Gezielte Gegenmaßnahmen

Stress als Energie- & Nährstoffräuber

Mag. Larissa Grünwald
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Themenbild Stress © Shutterstock
Erschöpfung und chronische Müdigkeit gehen in vielen Fällen mit Verspannungen, Kopfschmerzen, Ohrensausen, Schlafstörungen sowie Angespanntheit, zunehmender Ängstlichkeit und Schreckhaftigkeit einher. © Shutterstock

Chronischer Stress ist ein erheblicher Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen. Dazu zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Arteriosklerose, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen oder Tinnitus genauso wie Asthma bronchiale, Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2, Schmerzsymptome sowie psychosomatische Störungen. 

Vegetatives Nervensystem

Die beiden Anteile des vegetativen Nervensystems – Sympathikus und Parasympathikus – agieren als perfekte Gegenspieler, wenn es um Anspannung und Entspannung geht. Der Parasympathikus bestimmt die Erholungsphase, der Sympathikus bereitet den Körper hingegen auf Höchstleistungen vor. Dazu zählen u. a. die Aktivierung der Adrenalinausschüttung aus dem Nebennierenmark sowie die Mobilisierung der Hypothalamus-Hypophysen-Achse sowie der Cortisolausschüttung. Der Neurotransmitter Acetylcholin dient im vegetativen Nervensystem als zentraler Neurotransmitter, der sich gerade in stressigen Zeiten u. a. mit einer Extraportion Cholin (400–550 mg/Tag) bzw. Lecithin (1–10 g/Tag) positiv beeinflussen lässt.

Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse

Die hormonelle Reaktion auf Stress wird v. a. durch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) reguliert (siehe Abbildung oben). Dieses neuroendokrine System wird von physischen und psychischen Stressfaktoren aktiviert und triggert über die Freisetzung des adrenocorticotropen Hormons (ACTH) die Freisetzung von Cortisol aus der Nebennierenrinde. Die HPA-Achse beeinflusst neben der Stressreaktion auch die Verdauung, das Immunsystem, die Stimmung, die Sexualität sowie die Energiespeicherung und -verwendung. 

Adrenalin und Cortisol

Adrenalin wirkt sehr schnell und sorgt für die rasche Bereitstellung von Energie durch die Mobilisierung von Fettsäuren aus dem Fettgewebe sowie durch den Glykogenabbau in Muskeln und Leber, messbar an einem Anstieg des Blutzuckers. Cortisol reagiert etwas langsamer, jedoch beständiger auf Stress und kann in Belastungssituationen bis zum Zehnfachen der normalen Plasmakonzentration erreichen. Es fördert in gleicher Weise die Energiebereitstellung und kann als guter Marker für einen dauerhaften Stress angesehen werden. Cortisol kann sowohl im Blut als auch im Urin und Speichel gemessen werden, wobei die Cortisolausschüttung einem zirkadianen Rhythmus unterliegt und in der Regel im 24-Stunden-Sammelurin bestimmt wird.

Stressreaktion
hormone 

Biochemisch betrachtet wird die Stressreaktion durch Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausgelöst und gesteuert. Dabei steigen u. a. Blutdruck, Puls und Blutzuckerspiegel, um eine hohe Reaktionsbereitschaft zu ermöglichen. Was in Notsituationen sinnvoll ist, kann sich auf Dauer schädlich auswirken.

 

Sport hilft

Unterm Strich sind die hormonellen Reaktionen sowie die Mobilisierung der Energiereserven zur Bewältigung einer akuten, vorübergehenden Stresssituation ausgerichtet. Folgt in dieser Phase tatsächlich eine sportliche Aktivität oder muskuläre Anstrengung, werden die bereitgestellten Nährstoffe optimal verwertet. Adrenalin sowie Cortisol können sich in der Folge wieder auf ein normales Maß einpendeln und die Stressreaktion beenden. Fehlt diese Art der physischen Bewegung und bleibt der Stress inkl. seiner Hormon- und Nährstoffspitzen ungenutzt, kann dies auf lange Sicht zu erhöhten Blutfettwerten, Hyperglykämie, Insulinresistenz, Diabetes, Übergewicht sowie erhöhter Entzündungsneigung führen. Bedeutsam sind außerdem ein immunschwächender Effekt sowie der Einfluss auf Stimmung und Befindlichkeit. Dabei gehen Erschöpfung und chronische Müdigkeit in vielen Fällen mit Verspannungen, Kopfschmerzen, Ohrensausen, Schlafstörungen sowie Angespanntheit, zunehmender Ängstlichkeit und Schreckhaftigkeit einher.

