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Tipps für die Reiseapotheke

Mag. pharm. Irene Senn, PhD
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Ob Aktivurlaub in den Bergen, Entspannungsurlaub an den heimischen Badeseen oder ein Besuch bei Verwandten – eine sinnvoll zusammengestellte Reiseapotheke sollte immer mit an Bord sein. © Shutterstock

Das Wichtigste für die Reiseberatung vorweg: Die eine optimale Reiseapotheke gibt es nicht. Checklisten bieten einen praktischen Anhaltspunkt und können im Beratungsgespräch hilfreich sein. Die konkrete Zusammenstellung ist jedoch individuell und abhängig vom Urlaubsziel, den geplanten Aktivitäten sowie vom Gesundheitszustand der Reisendenden: Gibt es Grunderkrankungen oder bekannte Anfälligkeiten, sind Schwangere oder Kinder unter den Reisenden? Das gilt es im Kundengespräch herauszufinden. 

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Erste-Hilfe-Set für kleine Verletzungen

Eine Basisausstattung zur Wundversorgung gehört in jede Reiseapotheke. Schürf- oder Schnittwunden versorgt man grundsätzlich in drei Schritten: gründliche Reinigung der Wunde, Schutz der Wunde und Unterstützung der Wundheilung. Daraus ergibt sich folgende Packliste: Wunddesinfektionsmittel, Verbandsmaterial (Wundpflaster, sterile Kompressen, Mullbinden, Schere) sowie eine regenerierende Wund- und Heilsalbe. Sollten Splitter oder kleine Fremdkörper zu entfernen sein, ist eine Pinzette in der Reiseapotheke von Vorteil. Mitunter kann auch ein Hinweis sinnvoll sein, dass sich ein Händedesinfektionsmittel nicht zur Desinfektion von Wunden eignet. 

Für längere Wandertouren sind Blasenpflaster eine gute zusätzliche Empfehlung; sie lassen sich auch bei kleinen Brandverletzungen verwenden. Aktiv-Urlauber sollten die Grundausstattung außerdem um Kühlkompressen bzw. einen Kühlspray, ein Schmerzgel sowie ein mittelgroßes, nicht haftendes Verbandspäckchen mit Kompresse erweitern.

Auf Zeckengefahr hinweisen

Wenn Wanderungen, Aufenthalte an Badeseen, Camping oder andere Aktivitäten in der freien Natur geplant sind, sollte unbedingt auf die Gefahr von Zeckenstichen hingewiesen werden. Österreich zählt zu den am stärksten von FSME betroffenen Gebieten Europas; in Österreich gibt es kein Bundesland, das FSME-frei ist.1 Gegebenenfalls lässt sich mittels Schnellimmunisierungsschema ein vollständiger Impfschutz innerhalb von 21 Tagen aufbauen. Zur Entfernung von Zecken sollten auf Touren ein Wunddesinfektionsmittel sowie eine Zeckenzange nie fehlen. Zusätzlich kann man sich mit Repellents vor Zeckenstichen schützen.

Schutz vor Mücken- und Zeckenstichen

Repellents wirken gegen verschiedene Mücken- und Zeckenarten. Sie verdunsten auf der Haut und bilden eine Art „Duftmantel“; dadurch können Insekten Körpergerüche und Temperaturunterschiede kurzzeitig nicht wahrnehmen. Richtig angewandt senken Repellents das Stichrisiko um mehr als 75 %. Dazu müssen sie lückenlos in ausreichender Menge (6–7 Sprühstoße pro Unterarm) auf unbedeckte Hautstellen aufgetragen und regelmäßig erneuert werden – je nach Produkt alle vier bis acht Stunden. Repellents werden etwa 30 Minuten nach dem Sonnenschutz aufgesprüht. Unter der Kleidung sind Insektenschutzmittel wirkungslos. 

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Info

Wenn Wanderungen, Aufenthalt an Badeseen, Camping oder andere Aktivitäten in der freien Natur geplant sind, sollte unbedingt auf die Gefahr von Zeckenstichen hingewiesen werden.

Diethyltoluamid (DEET) gilt als Goldstandard mit jahrzehntelanger Erfahrung, kann allerdings zu Hautirritationen führen und greift Kunststoffe an. Je nach Konzentration kann es für Kinder ab zwei bzw. drei Jahren eingesetzt werden. Der Wirkstoff Icaridin ist ebenfalls ab zwei Jahren geeignet. Er bietet ein vergleichbares Wirkspektrum und wird im Gegensatz zu DEET kaum dermal resorbiert. Citridiol (p-Menthan-3,8-diol, PMD) ist ein pflanzenbasierter Wirkstoff aus dem Zitroneneukalyptusbaum, dessen Wirksamkeit mit synthetischen Stoffen vergleichbar ist und bereits ab dem ersten Lebensjahr angewandt werden kann. In Schwangerschaft und Stillzeit kommen prinzipiell alle Präparate infrage, für keinen Wirkstoff konnte bislang eine teratogene Wirkung nachgewiesen werden. Im Zweifel ist dem besser verträglichen Icaridin der Vorzug zu geben. Grundsätzlich gilt: Der Schutz vor einer möglichen Erkrankung ist wichtiger als die potenziellen toxikologischen Risiken eines Repellents. 

