Hausstaubmilbenallergie

Der Feind im Bett

Mag. pharm. Irene Senn, PhD
Artikel drucken
Zwei verschiedene Dermatophagoides-Arten sind hauptverantwortlich für allergische Reaktionen auf Hausstaub. Dermatophagoides heißt etwa so viel wie „Hautfresser“, denn die Hausstaubmilben ernähren sich von menschlichen Hautschuppen. © Shutterstock
Zwei verschiedene Dermatophagoides-Arten sind hauptverantwortlich für allergische Reaktionen auf Hausstaub. Dermatophagoides heißt etwa so viel wie „Hautfresser“, denn die Hausstaubmilben ernähren sich von menschlichen Hautschuppen. © Shutterstock

Dass Milben die Ursache der Allergie auf Hausstaub sind, wurde bereits 1964 von holländischen Wissenschaftlern entdeckt.1 Hauptverantwortlich für allergische Reaktionen sind die beiden Spezies Dermatophagoides pteronyssinus und Dermatophagoides farinae. Sie zählen wie alle Milben zu den Spinnentieren und sind mit einer Größe von 0,1–0,4 mm mit freiem Auge nicht sichtbar.

Keine Frage der Hygiene

Hausstaubmilben (HSM) sind in jedem noch so reinen Haushalt zu finden. Die Tiere lieben feuchte Wärme: Optimale Lebensbedingungen bestehen bei einer Temperatur von 25 °C und 75–80 % Luftfeuchtigkeit. Ein solches Mikroklima herrscht in unseren Kopfkissen, Bettdecken und Matratzen. Zudem finden die Spinnentiere dort ein reiches Nahrungsangebot in Form von Hautschuppen vor. Denn ein Erwachsener verliert jeden Tag rund 1,5 g Hautschuppen – eine Menge, die für 100.000 Milben reicht.2

Breites Allergenspektrum

Der Großteil der Allergene befindet sich nicht in den ­Milben selbst, sondern in ihren Ausscheidungen. Eine Milbe produziert pro Tag rund 20 Kotkügelchen; in einem Gramm Hausstaub können über 250.000 Kotkügelchen enthalten sein.3 Das Allergen-Repertoire der Hausstaubmilbe ist komplex. Bisher wurden 39 verschiedene Allergene identifiziert. Je nach Milbenart (D. pteronyssinus oder D. farinae) werden die Allergene als Der p oder Der f bezeichnet und chronologisch nummeriert (1–39).4 Die meisten Betroffenen zeigen eine Sensibilisierung gegen beide Spezies.5

Allergische 
Typ-1-Reaktion

Aus pathophysiologischer Sicht handelt es sich bei einer HSM-Allergie um eine allergische Typ-1-Reaktion (Soforttyp). 

Eine solche Allergie spielt sich immer in zwei Phasen ab:6

  1. Sensibilisierungsphase: Erstkontakt des Allergens mit der Schleimhautoberfläche. Im lymphatischen Gewebe werden von den B-Lymphozyten spezifische Antikörper der Klasse IgE gegen die auslösenden Allergene produziert.
  2.  Allergische Reaktion: Beim nächsten Kontakt mit dem Allergen reagieren die IgE-Antikörper und entzündungsauslösende Stoffe wie Histamin werden freigesetzt. Erst dann tritt die Erkrankung klinisch in Erscheinung.

Kasten 1


Die Allergene der Gruppen 1, 2 und 23 werden als Hauptallergene (Major-Allergene) bezeichnet, da sie eine starke IgE-Bindungsaffinität und eine hohe allergene Aktivität aufweisen.2 Von praktischer Bedeutung ist zusätzlich das Minor-Allergen Der p10 (Tropomyosin). Aufgrund des Vorkommens ähnlicher Strukturen in Garnelen und Weichtieren können Kreuzallergien mit Meeresfrüchten auftreten. 