Dysbalance im Säuren-Basen-Haushalt

Einen weiteren spürbaren Einfluss nimmt dauerhafter Stress auf die Atmung. Charakteristisches Kennzeichen ist eine flache, hektische Atmung, mit einer geringeren Sauerstoffaufnahme und der Bildung von Laktat. In der Sportmedizin spricht man in diesem Fall von einem anaeroben Bereich, der im Training teilweise nützlich sein kann. Im Alltag sowie auf Dauer gesehen kann dieser Zustand nachteilig sein. Sauerstoffmangel und eine vermehrte Laktatbildung belasten nicht nur die Energieproduktion in den Mitochondrien, sondern auch den sensiblen Regelkreis zwischen Intra- und Extrazellulärraum, die Versorgung der Zellen mit ausreichend Nährstoffen sowie den Abtransport von vermehrt anfallenden Stoffwechselzwischenmetaboliten. 

Stress als Mikronährstoffräuber

Es gibt valide Hinweise, dass Stress den Mikronährstofflevel nachhaltig beeinflusst und zu einem Mangel führen kann. Laut einem Review-Artikel aus dem Jahre 2020, in dem der Einfluss von Stress auf Mikronährstoffe untersucht wurde, liegen die meisten Publikationen zum Thema Magnesium vor. Doch auch Zink, Calcium, Eisen und Niacin sind zentrale Mikronährstoffe, die durch psychologischen oder physischen Stress beeinflusst werden.

Die Ziele einer Nährstoffsupplementierung liegen neben dem Ausgleich möglicher Defizite v. a. in der Aktivierung der Energieproduktion in den Mitochondrien, dem Lösen von Verspannungen und Krampfzuständen, die Beruhigung der Nerven, der Reduktion von oxidativem Stress in den Gefäßen, der Steigerung der Stresstoleranz sowie der Verbesserung der Immunkompetenz. So kann eine Extraportion Mikronährstoffe nicht nur die Folgen, sondern möglicherweise auch die Ursache der Stressreaktion positiv beeinflussen.

Schlafmangel führt unweigerlich zu einem erhöhten Nährstoffbedarf. In der Kombination mit Stress summiert sich der Bedarf dementsprechend. © Shutterstock
Schlafmangel führt unweigerlich zu einem erhöhten Nährstoffbedarf. In der Kombination mit Stress summiert sich der Bedarf dementsprechend. © Shutterstock

B-Vitamine – die Klassiker

B-Vitamine sind unentbehrlich im Rahmen der Energieproduktion. Jeder Mangel geht daher mit einer empfindlichen Leistungseinbuße und chronischer Müdigkeit einher. So stellen die B-Vitamine im Rahmen der Burn-out-Prophylaxe die wichtigsten Mikronährstoffe dar und sollten bereits bei den ersten Anzeichen einer Erschöpfung ergänzt werden. Neben der mitochondrialen Energieproduktion sorgen die B-Vitamine für eine positive Grundstimmung, steigern die Konzentration und stärken das Nervenkostüm. Vitamin-B-Komplex je nach Belastung 100–200 mg mit B1 (10–60 mg), B2 (10–60 mg), B6 (15–20 mg), Pantothensäure (20–60 mg), Niacin (20–60 mg), Folsäure (400–600 mcg), Biotin (200–400 mcg) sowie B12 (10–400 mcg).

Vitamin C

Eine unzureichende Versorgung mit Vitamin C führt zu einer reduzierten Stresstoleranz. Vitamin C ist an der Bildung der Katecholamine und Steroidhormone beteiligt, die einen unmittelbaren Einfluss auf das vegetative Nervensystem ausüben. Darüber hinaus kann Stress radikalbedingte Entzündungsreaktionen hervorrufen, die durch Antioxidanzien wie Vitamin C bspw. in der Kombination mit Vitamin E, Selen und Zink gut in Griff zu bekommen sind. So schützt es als stärkstes wasserlösliches Antioxidans die Gefäße vor einer anderen Art von Stress – dem oxidativen Stress. Vitamin C 500–2.000 mg/Tag; Dosierung Vitamin E: 200–300 I. E./Tag

Selen, Zink, Eisen

Die Antioxidanzien Selen und Zink reduzieren gemeinsam mit Vitamin C und E stressbedingte entzündliche Prozesse und schützen die Zellen vor oxidativen Schäden. Zusätzlich ist Zink gemeinsam mit Vitamin B6 an der Bildung des beruhigenden Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure beteiligt; Selen 50–70 mcg/Tag, Zink 10–20 mg/Tag. Zusätzlich empfiehlt sich bei Stress oder Burn-out-Gefahr eine Überprüfung des Eisenstatus. Eisen ist sowohl für den Sauerstofftransport und die Hämoglobinbildung essenziell als auch für die endogene Energieproduktion sowie als Antioxidans entscheidend; Eisen 10–15 mg/Tag.

