studien mit Typ-2-Diabetikerinnen und -Diabetikern unter einer ketogenen Ernährung mit Bewegung und Nährstoffsupplementen gegenüber reinen kalorienredu­zierten Mischkostformen, fettarmen Kostformen und Low-Carb-Diäten durchgeführt.

Bei Diabetes Typ 2 bilden die Veränderungen in der Ernährung und im Lebensstil die Grundlage der Behandlung. © Shutterstock
Bei Diabetes Typ 2 bilden die Veränderungen in der Ernährung und im Lebensstil die Grundlage der Behandlung. © Shutterstock


Reduktion des HbA1c-Wertes sowie der Blutfette

Das Fazit aktueller Studien zeigt, dass eine ketogene Ernährung mit Abstand die besten Ergebnisse bei der Reduktion des Gewichts, des Blutzuckerspiegels, des HbA1c-Wertes sowie der Fettparameter liefert. Im Schnitt verloren die Anwender:innen in vier Monaten rund 9 kg Körpergewicht. Der HbA1c-Wert sank um 16 % und die Blutfettwerte sanken trotz ketogener bzw. fetthaltiger Ernährung um 42 %. 

Was die Remission betrifft, so hängt diese im Wesentlichen von der Verfettungsschwelle von Leber und Bauchspeicheldrüse ab. Die erforderliche Gewichtsabnahme ist dabei individuell, wobei unterm Strich mit einem Verlust von 10 bis 15 kg Körper­gewicht gerechnet werden muss. Was jedoch nicht unbelohnt bleibt. Für Diabetes Typ 2 scheinen die therapeutischen Effekte der mediterranen, ketogenen Ernährung, wie sie korrekt heißt, tatsächlich medizinisch gesichert.

Das Ziel ist die Ketose

Ketose ist ein Stoffwechselzustand, in dem die Konzentration der Ketonkörper über den Normalwert ansteigt. Konkret geht es um Acetoacetat, Aceton und 3-Hydroxybutyrat, drei leicht saure, energiereiche Moleküle, die v. a. in Hungerphasen, bei Reduktionsdiäten oder kohlenhydratarmen Ernährungsformen vermehrt gebildet werden. Ketonkörper werden von Gehirn und Muskeln zur Energiegewinnung herangezogen und übernehmen nach einer Umstellungszeit von einigen Tagen einen beträchtlichen Teil der ATP-Produktion (Energie-Produktion). 

Ketogenese findet in der Leber statt

Der Prozess der Ketonkörperbildung wird Ketogenese genannt und findet ausschließlich in den Mitochondrien der Leberzellen statt. Ketonkörper können durch ihre Wasserlöslichkeit einfach und schnell ans Blut abgegeben werden und passieren problemlos die Blut-Hirn-Schranke. Sie diffundieren nahezu selbstständig in die Mitochondrienmembran und bieten, verglichen mit Glucose, eine nahezu doppelt so hohe Energie­versorgung. 

Fehlende Kohlenhydratzufuhr führt zur Ketonkörperbildung

Ausschlaggebend für die Ketogenese sind das Absinken des Blutzuckers, reduzierte Glykogenspeicher, fehlender Kohlenhydratnachschub über die Ernährung (!) sowie eine vermehrte Lipolyse zur Deckung des Energiebedarfs. Der Umweg über die Ketonkörperbildung ergibt sich aus der Notwendigkeit, dass einige Zellen, wie auch unsere Gehirnzellen, nicht in der Lage sind, Fettsäuren direkt als Energiequelle zu nutzen. Unterm Strich ist die Ketonkörperbildung ein wichtiger Stoffwechselweg in Hungerphasen, der einige Vorteile mit sich bringt.

Gut zu wissen
Kohlenhydratgehalt

20 g Kohlenhydrate entsprechen …

2 Bechern Naturjoghurt (4,5 g/100 g)
1 großen gekochten Kartoffel (15 g/100 g)
1 großen EL gekochtem Reis (20 g/100 g)
2 EL Haferflocken (60 g/100 g)
1 Apfel (14 g/100 g)
5 kleinen Karotten (7 g/100 g)


Ketonkörper reduzieren Heißhungerattacken

Durch eine strikte kohlenhydratarme Ernährung sinkt der Glucosespiegel im Blut, was blutzuckerbedingte Heißhungerattacken, speziell auf Süßes, grundsätzlich verhindern kann. Zusätzlich wirken die Ketonkörper appetitregulierend. Dies stellt einen entscheidenden Unterschied zwischen einer Low-Carb-Ernährung und einer ketogenen Ernährung dar, die sich v. a. in der Menge der konsumierten Kohlenhydrate unterscheiden. 

Ketonkörper als wichtige Energielieferanten

Nach der Umstellungsphase von einer Glucose- und/oder Fettsäuren-Oxidation auf die Nutzung von Ketonkörpern erleben die meisten Anwender:innen sowohl mental als auch muskulär eine merkbar ­verbesserte Leistungsfähigkeit. Hintergrund ist die nahezu unerschöpfliche Verfügbarkeit der Ketonkörper verglichen mit der zeitlich limitierten Ver­fügbarkeit der Glucose. So entstehen kaum Versorgungsengpässe, da der Körper mindestens einen Monatsvorrat Fett in seinen Speichern trägt. 

