Vulvovaginitis

Hoher Leidensdruck

Mag. pharm. Christopher Waxenegger
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Vulvovaginitis beschreibt eine akute oder chronische Infektion der Vagina und des Scheidenvorhofs, die sich auf die kleinen und großen Labien sowie die umgebende Haut und Perianalregion ausdehnen kann. Schätzungen gehen davon aus, dass rund drei Viertel aller Frauen mindestens einmal im Leben eine Vulvovaginitis entwickeln. 

Passiert dies öfter als viermal im Jahr, handelt es sich um einen chronisch-rezidivierenden Verlauf. 

Bei prämenopausalen oder schwangeren Frauen ist der Auslöser fast immer in den Reihen der Candida-Arten zu suchen (v. a. Candida albicans). In diesem Fall sprechen Mediziner:innen von einer Vulvovaginalcandidose (VVC). Non-albicans-Arten, v. a. C. glabrata, finden sich überwiegend nach der Menopause, im Rahmen von Diabetes und bei angeborener bzw. erworbener Immundefizienz. Viren (z. B. Herpes) oder Bakterien (z. B. Gonokokken) assoziierte Vulvovaginitiden sind bei erwachsenen Frauen seltener. Mit Vulvovaginitis infantum existiert jedoch eine meist durch Bakterien verursachte Entzündung, die bei Mädchen vor Eintritt in die Pubertät auftritt und durch die fehlende Östrogenwirkung begünstigt wird (hormonelle Ruhephase). Da in der Selbstmedikation VVC eine dominante Rolle einnehmen, fokussiert sich der vorliegende Beitrag auf die Erkennung und Therapie dieser Entität.

Prädisponierende Faktoren

Warum aus einer physiologischen Kolonisation plötzlich eine akute, entzündliche Infektion entsteht, ist im Detail noch nicht geklärt. Fest steht, dass das Scheidenmilieu sensibel auf Stress, Antibiotika und übertriebene Intimhygiene reagiert. Auch hormonelle Schwankungen sind in der Lage, die Empfindlichkeit des Gewebes gegenüber Candida-Arten zu erhöhen. Das könnte der Grund dafür sein, wieso Schwangere häufiger von VVC betroffen sind als gleichaltrige, nicht-schwangere Frauen. Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva mit hohem Östrogenanteil oder postmenopausale Hormonersatztherapien werden ebenfalls mit VVC in Verbindung gebracht.

Eine Erklärung dieser Beobachtungen ist, dass Östrogene u. a. die Bildung von Hemmstoffen durch die Epithelzellen stimulieren. Ein solcher Hemmstoff, Heparansulfat, verhindert, dass Granulozyten mit ihren Rezeptoren an die entsprechenden Liganden der Pilze binden. Darüber hinaus dürften im Zuge der akuten Infektion pro-inflammatorische Rezeptoren aktiviert werden. Die nachfolgend freigesetzten Zytokine erleichtern es den Pilzzellen, mithilfe ihrer (Pseudo-)Hyphen mehrere Zelllagen tief ins Gewebe einzudringen und sich dort zu verankern.

Beschwerdebild und Diagnostik

Klinische Zeichen treten üblicherweise prämenstruell auf und umfassen Juckreiz, Brennen und vaginalen Ausfluss mit/ohne Rötung und Schwellung der Genitalschleimhäute. Bei 90 % ist Juckreiz im Scheidenvorhof das vorherrschende Symptom, was aber nicht automatisch bedeutet, dass jede Frau mit derartigen Beschwerden auch eine VVC hat. Chronischer Pruritus an den großen Labien kann z. B. ebenso durch Lichen sclerosus bedingt sein. Missempfindungen oder gar Schmerzen bei Berührung sind hingegen typisch für Vulvodynie. In unklaren Situationen sollte im Kundengespräch daher immer nach Einzelheiten – gegebenenfalls in einem vertraulichen Gespräch unter vier Augen – gefragt werden.

