Schlafstörungen

Schlaf, Kindlein, schlaf!

Mag. pharm. Sieglinde  PLASONIG
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Kind schläft in einem Bett, unter der Decke mit seinem Kuscheltier © iStock
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Neugeborene kennen noch keine zirkadiane Rhythmik und schlafen daher tagsüber und nachts etwa gleich viel. Im Lauf der ersten Lebensmonate beginnt der Schlaf, sich an der Tages- und Nachtzeit zu orientieren: Die „innere Uhr“ entwickelt sich im Zusammenwirken mit äußeren Rhythmusgebern wie Licht oder regelmäßigen Schlafenszeiten. Besonders viel Zeit widmen die Frischgeschlüpften dem Traumschlaf: Während die REM-Phasen beim Erwachsenen nur 20–25 % der Schlafenszeit ausmachen, sind es bei Neugeborenen 50 %. Die für den Non-REM-Schlaf charakteristischen Leichtschlaf- und Tiefschlafstadien lassen sich beim Neugeborenen noch nicht unterscheiden. Sie müssen im Lauf des ersten Lebensjahres erst entwickelt werden. Das zyklische Durchlaufen der Schlafphasen erfordert bei den Kleinsten nur 30 bis 70 Minuten, während ein/e Erwachsene/r dafür 90–110 Minuten braucht.

Schlafen „wie ein Baby“? 

Insgesamt schlafen Neugeborene rund 16 bis 18 Stunden pro Tag, wobei sich diese Zeit auf etwa fünf Schlafepisoden über den Tag verteilt. Verständlicherweise sehnen viele Eltern die Zeit herbei, in denen sich eine längere, durchgehende Nachtschlafepisode und kürzere, aber regelmäßige Tagesschläfchen etablieren. Normwerte für dieses „Durchschlafen“ gibt es jedoch nicht. Etwa ab einem Alter von vier bis sechs Monaten sind viele Kinder bereits in der Lage, eine längere durchgehende Nachtschlafzeit von etwa sechs Stunden zu entwickeln, während andere wesentlich länger brauchen. Besser festzumachen sind Durchschnittswerte für die Gesamtschlafdauer pro Tag in den verschiedenen Altersstufen – doch auch hier gibt es eine große interindividuelle Schwankungsbreite (siehe Tabelle).

Schlafdauer pro Tag 
Alter des KindesGesamtschlafdauer 
Mittelwerte (2.–98. Perzentile)
6 Monateca. 14 h (10–18 h)
3 Jahreca. 12 h (9–15 h)
6 Jahreca. 10,5 h (9–13 h)
10 Jahre ca. 10 h (8–11 h)
14 Jahre ca. 9 h (6–12 h)
16 Jahre ca. 8 h (4–11 h)
Mit 17–18 Jahren ist das Schlafbedürfnis eines/einer Erwachsenen erreicht (7–8 h).

Quelle: S1-Leitlinie Nicht-Organische Schlafstörungen, AWMF Reg.Nr. 028-012

Im Alter von ein bis drei Jahren haben die meisten Kinder einen Schlaf-Wach-Rhythmus, der durch eine längere Schlafepisode in der Nacht und zwei kürzere Schläfchen am Tag gekennzeichnet ist. Dieser Vormittags- und Nachmittagsschlaf nimmt im Allgemeinen maximal je zwei Stunden in Anspruch. Danach verschwindet langsam der Schlaf am Vormittag. Spätestens bis zum Schuleintritt wird im Allgemeinen auch der Nachmittagsschlaf aufgegeben. 

Baby schläft bei seiner Mama © iStock
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Wenn es mit dem Schlaf nicht klappen will

Schlafstörungen können in allen Entwicklungsstufen auftreten. In manchen Fällen sind sie auf eine organische Grunderkrankung rückführbar (Schmerzen, schlafbezogene Anfallsleiden, Restless legs oder Probleme im Bereich der Atemwege, z. B. durch vergrößerte Rachenmandeln). Ist dies nicht der Fall, so spricht man von einer nicht-organischen Schlafstörung. Sie treten in verschiedenen Formen auf.

