Cannabidiol

Ein Alleskönner in der Grauzone?

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Cannabis-Pflanze © Shutterstock
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Cannabidiol (CBD) ist nach Tetrahydrocannabinol (THC) der neue Hoffnungsträger aus der Hanfpflanze. Mengenmäßig können je nach Sorte um die 40 % CBD aus den Blättern und Stängeln des Hanfs extrahiert werden. Das nicht psychoaktive CBD ist ebenso wie THC an Endocannabinoid-Rezeptoren im Körper aktiv und hat in etlichen Studien die unterschiedlichsten Wirkungen gezeigt. 

Der Hype um CBD kam vor einigen Jahren aus Amerika, wo die Substanz meist in Form öliger Tropfen als Nahrungsergänzungsmittel verwendet wurde. Seither wurde viel zu diesem Hanfinhaltsstoff geforscht. Folgende Eigenschaften werden dem CBD zugeschrieben: Es soll krampflösende, entzündungshemmende, anxiolytische, neuroprotektive, antioxidative, appetitanregende bzw. Übelkeit hemmende Wirkung zeigen. Diese mannigfachen Wirkungen entfaltet CBD über mehrere Rezeptoren im Körper: ENT-Transporter, G-Protein-gekoppelten Rezeptor 55, Serotonin-Rezeptoren des Typs 5-HT1A, PPAR-Rezeptoren und Ionenkanäle. CBD agiert nicht direkt an den Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2, sondern moduliert diese in einer allosterischen Bindetasche bzw. blockiert den Abbau von Endocannabinoiden.1 Somit lassen sich etliche Hypothesen über mögliche Wirkungsmechanismen aufstellen. Studien dazu gibt es wie Sand am Meer; jedoch ist die wissenschaftliche Qualität solcher Studien kritisch zu betrachten. 

Der Einsatz von CBD wurde in den vergangenen Jahren vor allem bei psychischen Erkrankungen wie Schlafstörungen, Angst und Depression untersucht. Robuste Studiendaten sind jedoch nach wie vor ausständig. © Shutterstock
Der Einsatz von CBD wurde in den vergangenen Jahren vor allem bei psychischen Erkrankungen wie Schlafstörungen, Angst und Depression untersucht. Robuste Studiendaten sind jedoch nach wie vor ausständig. © Shutterstock


Nutzen von Hanfsamenöl

Auch am heimischen Markt sind die Produkte aus Hanf angekommen. In Kosmetika wie Shampoos, Körpercremes, Seifen und Massageölen kommt meist Hanfsamenöl zum Einsatz. Die internationale Nomenklatur für kosmetische Inhaltsstoffe (INCI) dafür lautet Cannabis Sativa Seed Oil. Es enthält einen hohen Anteil an ungesättigten Omega-6-Fettsäuren und ein günstiges Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren; außerdem Linolsäure, α- und γ-Linolensäure, Tocopherole, Carotinoide, Chlorophyll, Vitamine und Mineralstoffe. Es kann auch als Lebensmittel in der Küche verwendet werden und besticht durch seinen nussigen Geschmack. 

Endogener Angriffspunkt
Endocannabinoid-System (ECS)

Das Endocannabinoid-System (ECS) reguliert die Homöostase im Körper: Köpertemperatur, Blutzuckerspiegel, pH-Wert, Mineralstoff- und Wasserhaushalt, Schmerzempfinden, Gedächtnis und Gehirnentwicklung, unsere Motorik und Nahrungsaufnahme, Zellteilung sowie kardiovaskuläre und immunologische Prozesse werden vom ECS gesteuert. 

Die beiden Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 sind membrangebunden und G-Protein-gekoppelt. CB1- Rezeptoren kommen überwiegend im Nervensystem vor (Gehirn und Darm), während CB2-Rezeptoren im ganzen Körper verteilt und v. a. auf Immunzellen sowie Knochenzellen zu finden sind. Körpereigene Liganden des ECS sind Anandamid, 2-Arachidonylglycerol und Noladinether. Externe Cannabinoide wie THC und CBD greifen ebenfalls am ECS an und waren für dessen Entdeckung maßgeblich. Inaktiviert wird das ECS über einen Reuptake-Mechanismus, bei dem die endogenen Liganden metabolisiert werden, wodurch eine negative Rückkopplung entsteht. Aufgrund der vielfältigen Aufgaben des ECS sind auch die vielen unterschiedlichen Wirkungen von Cannabinoiden erklärbar.



Medizinisch wird es traditionell (z. B. in der arabischen Medizin) zur Behandlung von Ohren, Nasen und Rachenentzündungen sowie bei verschiedenen entzündlichen Hauterkrankungen angewandt.2 So kann oral eingenommenes Hanföl positiven Einfluss auf Schuppenflechte, Neurodermitis oder Akne haben, was sich über die ungesättigten Fettsäuren erklären lässt.3 Es ist außerdem eine ausgezeichnete Grundlage für die Verarbeitung von CBD in Cremes und Salben. 

