Die Forschungsgruppe identifizierte 86 Erkrankungen, die häufig in Verbindung mit Depressionen auftreten, und untersuchte deren zeitliche Entwicklung. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht. „Die Besonderheit dieser Studie liegt vor allem darin, dass wir die Depression nicht getrennt von anderen Krankheiten betrachteten, sondern die individuellen Krankheitsverläufe der einzelnen Personen analysierten“, erklärt Dr. Sandra Van der Auwera-Palitschka, Greifswald Projektleiterin.
Oftmals treten Erkrankungen gemeinsam auf, und es ist wichtig, ob eine Depression bereits im jungen Alter oder erst später auftritt, da dies auch zu unterschiedlichen biologischen Depressionsformen führen kann. „Wir haben außerdem bei den Patienten, die frühzeitig an Depressionen erkranken, einen wesentlichen Einfluss von Genen festgestellt, die mit dem Immunsystem zusammenhängen“, ergänzt die Wissenschaftlerin. Ein Zusammenhang zwischen früh einsetzenden Depressionen und Krankheiten wie Asthma und Allergien konnte beispielsweise festgestellt werden.
Im Rahmen des dreijährigen, von der EU geförderten Projekts wertete die Forschungsgruppe gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Deutschland, Finnland, Spanien und Ungarn die Daten von über 1,2 Millionen Personen aus. „Dabei bezogen wir Krankenkassendaten, aber auch detaillierte Ergebnisse aus der SHIP-Studie mit ein“, erklärt Van der Auwera-Palitschka, die als Biomathematikerin tätig ist.
Insgesamt wurden 86 Begleiterkrankungen, sogenannte Komorbiditäten, identifiziert. So treten bei Menschen mit Depressionen gehäuft Erkrankungen wie Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Rückenprobleme oder Migräne auf. Bei manchen Patientengruppen wurden vor allem altersbedingte Erkrankungen als Komorbiditäten festgestellt, insbesondere bei jenen, die erst im späteren Leben an Depressionen erkrankten. Diese Depressionen hatten meist nicht-genetische Ursachen. Dies eröffnet neue Ansätze für zukünftige Forschungsfelder: „Die Unterscheidung von genetischen und nicht-genetischen Risikofaktoren und die unterschiedlichen Krankheitsverläufe können eine erste Basis für Subtypisierungen von Depressionen darstellen“, betont Van der Auwera-Palitschka.
Prof. Karlhans Endlich, Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald, ergänzt, wie wichtig eine personalisierte Medizin geworden ist: „So individuell die Gesundheit eines jeden Menschen ist, so individuell muss er auch behandelt werden – unter Rücksichtnahme aller Erkrankungen und Umweltfaktoren“. Die Studienergebnisse seien zudem relevant für die Entwicklung gezielterer Medikamente.