Insomnien und Hypersomnien sind psychisch bedingte Zustandsbilder, bei denen Dauer, Qualität oder Zeitpunkt des Schlafs verändert sind. Sie verursachen einen deutlichen Leidensdruck und wirken sich auch störend auf das soziale Leben, später auch auf die schulische Leistungsfähigkeit des Kindes aus. Bei Insomnien treten Ein- oder Durchschlafstörungen bzw. ein nicht erholsamer Schlaf auf. Sie sind am häufigsten im Kindesalter. 

Hypersomnien hingegen erreichen ihr Häufigkeitsmaximum in der Adoleszenz: Es kommt hier zu übermäßiger Schlafneigung trotz adäquater Schlafdauer. 

Zu den Parasomnien gehören für die Außenstehenden recht spektakulär anmutende Ereignisse wie das Schlafwandeln, der Nachtschreck oder Albträume.

Belastend, aber oft selbstlimitierend: Albträume verschwinden über die Jahre meist auch ohne Therapie. © iStock
Belastend, aber oft selbstlimitierend: Albträume verschwinden über die Jahre meist auch ohne Therapie. © iStock

Definiert werden sie schlicht als „abnorme Episoden von Verhaltensmustern oder physiologischen Ereignissen, die während des Schlafs oder des Schlaf-Wach-Übergangs auftreten“. Parasomnien kommen am häufigsten in der Kindheit vor, treten aber auch nach der Pubertät selten auf. Zumeist liegt keine ernsthafte psychische oder neurologische Erkrankung vor. Parasomnien verschwinden im Verlauf der Entwicklung im Allgemeinen von selbst, sollten aber dennoch mit dem Kinderarzt/der Kinderärztin besprochen werden. Schlafwandeln und Nachtschreck sind mit dem Tiefschlaf assoziiert. Sie können daher nach Phasen des Schlafentzugs, auf die ein Tiefschlaf-Rebound folgt, vermehrt auftreten. Eine kontinuierliche Schlafhygiene ist daher essenziell. Neben Maßnahmen zur Verletzungsprävention während der Episode können weitere Schritte erforderlich sein (z. B. kurze Schlafphasen tagsüber, kindergerechte Entspannungsverfahren oder EEG-Abklärung). Bei Albträumen mit starkem Leidensdruck oder als Folge von Traumata und belastenden Lebensereignissen kommen psychotherapeutische Verfahren zum Einsatz.

Terminologie
Parasomnien

Somnambulismus (Schlafwandeln) 
Tritt familiär gehäuft auf, am häufigsten zwischen fünf und zwölf Jahren. Zumeist im ersten Drittel des Nachtschlafs verlassen die Betroffenen während des Tiefschlafs das Bett, gehen umher oder verrichten Tätigkeiten. Ihr Gesichtsausdruck ist starr, sie reagieren kaum auf Ansprache oder Berührung von außen und sind nur schwer weckbar. Nach dem Erwachen können sie kurz desorientiert sein. Es besteht Amnesie für das Geschehene. Fieber, psychischer Stress, Medikamente, Lärm oder Schlafmangel können als Trigger wirken.

Pavor nocturnus (Nachtschreck) 
Tritt familiär gehäuft auf, am häufigsten zwischen drei und fünf Jahren. Meist schon innerhalb der ersten drei Stunden des Nachtschlafs erwacht das Kind panisch schreiend und zeigt Zeichen von heftiger Angst und vegetativer Erregung (Herzklopfen, schnelle Atmung, Schweißausbruch). Beruhigungsversuche schlagen fehl, das Kind will nicht angefasst werden, wirkt desorientiert und zeigt perseverierende Bewegungen, kann um sich schlagen oder treten. Die Episode dauert maximal zehn Minuten. Nach dem Erwachen besteht Amnesie oder allenfalls fragmentarische Erinnerungen. Schlafmangel, Stress und Fieber können das Problem verstärken.

Albträume 
Meist in der zweiten Nachthälfte wacht das Kind mit lebhaften Erinnerungen an heftige, oft wiederholte Angstträume auf, ist danach aber schnell orientiert und wach. Die Prognose ist günstig: Albträume in der Kindheit verschwinden im Lauf des Älterwerdens meist auch ohne spezifische Therapie. Sie können die Folge von psychosozialem Stress sein. Weiters kommen sie im Rahmen von Depressionen, Angststörungen oder bei der posttraumatischen Belastungsstörung vor. Der Leidensdruck kann bewirken, dass sich das Kind vor dem Schlafengehen fürchtet. 