CBD als Wirkstoff

In den letzten Jahren wurde CBD als Wirkstoff für verschiedene Erkrankungen erforscht. Zu einer expliziten Arzneimittelzulassung kam es erstmals 2018 mit Epidyolex®, das bei kindlicher Epilepsie eingesetzt wird. CBD-Öl weist eine geringe orale Bioverfügbarkeit auf und wird daher in öliger Lösung direkt auf die Mundschleimhaut appliziert, wenn eine systemische Wirkung erzielt werden soll. Untersucht wurde die Wirkung von CBD hauptsächlich im psychischen Kontext – u. a. bei Angststörungen, Schlafstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) sowie bei Tourette-Syndrom und Depressionen. In den genannten Indikationen können derzeit noch keine schlüssigen Aussagen getroffen werden, da die Datenlage nicht eindeutig ist und robuste Studien noch ausständig sind.5 Bei der gleichzeitigen Gabe herkömmlicher Arzneimittel ist jedoch jedenfalls das Wechselwirkungspotenzial mit CYP-450-Substraten zu beachten.

CBD geht unter die Haut 

In einer systematischen Übersicht haben Scholfield et al. die verfügbaren Daten zur topischen Anwendung von CBD zusammengefasst.1 Die herangezogenen Studien unterscheiden sich im Anwendungsgebiet, der Dosierung sowie im Studiendesign und sind daher nicht direkt miteinander vergleichbar. Je nach Formulierung kann ein messbarer Plasmaspiegel nach einer Anwendung auf der Haut im Tierversuch erzielt werden. Zusammen mit den Hypothesen, dass die Substanz auf die oben beschriebenen Rezeptoren einwirken kann, könnten tatsächlich die unterschiedlichsten Effekte im Krankheitsgeschehen von neuropathischen Schmerzen, Hauterkrankungen mit Autoimmungeschehen und psychischen Störungen erzielt werden. Die Wirksamkeit von CBD bei den jeweiligen Erkrankungen müsste dazu jedoch jeweils placebokontrolliert und am besten über unterschiedliche Applikationswege beforscht und beschrieben werden. Sobald CBD transdermal bzw. topisch appliziert wird, stellen die oberen Hautschichten die größte Barriere dar. Hat CBD diese Schichten penetriert, kommt es zu einer Aufnahme in die Dermis nahe der Kapillaren der Haut, wo es rezirkuliert und dadurch seine Wirkung entfalten kann.

Begriffsdefinition
Öl ist nicht gleich Öl

Man unterscheidet Hanföl (= Hanfsamenöl), CBD-Öl und Cannabis-Öl. Letzteres wird auch als THC-Öl oder Haschischöl bezeichnet. 

Psychisch aktiv bzw. berauschend ist nur das Cannabis-Öl, das im medizinischen Kontext als Dronabinol Anwendung findet, rezeptpflichtig ist und dem Suchtgiftgesetz unterliegt. Es wird häufig bei Schmerzen und Nebenwirkungen im Rahmen einer Krebstherapie eingesetzt. Im Gegensatz dazu sind Hanföl und CBD-Öl nicht psychotrop. Hanföl wird mittels traditioneller Verfahren aus den Hanfsamen kaltgepresst und kann als Speiseöl verwendet werden, sofern der THC-Gehalt bei Anbau und Verarbeitung nie den gesetzlichen Grenzwert von 0,2 % überschritten hat. In der Regel enthält es kein CBD oder THC. CBD-Öl wird durch Extraktion aus den oberen Pflanzenteilen gewonnen. Auch hier sind die THC-Grenzwerte zu beachten. 



Bei Patientinnen und Patienten, die schon eine Palette an oraler Dauermedikation erhalten, sollte man in der Beratung darauf hinweisen, dass Salben und Cremes zum Einreiben durchaus systemische Effekte aufweisen können, wobei aufgrund der geringeren Aufnahme durch die Haut auch die Nebenwirkungen leichter ausfallen können. Sollten Kundinnen bzw. Kunden über Nebenwirkungen klagen, die sich nur über eine systemische CBD-Wirkung oder Wechselwirkung erklären lassen, sollte auch die Einnahme von zusätzlichen Nahrungsergänzungsmitteln oder Salben und Cremes berücksichtigt werden. Denn obwohl CBD-Tropfen derzeit nicht explizit als Arznei- oder Nahrungsergänzungsmittel angepriesen werden dürfen, lassen sich im Internet „Studien“, Anwendungsberichte inkl. Dosierung und „belegter Wirksamkeit“ finden, die jedoch in den meisten Fällen nicht den Standards der Wissenschaftsintegrität entsprechen.