Entspannung mit Magnesium

Magnesium wirkt als klassischer Antistress-Mineralstoff entspannend und beruhigend. Ein Mangel an Magnesium und Calcium führt zu einer erhöhten neuromuskulären und zentralnervösen Erregbarkeit − spürbar als Verspannung, Verkrampfung, Durchblutungsstörung oder Verstopfung. Eine ausreichende Versorgung aktiviert die Energiebereitstellung und lässt das Muskel- und Nervensystem zur Ruhe kommen. Magnesium 300–400 mg/Tag, Calcium 300–400 mg/Tag − optimalerweise kombiniert mit Kalium 300–400 mg/Tag und optional mit Natrium in Form eines Basenpräparates.

Q10 – das Leistungselixier

Coenzym Q10 ist ein fettlösliches Antioxidans, das stressbedingten Entzündungsreaktionen Paroli bietet. Sämtliche energieproduzierende Prozesse im Körper sind von Coenzym Q10 abhängig. Zusätzliche Gaben können den Körper in der Regeneration unterstützen und umso rascher aus dem Leistungstief helfen; Coenzym Q10 60–120 mg/Tag.

Glutamin

Bei physischen und psychischen Stresszuständen kommt es zu einer Verarmung des Glutaminpools im Organismus. L-Glutamin ist von zentraler Bedeutung für die Aktivität des Immunsystems sowie ein wichtiges Nährsubstrat für die Schleimhautzellen des Magen-Darm-Traktes. So lässt sich durch eine Glutamin-Supplementierung die körpereigene Glutathionsynthese verbessern und die Entzündungsbereitschaft reduzieren. Gleichermaßen dient Glutamin als wichtiges Nährsubstrat bei stressbedingten Magen-Darm-Beschwerden. Dosierung für L-Glutamin: 6–10 g/Tag.

Guter Schlaf

Schlafmangel führt unweigerlich zu einem erhöhten Nährstoffbedarf. In der Kombination mit Stress summiert sich der Bedarf dementsprechend. L-Tryptophan kann die Schlafqualität verbessern, indem es mithilfe von Vitamin B6 zu Serotonin umgewandelt wird. So sorgen 1−3 g L-Tryptophan 30 Minuten vor dem Schlafengehen für die nötige Entspannung und einen erholsamen Schlaf. Gut zu wissen: Ein erhöhter Cortisolspiegel führt zur vermehrten Nutzung der Tryptophanressourcen für die Produktion von Nicotinsäure zum Aufbau der Coenzyme NAD und NADP. Daher sind gerade in Stresssituationen höhere Tryptophandosen für eine adäquate Serotonin-Synthese empfehlenswert.

Pflanzliche Stressbremsen

Neben orthomolekularen Ergänzungen sind der bewusste Umgang mit Stressfaktoren, ein durchdachtes Zeitmanagement, wohl dosierte Sporteinheiten sowie Entspannungstechniken sinnvoll. Ergänzend bieten sich pflanzliche Extrakte wie Rhodiola rosea (100−300 mg/Tag) an. Bei regelmäßiger Einnahme können der Erfolgsdruck, das Stressempfinden und die innere Anspannung deutlich reduziert und die Leistungsfähigkeit gesteigert werden. 

Weiters leisten die bewährten Extrakte aus der südamerikanischen Maca-Knolle (ca. 600 mg/Tag), der Ginseng-Wurzel (100−300 mg/Tag) und der Guarana-Pflanze (300−400 mg/Tag) einen wertvollen Beitrag, um die Resilienz zu stärken. Während Maca die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit unterstützt, tragen Ginseng und Guarana zur psychischen und physischen Vitalität bei. 

Quellen
•   Lopresti, A.L.: The Effects of Psychological and Environmental 
Stress on Micronutrient Concentrations in the Body: A Review of the Evidence; Advances in Nutrition; 2020
•   Siddiqui, A. et al.: Endocrine stress responses and risk of type 2 diabetes mellitus; Stress; 2015
•   Anghelescu, I.G. et al.: Stress Management and the Role of Rhodiola rosea: A Review. Int J Psychiatry Clin Pract; 2018 
•   Boyle, N.B. et al.: The Effects of Magnesium Supplementation on Subjective Anxiety and Stress—A Systematic Review. Nutrients; 2017 
•   Ford, T.C. et al.: The Effect of a High-Dose Vitamin B Multivitamin Supplementon the Relationship between Brain Metabolism and Blood Biomarkers of Oxidative Stress: A Randomized Control Trial. Nutrients; 2018 

Weitere Literatur auf Anfrage

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