Mein Kind schläft schlecht – was hilft? 

Kindliche Schlafstörungen können die ganze Familie an den Rand der Erschöpfung treiben. Immer wieder werden daher auch pharmakologische Behandlungsmöglichkeiten in der Apotheke nachgefragt. In Anbetracht der guten Verträglichkeit und Akzeptanz wird häufig auf komplementärmedizinische Verfahren zurückgegriffen, z. B. auf Homöopathie, Bachblüten-Therapie oder Aromatherapie.

Lavendel © iStock
Homöopathie und Aromatherapie bieten vielfältige Möglichkeiten für eine unterstützende Behandlung. © iStock
Auswahl 
Komplementär-medizinische Empfehlungen

Homöopathie

  • Aconitum D12
    Nächtliches Aufschrecken mit Angst und Panik, Albträume, Schreien
  • Chamomilla D6
    Will nicht einschlafen, schreit, ist übel gelaunt, will auf den Arm (auch bei Infekten, Zahnen, Schmerzen) 
  • Coffea D6
    Kann nicht abschalten, ist überdreht, kann nicht einschlafen (z. B. bevorstehender Geburtstag)
  • Arsenicum album D12
    Wacht um Mitternacht herum auf, verlangt nach Zuwendung der Eltern, hat unerklärliche Ängste, schläft im Elternbett schnell wieder ein
  • Nux vomica D6
    Wacht zwischen 3 und 4 Uhr auf, schläft erst spät wieder ein, ist morgens müde
  • Ignatia D12
    Kann nicht einschlafen, grübelt und seufzt, weint heimlich, isst wenig, Folge von Kummer, Heimweh, Trennung

Aromatherapie

  • Lavendel
    Fördert die Schlafbereitschaft, angstlösend
  • Mandarine
    Stimmungsaufhellend, angstlösend, vermittelt Geborgenheit, erleichtert das Einschlafen
  • Melisse
    Beruhigend, ausgleichend, insbesondere nach aufregenden Tagen
  • Neroli
    Beruhigend, entspannend, bei Ängsten nach seelischen Verletzungen
  • Vanille
    Vermittelt Geborgenheit und Nestwärme, beruhigend, ausgleichend

Bachblüten

Individuelle Mischungen, z. B. mit 

  • Aspen
    Bei diffusen Ängsten, die nicht genau benannt werden können
  • Mimulus
    Bei konkreten Ängsten
  • White Chestnut
    Wenn die Gedanken nicht zur Ruhe kommen
  • Star of Bethlehem
    Nach Schock und Trauma, bei Albträumen
  • Hornbeam
    Bei Heimweh, Vermissen von Bezugspersonen
  • Red Chestnut
    Sorge um Bezugspersonen

Kinderärzt:innen betonen, dass eine pharmakologische Behandlung – im Sinne einer Arzneimitteltherapie – bei nicht-organischen Schlafstörungen normalerweise nicht indiziert und in den meisten Fällen allenfalls eine Übergangslösung ist. Die Mehrzahl kindlicher Schlafprobleme ist mit einer nicht adäquaten Schlafhygiene oder mit erlernten Verhaltensweisen verknüpft. Es ist daher langfristig wohl zielführender, an diesen Hebeln anzusetzen. 

Schlaffördernde Verhaltensweisen

Zur Schlafhygiene gehören verschiedene Regeln, die einen gesunden, erholsamen Schlaf ermöglichen. Bei kindlichen Schlafstörungen relevant sind folgende Maßnahmen:

  • Möglichst konstante Schlafumgebung: Das Schlafzimmer sollte eine ruhige und sichere Atmosphäre aufweisen und angenehm temperiert sein, das Bett primär mit dem Schlafen assoziiert sein.

  • Direkt vor der Schlafenszeit sollten keine aufregenden oder anstrengenden Aktivitäten mehr stattfinden (z. B. wildes Spielen).

  • Medienkonsum in der Zeit vor dem Schlafengehen vermeiden, keine Bildschirmgeräte im Schlafzimmer.