Ergeben sich Anhaltspunkte, die einen Arztbesuch erforderlich machen, ist von einer Selbstmedikation abzusehen (s. Kasten 1). Die gynäkologische Begutachtung konzentriert sich auf die Anamnese und das Vorhandensein von (Pseudo-)Hyphen. Um letztere nachzuweisen, untersucht die Ärztin/der Arzt den vaginalen Ausfluss im Licht- oder Phasenkontrastmikroskop. Hierfür wird die gewonnene Probe mit Kochsalz- oder 10%iger KOH-Lösung versetzt, um die Pilzfäden besser sichtbar zu machen. Bei eindeutiger Symptomatik und (Pseudo-)Hyphen-Nachweis ist eine Pilzkultur mit Artbestimmung entbehrlich. DNA-Hybridisierungstests sind im klinischen Alltag bisher von untergeordneter Bedeutung.

Grenzen der
Selbstmedikation
  • brauner, blutiger oder wässriger Ausfluss
  • fischartiger Geruch
  • Frauen < 18 Jahren
  • erstmalig auftretende oder nicht eindeutige 
    Beschwerden
  • > 4 Infektionen pro Jahr
  • keine deutliche Besserung innerhalb von 3 Tagen
  • Verdacht auf Therapieresistenz
  • Schwangere 
  • Ko-Medikation mit Kortikosteroiden, Immunsuppressiva und Zytostatika

Kasten 1


Antimykotika

Standardtherapie bei akuter Vulvovaginalcandidose sind lokal als Creme oder Ovula applizierte Antimykotika, welche die Zellmembran der Pilze attackieren. © Shutterstock
Standardtherapie bei akuter Vulvovaginalcandidose sind lokal als Creme oder Ovula applizierte Antimykotika, welche die Zellmembran der Pilze attackieren. © Shutterstock

Standardtherapie bei akuten VVC sind lokal als Creme oder Ovula applizierte Antimykotika aus der Gruppe der Azole (Clotrimazol, Miconazol, Econazol etc.), Polyene (Nystatin) oder Ciclopiroxolamin (in Deutschland als Vaginalcreme und Vaginalzäpfchen erhältlich), welche die Zellmembran der Pilze attackieren. Die Behandlungsdauer liegt je nach Arzneimittel bei ein bzw. drei oder sechs bis sieben Tagen, die Wirkstoffe sind im Allgemeinen gut verträglich. Der Therapieerfolg bewegt sich bei ca. 85 % nach ein bis zwei Wochen sowie 75 % vier bis sechs Wochen nach Behandlungsende. Dies inkludiert rezeptpflichtige orale Darreichungsformen, die bei unkompliziertem Verlauf keinen Vorteil
bieten. Lediglich die Kombination aus oralen und intravaginal-lokalen Darreichungsformen war in einigen Arbeiten den jeweiligen Monotherapien überlegen. Falls der Pilzbefall die den Genitalbereich umgebenden Hautareale miteinschließt, ist eine antimykotische Hautcreme für eine Dauer von etwa zweimal täglich für eine Woche empfehlenswert. Für chronisch-rezidivierende VVC kann ferner eine antimykotische Langzeittherapie in Erwägung gezogen werden. Die Suppressionsbehandlung beginnt mit einer Initialdosis von 3 x 200 mg Fluconazol in Woche eins, gefolgt von einer allmählichen Dosisreduktion über mehrere Monate.

Antiseptika

Fungizid-wirkende Desinfektionsmittel wie Povidon-Iod, Octenidin und Dequaliniumchlorid sind eine mögliche Alternative, speziell bei sekundär bakteriellen Infektionen oder vermuteter bakterieller Vulvovaginitis. Die un-
spezifische Abtötung sämtlicher Mikroorganismen betrifft allerdings ebenso Kommensalen wie Laktobazillen. Insofern ist mit einem größeren Risiko für Störungen des Scheidenmilieus zu rechnen. Eine Nachbehandlung mit Probiotika ist dann besonders wichtig.

Prophylaktika

Laktobazillen-, Milchsäure- und Ascorbinsäure-haltige Präparate dienen dem Wiederaufbau einer natürlichen Vaginalflora und können dabei helfen, vor neuerlichen Vaginalinfektionen zu schützen. In Summe scheinen sich Probiotika positiv auf die Vorbeugung einer VVC auszuwirken, wobei die Evidenz diesbezüglich begrenzt ist. 