Checkliste für die Reiseapotheke

Basisausrüstung
Erste-Hilfe-Set für kleine Bagatellverletzungen

Wunddesinfektion (Octenidin, PVP-Iod),

Verbandsmaterial (Wundpflaster, Sterilkompressen, Mullbinden, Schere, Pinzette)

Wund- und Heilsalbe (Dexpanthenol, Zinkoxid, Lebertran)

Schmerzen, Fieber Paracetamol, Ibuprofen
Sonnenschutz hoher LSF mit Schutz im UVA- und UVB-Bereich

Erweiterte Basisausrüstung
für Aktiv-Urlauber Kühlkompressen bzw. Kühlspray, Blasenpflaster, Schmerzsalbe (Diclofenac, Indometacin), evtl. abschwellende Salbe (Heparin, Salicylsäure), Verbandspäckchen, Zeckenzange
zum Schutz vor Insektenstichen DEET, Icaridin, Citridiol
bei Insektenstichen

Essigsaure Tonerde, Arnika

lokale Antihistaminika (Bamipin, Dimetinden,
Diphenhydramin) 

Hitzestift

orale Antihistaminika (Ceterizin, Loratidin)

bei Reiseübelkeit Dimenhydrinat, Diphenhydramin, Ingwer, Vitamin C
bei Durchfallerkrankungen orale Rehydratation, Loperamid, Racecadotril,
Gelatinetannat, Probiotika
bei Obstipation Macrogol, lösliche Ballaststoffe, Bisacodyl, Sorbitol,
Glycerinzäpfchen
bei Sonnenbrand kühlende O/W-Emulsionen mit Dexpanthenol, Allantoin, Aloe vera
bei Sonnenallergie lokales und orales Antihistaminikum, Hydrocortison
bei trockenen Augen (durch Sonne) befeuchtende Augentropfen
bei Lippenherpes (durch Sonne) Aciclovir, Penciclovir, Melissenextrakt, Zinkoxid, Herpespflaster
bei Ohrenschmerzen (v. a. im Badeurlaub) prophylaktische desinfizierende, dehydrierende Ohrentropfen mit Essigsäure, Isopropanol, Dexpanthenol oder Glycerin
bei Anfälligkeit zu Erkältungen (z. B. durch Klimaanlagen, etc.) entsprechende Erkältungsmittel je nach Symptomatik

Info

Bei Personen ohne Vorerkrankungen ist das Risiko für venöse
Komplikationen durch eine vorübergehende Immobilisation wie z. B.
im Auto oder im Reisebus verschwindend gering.

Sonnenbrand lindern

Gerade in den ersten Urlaubstagen wird die Intensität der Sonnenstrahlung gerne unterschätzt und schnell entsteht ein Sonnenbrand. Après-Sun-Pflegeprodukte mit Dexpanthenol, Allantoin oder Aloe vera unterstützen die Haut bei der Regeneration. Bei starkem Juckreiz oder einer Sonnenallergie können zusätzlich Antihistaminika lokal oder systemisch angewandt werden. Bei schweren Ausprägungen ist der Einsatz von Hydrocortison-haltigen Cremes indiziert. Rezeptfrei sind diese Produkte bislang allerdings nur in Deutschland erhältlich. 

Gastrointestinale Beschwerden im Urlaub

Bei Personen, die im Urlaub zu Obstipation neigen, lässt sich die Darmtätigkeit mit Macrogolen oder löslichen Ballaststoffen (Pektine, Inulin, Guar) anregen. Zur raschen Darmentleerung kann kurzfristig von klassischen Laxantien wie Bisacodyl, Sorbitol oder Glycerinzäpfchen Gebrauch gemacht werden.

Bei starken Durchfällen ist die erste und wichtigste Maßnahme immer der Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolytverlusts. Zusätzlich kann zum raschen Stoppen des Durchfalls Loperamid eingesetzt werden (ab 12 Jahren). Aufgrund der hemmenden Wirkung auf die Darmperistaltik darf es jedoch nicht bei hohem Fieber bzw. blutigen, schleimigen Stühlen angewandt werden, denn diese Symptome sind meist ein Hinweis auf eine bakterielle Beteiligung. Eine gute Alternative scheint der Enkephalinase-Inhibitor Racecadotril zu sein. Der Wirkstoff reduziert die intestinale Hypersekretion von Wasser und Elektrolyten, ohne aber die Verweildauer im Darm zu beeinflussen. Bei milden Verlaufsformen und für Kinder sind Adstringentien (Gelatinetannat) oder Probiotika (z. B. Saccharomyces boulardii) eine gute Empfehlung. 

