Krafttraining

Muskelaufbau im Alter

Mag. pharm. Sonja Sofeit, MSc
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Fitnesstraining und Alter sind kein Widerspruch: Es ist nie zu spät, um Muskulatur aufzubauen. © Shutterstock
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Kraft im physiologischen Sinn ist die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Systems, durch Muskeltätigkeit Widerstände zu überwinden ihnen entgegenzuwirken bzw. sie zu halten. Rein definitorisch wird erst dann von Kraft als konditionelle Fähigkeit
gesprochen, wenn Krafteinsätze vorliegen, die mindesten 30 % des individuellen maximalen Kraftvermögens entsprechen. Ohne Training gehen bis zum 70. Geburtstag etwa 40 % der Skelettmuskelmasse bzw. 8 % der Kraft pro
Lebensjahrzehnt verloren. Je aktiver der Lebensstil, desto später zeigen sich altersbedingte Veränderungen. Fas immer ist es die fehlende Kraft und nicht die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems, die ältere
Menschen zu Pflegefällen macht.

Hantel © Shutterstock
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Kraftausbau
Regeln für das Training

1 Sorgfältig aufwärmen
2 Alle großen Muskelgruppen trainieren
3 Auf eine aufrechte Haltung und gute Grundspannung     achten. Rumpfspannung halten!
4 Technisch saubere Durchführung bewahrt vor     Verletzungen
5 Muskelspannung über die gesamte Bewegungsreichweite   aufrechthalten
6 Auf eine fließende Atmung achten
7 Ausbelastung ist nicht unbedingt erforderlich, hoher   Anstrengungsgrad schon


Verlust von Muskelfasern

Mit zunehmendem Alter sterben Muskelfasern ab. Ursache für den Muskelabbau ist ein altersbedingtes Überwiegen kataboler Prozesse und die Abnahme anaboler Prozesse. Schon ab 30 gehen Kraft und Muskelmasse
verloren. Ab dem 50. Lebensjahr nimmt die Muskelmasse um ca. 0,8 % pro Jahr ab, die Muskelkraft um 1,5 % und ab 60 sogar um 3 % jährlich. In welchem Ausmaß der Verlust an Muskelfasern stattfindet, hängt natürlich auch davon ab, wie aktiv eine Person ist. Am stärksten geht im Alter der Anteil an schnellen Fast-Twitch-Muskelfasern zurück. Das sind jene Muskelfasern, die schnell kontrahieren und bei explosiven Kraftbewegungen zum Einsatz kommen. Aber auch muskelaktivierende Nervenzellen sterben durch den Alterungsprozess ab. Eine weitere Rolle spielt der krankheitsassoziierte Muskelabbau. Durch typische Alterserkrankungen wie Demenz, Parkinson, Augenerkrankungen oder Osteoarthrose bewegen sich ältere Menschen weniger und verlieren rascher an Muskelmasse.

Aufbau Skelettmuskulatur © Shutterstock/ Apoverlag
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Verletzungsprophylax

Ein gut ausgebildetes Muskelkorsett kann Biegekräfte, die auf das passive Skelettsystem wirken, stark reduzieren. Die Muskulatur ist ein optimales dynamisches Puffersystem, das in jeder Gelenkposition hohe Bewegungsenergie ableiten und dämpfen kann. Je mehr Bewegungsenergie die Muskulatur abfedern kann, desto geringer ist die verbleibende Kraft, die von Kapsel- und Bandapparat aufgenommen werden muss.

Neben der Reduktion der auf die Knochen wirkenden Kräfte kommt es durch Krafttraining mit entsprechend hoher Intensität zur Erhöhung der Knochendichte. Aber nicht nur das Knochengewebe wird zum Aufbau angeregt, auch straffes Bindegewebe wie Sehnen, Bänder und Gelenkkapseln reagieren bei ausreichend hohen Krafttrainingsreizen mit Hypertrophie und lagern vermehrt Kollagen ein. Zusätzlich wird der Stoffwechsel dieser Strukturen verbessert. Die Zugfestigkeit nimmt zu und die Rissanfälligkeit wird herabgesetzt.

Selbst die Dicke des hyalinen Gelenkknorpels nimmt durch langjähriges Krafttraining zu. Das führt zu einer verbesserten Druck- und Stoßfestigkeit. Durch die verbesserte Gelenkernährung können sich auch Beschwerden in diesen Strukturen bessern. 