  • Etablierung und Aufrechterhaltung regelmäßiger Schlafenszeiten, ausreichender zeitlicher Abstand zwischen Nachmittagsschläfchen und Nachtruhe

  • Gleichbleibende Abendroutine (Essen, Ausziehen, Waschen, Wickeln, Zähneputzen etc. – immer in der gleichen Reihenfolge) und ein angenehmes, altersadäquates Bettzeitritual von maximal 20 bis 30 Minuten (z. B. Schlaflied, Gute-Nacht-Geschichte)

  • Säuglinge: kein Füttern vor dem Einschlafen, sondern schon einige Zeit vorher

  • Kleinkinder: konsistente und konsequente Grenzsetzung. Ermutigung, zum Einschlafen ein Kuscheltier, Schmusetuch oder Ähnliches zu nützen

  • Tagsüber: ausreichende körperliche Aktivität und Aufenthalt im Tageslicht

  • Schlafen oder Zubettgehen niemals als Bestrafung einsetzen.

Ungünstige Einschlafhilfen

Die verhaltensbedingte Schlafstörung entsteht durch erlerntes Verhalten. Sie ergibt sich entweder aus einer unzureichenden Grenzsetzung durch die Eltern und/oder weil das Kind sich beim Einschlafen an bestimmte externe Stimuli gewöhnt hat. Grenzsetzung bedeutet das Beibehalten liebevoller Konsequenz, wenn das Kind sich weigert, zu Bett zu gehen oder im Bett zu bleiben, weint, Wutausbrüche hat oder Ausreden erfindet, warum es (noch) nicht schlafen gehen kann. Externe Stimuli sind „ungünstige“ Einschlafhilfen: bis zum Einschlafen umhergetragen oder umhergefahren werden, Einschlafen nur mit Körperkontakt zum Elternteil (z. B. mit Mamas Haaren spielen) oder Einschlafen nur während des Stillens oder Fläschchen Trinkens. Die Abhängigkeit von solchen Stimuli rächt sich spätestens während der Nacht: Physiologischerweise erwacht jeder Mensch alle 45 bis 90 Minuten kurz, um sicherzustellen, dass er sich nicht in Gefahr befindet. Ist dann etwas anders als beim Einschlafen, z. B. das vertraute Schaukeln auf Mamas Arm verschwunden, so ist das vollständige Erwachen und Schreien die Folge – und neuerliches Einschlafen nur mit der Einschlafhilfe möglich. Da es sich bei dieser Art von Schlafproblemen um ein erlerntes Verhalten handelt, werden von kinderärztlicher Seite primär Psychoedukation und verhaltensbezogene Strategien empfohlen, um die Situation zu verbessern. 

Hilfe bei länger andauernden Problemen

Anhaltende kindliche Schlafprobleme sollten jedenfalls ärztlich abgeklärt werden – auch, um organische Ursachen und Komorbiditäten auszuschließen. Gegebenenfalls kann dann eine weiterführende Diagnostik veranlasst werden (Neurologie, Neuropsychologie, Schlaflabor). Viele Kinder-
ärzt:innen bieten entweder selbst ausführliche individuelle Schlafberatungen an oder können bei Bedarf an Kinderpsycholog:innen, Schlafcoaches und die regional unterschiedlichen Schlafberatungsangebote diverser sozialpsychologischer oder -pädagogischer Einrichtungen verweisen. 

Quellen

  • Emde B.: Komplementärmedizin für Kinder (2012). 
    Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 1. Auflag
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, 
    Psychosomatik und Psychotherapie: S1-Leitlinie: 
    Nicht-Organische Schlafstörungen (2018). AWMF Reg.Nr. 028-01
  • Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin AG Pädiatrie. Patientenratgeber Schlafstörungen bei Säuglingen, Kleinkindern, Kindern und Jugendliche
  • Pitzer M.: Nichtorganische Schlafstörungen bei Kindern und 
    Jugendlichen. Arzneiverordnung in der Praxis 2021; 48(1-2):11-1
  • Riemann D.: Ratgeber Schlafstörungen (2016). Hogrefe Verlag, 2. Auflage

    Weitere Literatur auf Anfrage

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