Die Bewerbung der im Moment am Markt erhältlichen CBD-Produkte ist kritisch anzusehen, da es sich laut österreichischem Recht um Präsentationsarzneimittel handelt, bei denen eine Wirkung angepriesen wird, die durch wissenschaftliche Studien nur unzureichend nachweisbar ist. Die Vermarktung solcher Präparate ist daher nicht zulässig. 

CBD-Öl weist eine geringe orale Bioverfügbarkeit auf. Es wird daher direkt auf die Mundschleimhaut appliziert, wenn eine systemische Wirkung erzielt werden soll.  © iStock
CBD-Öl weist eine geringe orale Bioverfügbarkeit auf. Es wird daher direkt auf die Mundschleimhaut appliziert, wenn eine systemische Wirkung erzielt werden soll. © iStock


Beratung an der Tara

Berührung, Aufmerksamkeit, Pflege und die Kombination an bewährten Wirkstoffen wie Beinwell, Arnika, Menthol, Kampfer etc. mit Hanfölen bzw. CBD-Öl zeigen, dass sich mit topischer und manueller Therapie gute Erfolge bei Problemen des Bewegungsapparates erzielen lassen. Die alleinige Wirkung von Cannabidiol als Wirkstoff lässt sich aus heutiger Sicht nicht endgültig mittels stichhaltiger Studien von Placebo unterscheiden. Aufgrund der bisherigen Forschungsergebnisse und der unterschiedlichen Angriffspunkte der Cannabinoide wären prospektiv angelegte, placebokontrollierte Studien zur topischen Anwendung von CBD in der Therapie von Schmerzen des Bewegungsapparates sehr wünschenswert. In der Zwischenzeit sind diese Salben und Cremes mit CBD als „Aromastoff“ jedoch eine Hoffnung für all jene, die schon etliche andere Cremes gegen die Beschwerden ausprobiert haben. Obwohl die Studienlage bisher dünn ist, können Betroffene den neuen Wirkstoff erwerben und anwenden. Ob sich die Hinweise auf Wirksamkeit von CBD für die vielen unterschiedlichen Anwendungsgebiete tatsächlich belegen lassen und CBD zum Allrounder für Gesundheit und Wohlbefinden wird, bleibt indes abzuwarten.

Datenlage unzureichend
Rechtliche Einstufung

CBD unterliegt der EU-Verordnung für neuartige Lebensmittel. Bisher gibt es keinen definitiven Beschluss, ob CBD als neues Lebensmittel bedenkenlos eingenommen werden kann, da die Datenlage zur Beurteilung noch nicht ausreicht. 

Mangels ausreichend klinischer Studien können CBD-Produkte bislang nicht als Arzneimittel vermarktet und es dürfen keine „Health-Claims“ getätigt werden. Dies gilt lt. BASG auch für die Verwendung in Kosmetika. 

Der EuGH sieht CBD nicht als Suchtmittel an, da es keine psychotrope Wirkung zeigt. Dies eröffnet die Verwendung in Kosmetika, sofern beim Herstellungsprozess 0,2 % THC-Gehalt nie überschritten wurde. Produkte, die CBD enthalten, werden in Österreich derzeit als Aromazubereitungen vermarktet. Die Anwendung obliegt dann dem/der Verbraucher:in. Ärzte und Ärztinnen dürfen allerdings Rezepte für CBD ausstellen, die dann in der Apotheke abgegeben werden dürfen. 

Text: Mag. pharm. Dr. Birgit Zonsics

Quellen

1 Scholfield CN et al.: Systematic Review on Transdermal/Topical Cannabidiol Trials: A Reconsidered Way Forward, 2022 https://doi.org/10.1089/can.2021.0154
2 Lozano, I.: The therapeutic use of Cannabis sativa (L.) in Arabic medicine. J Cannabis Therap 2001;1(1):63–70 
3 Callaway J et al.: Efficacy of dietary hempseed oil in patients with atopic dermatitis. J Dermatol Treatm 2005;16:87‒94
4 Millar SA et al.: Towards Better Delivery of Cannabidiol (CBD). Pharmaceuticals 2020;13:219
5 Penny F et al.: Cannabinoids for Medical Use. A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA 2015;313(24):2456-73
6 Sholler DJ et al.: Therapeutic Efficacy of Cannabidiol (CBD): A Review of the Evidence from Clinical Trials and Human Laboratory Studies. Curr Addict Rep 2020;7(3):405–412
7 Palmieri B et al.: A therapeutic effect of CBD-enriched ointment in inflammatory skin diseases and cutaneous scars, Clin Ter 2019; 170 (2):e93-99

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