Ketonkörper steigern die Konzentration

Die vermehrte Energieproduktion geht mit einer verbesserten Konzentrationsfähigkeit einher. So übernehmen die Ketonkörper in den Gehirnzellen einen beträchtlichen Teil der Energieproduktion. Hier berichten die Anwender von einer geistigen Klarheit, die nach spätestens 14 Tagen zu spüren ist. Ein Effekt der v. a. in der therapeutischen Anwendung einen entscheidenden Faktor einnimmt.

Ketonkörper wirken entzündungshemmend

Ketone sind Energiemetabolite und wichtige Signalmoleküle. Spannend ist ihre kontrollierende Funktion im Rahmen von Entzündungsprozessen. Speziell 3-Hydroxybutyrat greift regulierend in den Entzündungsstoffwechsel ein und vermag die Produktion proinflammatorischer Interleukine in den Makrophagen zu reduzieren. Dabei darf nicht unerwähnt werden, dass ein übermäßiger Zuckerkonsum generell entzündungsfördernd wirkt und der strikte Verzicht auf Zucker, unabhängig von einer Low-Carb- oder ketogenen Ernährung, bei chronischen Entzündungen dringlich zu empfehlen ist. 

Ketose im medizinischen Bereich

Die ketogene Diät wird aktuell erfolgreich als Zusatztherapie bei pharmakoresistenten Epilepsien im Kindes- und Jugendalter eingesetzt. Hier konnte die Häufigkeit und Schwere von Epilepsieanfällen durch die Ketose deutlich vermindert werden. Erfreuliche Erfolge waren v. a. in jenen Fällen zu erkennen, die eine Unterzuckerung des Gehirns zur Ursache hatten. Neuere Studien lassen zudem einen Therapieerfolg bei neurodegenerativen Erkrankungen, Bluthochdruck sowie bei vielen chronischen Leiden und Zivilisationskrankheiten erkennen. 

Hochwertige Fette, wie sie in Nüssen, Samen, Avocados oder kaltgepressten Pflanzenölen enthalten sind, sind die Hauptenergiequelle bei der ketogenen Ernährung. © Shutterstock
Hochwertige Fette, wie sie in Nüssen, Samen, Avocados oder kaltgepressten Pflanzenölen enthalten sind, sind die Hauptenergiequelle bei der ketogenen Ernährung. © Shutterstock


Wie viele Kohlenhydrate, Fette und Proteine?

Die Eckdaten einer ketogenen Ernährung lauten: 10 % Kohlenhydrate, 20 % Protein und 70 % Fett. Das sind beispielsweise bei einem Tagesbedarf von 2.000 kcal 50 g Kohlenhydrate, 100 g Proteine und 156 g Fett pro Tag. Bei einer energiereduzierten Diät oder strenger ketogener Diät kann sich der Kohlenhydratgehalt auf bis zu 20 g pro Tag reduzieren.

Anders als häufig dargestellt, besteht die ketogene Ernährung nicht hauptsächlich aus Fleisch und Fisch – sprich Eiweiß. Tatsächlich kann zu viel Eiweiß die Bildung von Ketonkörpern behindern. Das liegt an der sogenannten Gluconeogenese. In diesem Prozess wandelt der Körper glucogene Aminosäuren in Glucose um und verhindert dadurch die angestrebte Ketose. 


Gesunde Fette: das A und O in der Keto-Ernährung

Die Hauptenergiequelle stellen hochwertige Fette in Form von kaltgepressten Pflanzenölen wie Olivenöl, Avocadoöl oder MCT-Öl (medium chain ­triglycerides), Nüssen, Samen, Avocado, Kokosfett, Butter und Ghee, Speck, Eigelb, Kakaobutter, fettem Fisch und Fleisch in Bioqualität. Die Betonung liegt bei dieser Ernährungsform auf einer hohen Qualität (Bio, Weidehaltung, Freilandhaltung) der Lebensmittel und betrifft sowohl Fette als auch Proteine und Kohlenhydrate.

Vorsicht bei Obst 

Gut zu wissen: Obst ist bekannterweise eine wunderbare Quelle an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Gleichzeitig enthalten Früchte häufig große Mengen an Fruktose, die nur über die Leber verstoffwechselt werden kann. Dadurch wird nicht nur die Ketose verhindert, sondern auch auf Dauer die Leber belastet. Daher wird bei einer keto­genen Ernährung ausschließlich auf fruktosearme Beerenfrüchte und Zitrusfrüchte verwiesen.

Quellen

•   Volek JS et al.: Carbohydrate restriction has a more favorable impact on the metabolic syndrome than a low fat diet. Lipids. 2009 Apr;44(4):297–309 
•   Westman EC et al.: The effect of a low-carbohydrate, ketogenic diet versus a low-glycemic index diet on glycemic control in type 2 diabetes mellitus.Nutr Metab. 2008;5:36 
•   Yancy WS et al.: A low-carbohydrate, ketogenic diet to treat type 2 diabetes. Nutr Metab. 2005 Dec 1; 2:34
•   Taylor R et al.: Understanding the mechanisms of reversal of type 2 diabetes. Lancet Diabetes Endocrinol. 2019 Sep; 7(9): 726-736
•   Zhyzhneuskaya SV et al.: Time course of normalization of Functional ß-Cell Capacity in the Diabetes Remission Clinical Trial After Weight Loss in Type 2 Diabetes. Diabetes Care. 2020 Apr:43(4):813-820

Weitere Literatur auf Anfrage

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