In der Verletzungsprophylaxe ist jedoch nicht allein die Kraftfähigkeit der einzelnen Muskeln bedeutend, sondern auch das Kräfteverhältnis der Agonisten und Antagonisten zueinander. So ist etwa bei Wirbelsäulenbeschwerden häufig ein Ungleichgewicht zwischen Rumpfbeugern und -streckern zu finden. Die Rückenmuskulatur ist im Vergleich zur Bauchmuskulatur oft abgeschwächt. 

Knochenaufbau und Sturzgefahr 

Sarkopenie – also der mit fortschreitendem Alter zunehmende Abbau an Muskelmasse und Muskelkraft – führt zu einer Häufung an Stürzen bei älteren Menschen. In Folge kommt es zu Verletzungen und Knochenbrüchen. Abgesehen von Immobilität ist auch Malnutrition im Alter eine Ursache für Sarkopenie. Oft enthält die Ernährung einen zu geringen Proteinanteil. Weiters werden zunehmend motorische Einheiten nicht mehr von Nervenzellen innerviert und es kommt zur Einlagerung von Fett- und Bindegewebe in die Muskulatur. 

Krafttraining leistet auch einen Beitrag zum Erhalt der Knochendichte. Kombiniert mit Koordinationstraining ist Krafttraining also das ideale Training, um im Alter Stürzen vorzubeugen bzw. im Falle eines Sturzes Knochenbrüche zu vermeiden. Wird zusätzlich noch die Schnellkraft trainiert, also eine schnelle Übungsausführung bei geringerer Intensität durchgeführt, verbessert das die intermuskuläre Koordination (d. h. das Zusammenwirken mehrerer Muskeln bei einem Bewegungsablauf) und trägt ebenso zur Sturzprophylaxe bei. 

Bei ausgeprägter Osteoporose sollte die Last beim Krafttraining mit Gewichten so gewählt werden, dass ca. zwölf Wiederholungen durchgeführt werden können. Das ist ein guter Kompromiss aus wirksamer Knochenbelastung und Verträglichkeit für die Gelenke. Auch Sprünge stellen einen wirksamen Reiz für die Knochen dar, insbesondere kombiniert mit Krafttraining. Das Training mit Osteoporose ist eine Gratwanderung zwischen knochenwirksamen Reizen und drohender Überlastung anderer Strukturen, insbesondere der Sehnen und Gelenke.

Trainierbarkeit der Kraft im Alter

Um muskulären Abbauprozessen entgegenzuwirken, ist Krafttraining eine effektive Maßnahme. Idealerweise wird bereits ab der Jugend ein hohes Kraftniveau entwickelt und im Alter aufrechterhalten. So findet der Abbau von einem höheren Ausgangsniveau statt. Aber auch Senioren und Seniorinnen können noch beginnen, Muskulatur aufzubauen. Nicht nur die Muskelkraft, sondern auch die Zusammensetzung der Körpermasse, also das Verhältnis zwischen Muskelmasse und Fettanteil, lässt sich auch noch im Alter positiv beeinflussen. Für ein effektives Präventionstraining sollte die Trainingsintensität hoch genug gewählt werden und auch der Trainingsumfang muss der Mindestanforderung von zweimal pro Woche entsprechen. Ideal wäre es, dreimal pro Woche 30 Minuten mit einer Intensität von 80 % der Maximalkraft jede Übung mit 8 bis 12 Wiederholungen durchzuführen. Man spricht hier von Hypertrophietraining. Dabei sollten alle großen Muskelgruppen bewegt werden, also Rücken, Gesäß, Schultern, Brust, Bauch, Beine und Arme. 

Ohne Training gehen bis zum 70. Geburtstag etwa 40 % der Skelettmuskelmasse bzw. 8 % der Kraft pro Lebensjahrzehnt verloren. © iStock/ gradyreese
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Krafttraining
Was mit dem Muskel passiert

Um eine Veränderung im Muskel zu erreichen, 
muss der Reiz groß genug, also trainingswirksam sein. Die mechanische Überlastung der Muskeln führt zur strukturellen Zerstörung von Muskelfasern.