Symptome im Winter verstärkt

Die allergischen Beschwerden bestehen ganzjährig, sind aber im Winter meist stärker ausgeprägt. In der kühleren Jahreszeit, wenn die Luftfeuchtigkeit in den Innenräumen durch das Heizen reduziert wird, sterben zwar viele Milben ab – ihr Kot aber bleibt und lagert sich im Hausstaub ab. Außerdem zerfallen die toten Milbenkörper und setzen weitere Allergene frei. Hinzu kommt, dass die Allergene durch die Heiztätigkeit aufgewirbelt werden. Nachts und morgens ist die Symptomatik meist am stärksten spürbar, da sich in Matratzen, Kissen und Decken besonders hohe Allergenkonzentrationen befinden. Häufig leiden Betroffene an einer behinderten Nasenatmung. Auch nächtlicher Husten und morgendliche Niesattacken sind typische Symptome. Eine HSM-Allergie manifestiert sich oft bereits im frühen Kindesalter. In Europa werden Sensibilisierungsraten von bis zu 30 % verzeichnet.2

Therapeutische Optionen

Eine HSM-Allergie sollte nicht verharmlost werden. Denn bei andauerndem Allergenkontakt kann es zu einem chronischen Entzündungsgeschehen in der Nasenschleimhaut kommen. Das kann irreversible Veränderungen nach sich ziehen – und zwar einerseits direkt in der Nase (z. B. Muschelhyperplasie); andererseits kann es zu einem Etagenwechsel und damit zu Schädigungen der tieferen Atemwege kommen. Die Entstehung von Asthma bronchiale wird nachweislich begünstigt.7,8 Zudem kommt es bei einem Drittel aller Allergiker:innen im Laufe der Zeit zu einer Ausweitung des Allergiespektrums. Eine frühzeitige Diagnosestellung gefolgt von einer adäquaten Behandlung ist daher essenziell.

 Die Therapie stützt sich im Wesentlichen auf drei Behandlungssäulen (siehe Abb.):

  • Allergenkarenz: Vermeidung oder Reduktion des Allergenkontakts
  • Symptomatische Therapie: Antiallergische Pharmako­therapie
  • Kausale Therapie: Allergiespezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung)


Allergenkarenz

Allergenkarenz © Shutterstock
Allergenkarenz © Shutterstock

Intuitiv scheint es eine zielführende erste Maßnahme zu sein, die Anzahl der Milben im Wohnbereich gering zu halten. Zwar kann mit Hilfe von milbendichten Überzügen (Encasings) der Allergengehalt im Staub tatsächlich deutlich reduziert werden. Es ist jedoch umstritten, inwieweit damit eine signifikante Verbesserung der Symptomatik erreicht werden kann.9 Dies gilt in gleicher Weise für andere Maßnahmen zur Allergenreduktion wie HEPA-Filter (high efficiency particulate air; Schwebstofffilter, die kleinste Partikel zurückhalten) und Acarizide (Pestizide zur Bekämpfung von Milben). Während die Ergebnisse der meisten Primärpräventionsstudien enttäuschend waren10, existieren für die Sekundärprävention (Verhinderung allergischer Reaktionen bei Personen, die bereits sensibilisiert sind) und Tertiärprävention (Verhinderung der Entwicklung von Asthma bronchiale bei milbenallergischen Personen) mehrere Wirksamkeitsnachweise.11,12 Die erst kürzlich aktualisierte deutsche S3-Leitlinie zur Allergieprävention kommt dementsprechend zum Schluss, dass jegliche milbenreduzierende Maßnahmen therapiebegleitend zur Sekundär- und Tertiärprävention als sinnvoll zu erachten sind. Zur Primärprävention sind sie nicht geeignet.11

Hilfreiche Tipps
Reduzierung der Allergenbelastung
  • Kissen und Decken aus synthetischem Material verwenden und regelmäßig bei 60 °C waschen (ca. alle 4–6 Wochen)

  • Kuscheltiere regelmäßig waschen oder über Nacht in Gefrierschrank geben

  • Mehrmals täglich 5 Min. stoßlüften, um die Luftfeuchtigkeit gering zu halten (ideal sind 45–55 %)

  • Schlafzimmertemperatur auf 18–20 °C halten

  • Boden feucht wischen

  • Keine Ventilatoren, Heizlüfter, Klimaanlagen verwenden, da sie die Luft aufwirbeln und den Hausstaub im Wohnraum verteilen

Kasten 2

Symptomatische Therapie

Symptomatische Therapie © Shutterstock
Symptomatische Therapie © Shutterstock

Die pharmakotherapeutischen Möglichkeiten in der Akuttherapie unterscheiden sich nicht von denen anderer Inhalationsallergien. Zur Symptomkontrolle kommen lokale und/oder systemische Antihistaminika, lokale und/oder systemische Steroide, β2-Agonisten sowie Leukotrienantagonisten zum Einsatz.13 Einige dieser Präparate sind rezeptfrei erhältlich, die Ursache der Allergie bleibt damit aber unbehandelt. Unterstützend können salzhaltige, befeuchtende Nasensprays und regelmäßige Nasenduschen empfohlen werden – die medikamentöse Therapie lässt sich damit aber meist nicht ersetzen.14