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Gegen Reiseübelkeit vorsorgen

Bei Reiseübelkeit und Erbrechen werden klassischerweise Antihistaminika der ersten Generation (Dimenhydrinat, Diphenhydramin) eingesetzt. Bei einer bekannten Anfälligkeit wird das Präparat circa 30 Minuten vor Reiseantritt eingenommen. Die Wirkung hält etwa drei bis sechs Stunden an. Für den Akutfall eignen sich rasch freisetzende Arzneiformen wie Kaugummis und Kautabletten: Mit einem Wirkungseintritt ist innerhalb von zehn Minuten zu rechnen.2 Aufgrund der sedierenden Nebenwirkung sollte nach der Einnahme kein Fahrzeug gelenkt werden. In der Schwangerschaft ist die vorübergehende Anwendung von Dimenhydrinat aufgrund des hohen Erfahrungswerts vertretbar. Im dritten Trimenon ist es wegen einer gesteigerten Uteruskontraktilität zu meiden.3 Bei Kindern kann Dimenhydrinat ab sechs Jahren eingesetzt werden. Diphenhydramin ist bereits ab zwei Jahren zugelassen – die Anwendung in der Indikation Reisekinetose erfolgt allerdings off-label. 

Eine gut verträgliche Alternative sind Ingwerpräparate. Die Studienlage ist kontrovers, ein Versuch lohnt aber jedenfalls. Interessante Studiendaten gibt es auch zum Einsatz von hochdosiertem Vitamin C. Es agiert als Gegenspieler von Histamin, welches bei Reiseübelkeit vermehrt ausgeschüttet wird. Wichtig für eine optimale Wirksamkeit scheint die hochdosierte (3 x 1.000 mg) Anwendung in Form von Kautabletten bzw. Kaugummis etwa 30 Minuten vor Reisebeginn zu sein. 

Bei Schmerzen und Fieber

Als Schmerzmittel eignen sich Ibuprofen oder Paracetamol. Auch für Kinder und Säuglinge sollte ein solches Analgetikum in Form von Säften oder Suppositorien in der Reiseapotheke enthalten sein. Denn plötzliche Klimaveränderungen, starke Sonnenexposition, Höhenluft oder Klimaanlagen führen häufig gerade in den ersten Urlaubstagen zu Kopfschmerzen, fiebrigen Infekten oder Muskelverspannungen.  Eine reisefreundliche Galenik (z. B. Schmelztabletten) erleichtert die Anwendung. 

Thromboseprophylaxe erforderlich?

Bei langen Auto-, Bus- und Bahnreisen taucht immer wieder die Frage auf, wie hoch das Thromboserisiko ist und ob Präventionsmaßnahmen erforderlich sind. Fakt ist: Bei Personen ohne Vorerkrankungen ist das Risiko für venöse Komplikationen durch eine vorübergehende Immobilisation verschwindend gering. Allgemeine Basismaßnahmen wie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Gymnastikübungen (z. B. Fußwippen) und lockere Kleidung können immer empfohlen werden. Bei zusätzlich vorhandenen Risikofaktoren (thromboembolische Ereignisse in der Anamnese, Gerinnungsstörungen, Krebserkrankung, starkes Übergewicht, hohes Lebensalter) ist das Anlegen von wadenlangen Kompressionsstrümpfen erforderlich. Nur in Ausnahmefällen ist eine medikamentöse Prophylaxe (zumeist mit niedermolekularen Heparinen) indiziert Die Einnahme von ASS ist nicht empfohlen.4

Insektenstiche schnell versorgen

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Neben der physikalischen Kühlung mit Kühlpads eignen sich kühlende Gele mit Essigsaurer Tonerde, Arnika oder Kamille zur Linderung von Insektenstichen. Bei den lokalen Anti­histaminika kommen Bamipin, Dimetinden und Diphen­hydramin zum Einsatz – oft zusam © Shutterstock

Zur Linderung des Juckreizes nach Insektenstichen stehen im Wesentlichen drei Optionen zur Verfügung.

  1. Die physikalische Kühlung mit Kühlpads: Alternativ steht ein breites Sortiment an kühlenden Gelen und Stiften mit beruhigenden Inhaltsstoffen wie Essigsaurer Tonerde, Arnika oder Kamille zur Verfügung.
  2. Die Zerstörung des Gifts durch punktuelle Hitzeanwendung (~51 °C): Durch die lokale Hyperthermie werden Juckreiz und Entzündungsreaktionen effektiv reduziert.
  3. Die lokale Anwendung von Antihistaminika wie Bamipin, Dimetinden und Diphenhydramin: Sie werden meist in Form von kühlenden Gelen angeboten, teilweise auch in Kombination mit Lokalanästhetika wie Benzocain oder Polidocanol. Handelt es sich um großflächigere Probleme oder hartnäckigen Juckreiz, können Antihistaminika wie Cetirizin oder Loratadin auch oral eingenommen werden.

Quellen

1   Kollaritsch, H.: Impfratgeber. Österreichischer Apothekerverlag, Wien, 2020

2   Lennecke, K., et al.: Selbstmedikation-Leitlinien zur pharmazeutischen Beratung. 5. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgar, 2012

3   Carité Berlin: www.embryotox.de, abgerufen am 9.5.2021

4   AWMF S3 Leitlinie „Prophylaxe der venösen Thromboembolie“. 2015:Register Nr. 003/01

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