Als adaptive Reaktion nimmt während der Regenerationsphase die Anzahl der Sarkomere und der Muskelquerschnitt zu. Diese Steigerung des Muskelquerschnitts bezeichnet man als Hypertrophie. Die Anpassungsprozesse während der Erholungsphase werden in der Trainingstheorie als Superkompensation bezeichnet. Das heißt, der Körper konnte während der Regeneration sein Leistungsniveau über das Ursprüngliche hinaus steigern.

 Für Anfänger:innen eignet sich auch Kraftausdauertraining. Hier werden mehr Wiederholungen bei geringerer Intensität durchgeführt; dennoch sollen die Übungen absolviert werden, bis eine Muskelermüdung spürbar ist. Der Vorteil von Kraftausdauertraining ist, dass passive Strukturen (Kapsel-Bandapparat) Zeit zur Anpassung haben und der Schwerpunkt auf die korrekte Technik und Ausführung gelegt wird.

Hochbeschäftigter Stoffwechsel

Durch Ausdauertraining wird zwar die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems verbessert, es schützt aber nicht vor dem Verlust an Muskelmasse. Die Muskulatur ist im Gegensatz zum Fettgewebe ein äußerst stoffwechselaktives Gewebe. Daher ist die schwindende Muskelmasse Hauptursache für den im Alter verringerten Stoffwechsel und den in Folge niedrigeren Grundumsatz. So gehen pro Lebensjahrzehnt zwei bis fünf Prozent der Stoffwechselleistung verloren. Wer regelmäßig seine Muskulatur trainiert, verbraucht mehr Kalorien und reduziert die Wahrscheinlichkeit, Fett anzusetzen. Außerdem werden durch Krafttraining die Glykogen-, Kreatinphosphat- und ATP-Speicher vergrößert. Die Energiebereitstellung insgesamt wird verbessert. Ähnlich wie durch Ausdauertraining werden auch durch regelmäßiges Krafttraining die Blutfettwerte verbessert (Steigerung von HDL, Senkung von LDL-Werten) und es kommt zur Senkung des Ruhepulses. Auch der Ruheblutdruck wird reguliert (d. h. Steigerung des Blutdrucks bei Hypotonie, Senkung des Blutdrucks bei Hypertonie).

Krafttraining hat auch Auswirkungen auf den Hormonhaushalt: Während und direkt nach einer Trainingseinheit steigen Testosteron- und Wachstumshormonspiegel im Blut. Testosteron begünstigt u. a. den Aufbau körpereigener Muskelproteine. Der Anstieg an Wachstumshormon regt Reparatur- und Aufbauprozesse an. Gehirnstoffwechsel und Psyche profitieren ebenfalls, denn durch die Muskelarbeit kommt es zu einem Anstieg der Gehirndurchblutung. Bei Tätigkeiten mit hohem koordinativen Anspruch kann es sogar zum Wiederaufbau von Dendriten und deren Spines (dornenartige Membranfortsätze) im Gehirn kommen. Dies wiederum hat günstige Effekte auf die Leistung des Kurzzeitgedächtnisses. Außerdem wirkt jede Art hoher körperlicher Aktivität stimmungsaufhellend.

Koordination im Alter

Die Koordination zählt neben der Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit zu den motorischen Hauptbeanspruchungsformen. Je besser die Koordination ausgeprägt ist, desto geradliniger, müheloser und präziser wird eine Bewegung ausgeführt. Auf Grundlage einer gut entwickelten koordinativen Leistungsfähigkeit können auch in späteren Trainingsjahren sporttechnische Fertigkeiten erlernt werden. Synapsen können sich morphologisch verändern und sind gebrauchsabhängig. Durch Koordinationstraining kommt es zu einer verbesserten Impulsübertragung zwischen Nervenzellen. Zudem bilden Nervenbahnen durch wiederholtes und variantenreiches Training direktere Verbindungen zur nächsten Nervenzelle. 

Auch in späteren Lebensjahren können noch sporttechnische Fertigkeiten erlernt werden; leichter fällt dies  mit einer gut entwickelten Koordinationsfähigkeit. © iStock/ blackCAT
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Spätestens ab dem fünften Lebensjahrzehnt nimmt die individuelle koordinative Leistungsfähigkeit ohne Übung kontinuierlich ab. Durch das Trainieren der koordinativen Fähigkeiten im Alter lässt sich der Verlust der Motorik weit hinausschieben. Es ist also sinnvoll, koordinative Ansprüche in die Trainingsroutine einzubauen.


Quellen
Literatur bei der Autorin

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