Allergiespezifische Immuntherapie (AIT)

Die AIT ist die einzige kausale Therapie für alle IgE-vermittelten Allergien und damit auch für die HSM-Allergie. Mittels Induktion einer immunologischen Toleranz lassen sich nicht nur die Beschwerden nachhaltig lindern, auch die Notwendigkeit einer symptomatischen Pharmakotherapie kann häufig reduziert werden.15 Zudem kann der Krankheitsverlauf in mehrfacher Hinsicht günstig beeinflusst werden.16–18

  • Eine AIT kann den Übergang von einer allergischen Rhinokonjunktivitis in ein Asthma bronchiale (Etagenwechsel) in 40 % der Fälle verhindern – ein Effekt, der auch noch Jahre nach dem Ende der Immuntherapie andauert.19
  • Eine AIT kann die typische Ausweitung des Allergenspektrums – also das fortlaufende Hinzukommen neuer Allergene – reduzieren.20

Der exakte Wirkungsmechanismus der AIT ist auch heute nach über 100 Jahren erfolgreichem klinischen Einsatz nicht restlos geklärt.21 Sie nützt grundsätzlich das Phänomen der Hochdosistoleranz – d. h. das Immunsystem erkennt Antigene, die über lange Zeit in hoher Dosis in den Körper appliziert werden, nicht als fremd. Dadurch wird die Immunantwort modifiziert und das Allergen zunehmend toleriert. 

Man beginnt mit kleinen Dosen des Allergens und steigert sie dann über einige Monate bis hin zu Erhaltungsdosis. Die genaue Anwendung variiert je nach Hersteller und Produkt. Danach ist gutes Durchhaltevermögen gefragt. Die EAACI-Leitlinien empfehlen eine Mindesttherapiedauer von drei Jahren, um eine langfristige Wirksamkeit auch nach Beendigung der Therapie zu erreichen.16

Die AIT steht als subkutane Injektionstherapie (SCIT) oder alternativ als sublinguale Immuntherapie (SLIT) in Form von Tropfen oder Tabletten zur Verfügung.2 Die Wirksamkeit der SCIT mit verschiedenen HSM-Extrakten wurde in doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien nachgewiesen. Die Studienlage unterscheidet sich jedoch erheblich für die auf dem Markt befindlichen Produkte. Einen guten Überblick liefert eine Metaanalyse von Huang et al. aus dem Jahr 2019.23 In der aktuellen AWMF-Leitlinie wird resümiert, dass die Wirksamkeit und Sicherheit der SCIT mit HDM-Extrakten für Erwachsene hinreichend belegt ist.5 Ihr Einsatz bei Kindern wurde bislang nur in Studien mit geringen Fallzahlen demonstriert5,24

Verhältnismäßig neu ist die Möglichkeit einer sublingualen Immuntherapie mit Tabletten: Hierfür stehen in Österreich die beiden Fertigpräparate Acarizax® (seit 2015 zugelassen) und Actair® (seit 2021 zugelassen) zur Verfügung. Der große Vorteil der SLIT ist, dass die Therapie von den Erkrankten selbst zu Hause durchgeführt werden kann. Ihre Wirksamkeit und Sicherheit wurden in mehreren internationalen Studien bestätigt.25

Quellen

1 Voorhorst R, et al.: Is a mite (Dermatophagoides sp) the producer of the house dust allergen? Allerg Asthma 1964;10:329-334.
2 Hemmer W: Hausstaubmilben, Tiere und Co. J Pneumolog 2016;4(1):9-13.
3 Bergmann K-C: Biology of house dust mites and storage mites. Allergo Journal Int 2022;31(8):272-278.
4 Vrtala S: Allergens from house dust and storage mites. Allergo Journal Int 2022;31(8):267-271.
5 Oliver P, et al.: Guideline on allergen immunotherapy in IgE-mediated allergic diseases. Allergol Select 2022;6:167-232.

Weitere Quellen auf Anfrage

Das könnte Sie auch interessieren