Die Anzahl der Pneumokokkenfälle ist – wie auch die anderer Atemwegsinfektionen – während der Pandemie zurückgegangen. Dies dürfte sich nun wieder ändern. Zum einen gibt es wesentlich weniger Hygienemaßnahmen als in den letzten beiden Jahren, und zum anderen eine große Anzahl an Personen, die eine COVID-19-Erkrankung durchgemacht hat.
„Diese kann zu geschädigten Schleimhäuten führen, wodurch die Abwehr geschwächt ist und Pneumokokken einen leichteren Nährboden finden“, erläuterte Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, Klinik Floridsdorf. Nicht zu unterschätzen sind auch mögliche Doppelinfektionen. „Virale Erkrankungen wie COVID-19 oder Influenza führen in 10‒15 % der Fälle zu Doppelinfektionen mit Bakterien. Darunter befinden sich viele Pneumokokken-Infektionen. Dadurch kommt es zu einer höheren Krankheitslast und auch zu einer höheren Sterblichkeit“, so Valipour.
Mangelndes Risikobewusstsein
„Insbesondere Gruppen mit erhöhtem Risiko wie Raucher:innen oder Personen mit erhöhtem Blutdruck scheinen sich des Risikos nach wie vor nicht ausreichend bewusst zu sein“, ergänzte Priv.-Doz. Mag. Dr. Maria Paulke-Korinek, Abteilungsleiterin für Impfwesen im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Eine Online-Umfrage des Verbandes der österreichischen Impfstoffhersteller im Juli 2022 belegte das mit Zahlen: Nur etwa jeder/jede Vierte ist geimpft. Auch das Bestehen von Vorerkrankungen bzw. Grunderkrankungen spielt nach wie vor eine geringe Rolle hinsichtlich der Impfentscheidung, obwohl Personen mit chronischen Erkrankungen diese Impfung explizit empfohlen wird.
Bis zum Frühjahr 2022 standen nur drei Impfstoffe zur Verfügung: ein 23-valenter reiner Polysaccharid-Impfstoff (Pneumovax®), mit Polysacchariden von 23 Serotypen, zugelassen für Kinder ab zwei Jahren, und die beiden konjugierten Impfstoffe Prevenar® 13 (13-valent, PNC 13) und Synflorix® (10-valent). Bei beiden liegen die enthaltenen Polysaccharide an ein Protein gebunden (konjugiert) vor, wodurch sie auch für Säuglinge geeignet sind.
Neue Impfstoffe mit breiterer Abdeckung
Nun sind zwei weitere konjugierte Pneumokokken-Impfstoffe im Handel: Vaxneuvance® (PNC15) und Apexxnar® (PNC20), die eine breitere Abdeckung und damit einen besseren Schutz bieten. Allerdings sind sie vorerst nur für Erwachsene zugelassen.
Die Expertinnen und Experten des Nationalen Impfgremiums (NIG) haben die beiden neuen Pneumokokken-Vakzinen bereits in die aktuellen Impfempfehlungen eingearbeitet. Sie lauten: „Nachdem nun höher-valente Impfstoffe verfügbar sind, sollen diese bei Personen ab 18 Jahren vorzugsweise verwendet werden, wobei das sequenzielle Schema (mit zwei verschiedenen Impfstoffen) unverändert bleibt, um einen breiten und optimalen Schutz sicherzustellen.“
Breiter Schutz für Erwachsene
Zwei neue Impfstoffe bereichern das Portfolio der konjugierten Polysaccharid-Vakzine gegen Pneumokokken. Sie decken weitere wichtige Serotypen ab:
• Vaxneuvance®, ein 15-valenter Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff (PNC15) von MSD, indem gegenüber dem 13-valenten Konjugatimpfstoff Prevenar® 13 zusätzlich die beiden Serotypen 22F und 33F enthalten sind, und
• Apexxnar®, ein 20-valenter Konjugat-Impfstoff (PNC20) von Pfizer mit der breitesten Serotypenabdeckung. Verglichen mit Prevenar® 13 umfasst er Kapselpolysaccharid-Konjugate von sieben weiteren Serotypen (8, 10A, 11A, 12F, 15B, 22F und 33F).
Aktuell sind beide Pneumokokken-Konjugat-Impfstoffe für Personen ab 18 Jahren zugelassen, wobei mit einer Erweiterung der Zulassung für Säuglinge und Kleinkinder gerechnet werden darf.
Drei unterschiedliche Impfregime
Erwachsene werden vom NIG in drei Gruppen unterteilt mit divergenten Impfregimen:
• Gesunde Erwachsene ab 61 Jahren sollten eine sequenzielle Impfung mit einem Konjugat-Impfstoff (PNC13, PNC15 oder PNC20), gefolgt von einer Impfung mit Pneumovax 23, erhalten. Diese Impfserie wird nicht wiederholt. Gesunden Erwachsenen vor dem vollendeten 60. Lebensjahr ist die Impfung nicht empfohlen.
• Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf z. B. durch Rauchen, Alkoholabusus, Hypertonie, Atherosklerose, subchronische Bronchitis etc. wird die sequenzielle Impfung bereits ab dem 51. Lebensjahr empfohlen. Diese Impfserie soll einmal wiederholt werden, im Abstand von sechs Jahren zur letzten Pneumokokken-Impfung.
• Personen mit hohem Risiko und dringend indizierter Impfung aufgrund chronischer Erkrankungen, wie z.B. Krankheiten der blutbildenden Organe, Lungenkarzinom, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Asthma, Emphysem, COPD, Diabetes mellitus oder anderen Stoffwechselkrankheiten, Leberzirrhose, chronische Niereninsuffizienz und weiteren, ist altersunabhängig die sequenzielle Impfung mit verkürztem Impfabstand und regelmäßiger Auffrischung alle sechs Jahre dringend empfohlen.
Besonders wichtig für die Beratung an der Tara: Impfungen gegen Pneumokokken, Influenza und COVID-19 können gleichzeitig durchgeführt werden.
AC