Bei Ismail et al. führte die einwöchige, zweimal tägliche Gabe von Lactobacillus-rhamnosus-Vaginalkapseln im Anschluss an eine lokale Miconazoltherapie zu einer suffizienten vaginalen Besiedelung und verringerte nach sechs Monaten die Rezidivrate. Auch Ang und Kollegium berichten in ihrer doppelblinden, placebokontrollierten Studie an 78 schwangeren Frauen mit VVC von signifikant verbesserten vulvovaginalen Symptomen und weniger Rezidiven in der Verum-Gruppe.

Therapie in der Schwangerschaft

Die Schwangerschaft ist grundsätzlich kein Zeitraum der Selbstmedikation. Ist eine Behandlung indiziert, soll laut S2k-Leitlinie, insbesondere im ersten Trimenon, mit lokalem Clotrimazol behandelt werden, um das Risiko für fetale Fehlbildungen und Frühabort zu vermeiden. Doch auch für Miconazol ist der Erfahrungsumfang sehr hoch. Die verfügbare Literatur spricht Expertinnen und Experten zufolge gegen ein fetotoxisches Potenzial. Beim Einführen von Vaginalkapseln, -tabletten oder Ovula sollten Schwangere auf die Verwendung eines Applikators verzichten, um den Muttermund nicht unnötig zu reizen und schlimmstenfalls vorzeitige Wehen auszulösen.

Perorale Therapien erfordern stets eine individuelle Entscheidung. Mittel der Wahl ist eine Einzeldosis von bis zu 150 mg Fluconazol. In über 45.000 ausgewerteten Schwangerschaften wurde für dieses Schema keine erhöhte Gesamtfehlbildungsrate beobachtet. Von wiederholten Einnahmen ist jedoch abzusehen, da Fluconazol im 1. Trimenon in Einzelfällen mit Linksherzhypotrophie, Spaltbildungen, Fehlgeburten sowie einer Transposition der großen Arterien assoziiert war.

Sinnvolle
Ergänzende Maßnahmen
  • Verwendung von Baumwollunterwäsche
  • keine eng sitzenden Kleidungsstücke
  • Unterwäsche, Handtücher und Waschlappen nach einmaligem Gebrauch bei 60 °C waschen oder Hygienespüler verwenden
  • Intimhygiene mit Wasser oder schonenden Reinigungsmitteln ohne Parfüm oder sonstigen Zusatzstoffen
  • Verzicht auf irritierende Substanzen wie Schaumbäder und Weichspülmittel
  • richtige Sitzposition auf der Toilette zur Vermeidung von Urethra-vaginalem Urinreflux (gespreizte Beine, aufrechte Sitzposition)
  • Vaginalbereich nach dem Toilettengang von vorne nach hinten abwischen
  • bei rezidivierenden Infekten Blutzuckerkontrolle
  • ausgewogene Ernährung mit komplexen Kohlenhydraten statt Einfachzuckern
  • evtl. milde, hautpflegende Salben gegen vaginale Trockenheit (v. a. Wechseljahre)

Kasten 2


Quellen

1 Ang XY et al. Lactobacilli reduce recurrences of vaginal candidiasis in pregnant women: a randomized, double-blind, placebo-controlled study. J Appl Microbiol. 2022; 132(4):3168−3180
2 Donders GG et al. Impaired tolerance for glucose in women with recurrent vaginal candidiasis. Am J Obstet Gynecol. 2002; 187(4):989−93
3 Fischer G, Bradford J. Vulvovaginal candidiasis in postmenopausal women: the role of hormone replacement therapy. J Low Genit Tract Dis. 2011; 15(4):263−7
4 Ismail AM et al. The Effect of use of Vaginal Lactobacillus Rhamnosus for Prevention of Recurrence of Vulvovaginal Candidiasis: A randomized controlled trial. 
Thai Journal of Obstetrics and Gynaecology. 2017; 25:62−68
5 Embryotox. Clotrimazol. Abrufbar unter: www.embryotox.de

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