Arzneimittelallergie

Unerwünscht, aber nicht selten

Mag. pharm. Dr. Angelika Chlud
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Arzneimittel © Shutterstock
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Bei Arzneimittelallergien zeigen Per­sonen echte allergische Reaktionen gegen Inhaltsstoffe von Medikamenten. Dabei kann es bei den Betroffenen innerhalb von Minuten nach der Einnahme oder einer Infusion zu Schwellungen, Unruhe, Schwindel und Atemnot bis Bewusstlosigkeit und anaphylaktischem Schock kommen. Bei leichten Reaktionen können auch nur juckende Hautausschläge auftreten. Die häufigeren Spätreaktionen treten verzögert nach mehreren Stunden bis Tagen nach der Medikamenteneinnahme auf. Typischerweise bildet sich ein grobfleckiger Hautausschlag mit Knötchen, ähnlich einem Masern-Exanthem. 

Sofort- und Spätreaktion 

Diese erste Einteilung einer Arzneimittelreaktion als Sofortreaktion oder Spätreaktion richtet sich nach der Zeitspanne zwischen der Einnahme und dem Beginn der Beschwerden. Eine Sofortreaktion (immediate reaction) innerhalb von Minuten kann Ausdruck einer IgE-vermittelten Typ-I-Allergie oder einer nicht-allergischen Intoleranz sein. Bei der Spätreaktion nach Stunden bis Tagen wird eine durch T-Lymphozyten vermittelte Typ-IV-­Allergie angenommen. Arzneimittelallergien liegen, je nach Studie, bei einer bis drei von zehn Personen vor, die über Beschwerden in Verbindung mit dem Gebrauch von ­Arzneimitteln klagen. Ältere Menschen sind besonders gefährdet. Leber und Nieren scheiden bei ihnen die Abbauprodukte von Medikamenten, die für allergische Reaktionen verantwortlich sein können, oft nur verzögert aus. Meist nehmen Seniorinnen und Senioren mehrere Arzneimittel ein und mit der Zahl steigt die Wahrscheinlichkeit für allergische Reaktionen, da die Medikamente interagieren und sich in ihrer Metabolisierung gegenseitig beeinflussen können.

Sehr selten, aber gefährlich

In der Regel klingen durch eine Arzneimittelallergie induzierte Hautreaktionen schnell wieder ab. Als Hypersensitivitäts-Syndrom oder DRESS (drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms) bezeichnet man eine durch Arzneimittel ausgelöste Systemreaktion mit Hepatitis, Nephritis und Exanthem. 

In sehr seltenen ­Fällen kommt es zu einer lebensbedrohlichen Situation mit schweren, mit blasiger Ablösung der Haut und der Schleimhäute einhergehenden Reaktionen: ein Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) oder eine toxische epidermale Nekrolyse (TEN). Diese dramatischste aller Arzneimittelreaktionen verläuft in etwa 30 % der Fälle tödlich. Eltern, Geschwister und Kinder einer/eines Betroffenen sollten vorsichtig sein: Sie haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, nach Einnahme des gleichen Arzneimittels eine ähnliche Reaktion zu entwickeln.

Antibiotika als Auslöser 

Die Häufigkeit einer allergischen Reaktion auf ein bestimmtes Arzneimittel kann nur geschätzt werden. Aussagekräftige Daten dazu liegen nicht vor. Während sich schwere Reaktionen am ehesten nach der Einnahme von Antiepileptika finden, sind Antibiotika bei Weitem die häufigsten Auslöser von milderen Hautreaktionen. Auslöser ist meist Amoxicillin. Während der Therapie oder noch bis zu sechs Wochen nach dem Beginn der Behandlung können sich rote Flecken und kleine Knötchen bilden, die sich mitunter auf den gesamten Körper ausdehnen. In der Praxis ist oft unklar, ob eine echte ­Allergie, eine gleichzeitig bestehende Virusinfektion oder das Zusammenwirken von Virusinfektion und Antibiotikum die Ursache ist. 

Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID) wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Diclofenac rufen ebenfalls relativ häufig eine Allergie hervor, meist eine Sofortreaktion mit Urtikaria oder Schwellung von Gesicht, Mund und Rachen, oft schon innerhalb einer Stunde nach Anwendung des Arzneimittels. In selteneren Fällen kann es zu bedrohlichen Asthmaanfällen kommen, die auch nach Absetzen des Medikaments noch längere Zeit bestehen können.

Schwierige Unterscheidung

Arzneimittelallergien zu diagnostizieren, ist schwierig. Die Symptome können sehr unterschiedlich ausfallen und denen anderer Arzneimittelunverträglichkeiten ähneln. Da die Apotheke oft die erste Anlaufstelle ist, wenn Kundinnen oder Kunden mit einem Hautausschlag reagieren, kann mit einigen wenigen Fragen an der Tara (siehe Kasten) die Wahrscheinlichkeit einer Allergie eingegrenzt werden. 

Unangenehme Erscheinungen im Zusammenhang mit Medikamenten sind meistens ohnehin keine Allergien, sondern unerwünschte Wirkungen – also Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen. 

Allergische Reaktionen
Häufigste Auslöser

Nur eine begrenzte Anzahl von Arzneimitteln oder Arzneimittelklassen verursachen allergische Reaktionen. Vermutlich ist ihre chemische Struktur verantwortlich dafür. 

Bezogen auf die Gesamtzahl aller allergischen Arzneimittelreaktionen beträgt die relative Häufigkeit ungefähr: 

  • Antibiotikum (besonders β-Laktam-Antibiotikum und Sulfonamid): ca. 50 %
  • Nicht-opioides Analgetikum: ca. 30 %
  • Die restlichen ca. 20 % verteilen sich auf Antikonvulsivum, Röntgenkontrastmittel, Heparin, Muskelrelaxans, ACE-Hemmer, Biologikum, ­Allopurinol, Protonenpumpenhemmer usw.
hilfreich
Fragen an der Tara
  • Rötet sich Ihre Haut recht bald, nachdem Sie ein bestimmtes Medikament angewendet haben, und bildet sie Quaddeln, also Erhebungen?

  • Bekommen Sie zudem weitere Symptome wie etwa Brennen und Jucken an den Augen oder Schwellungen in Teilen des Gesichts?

  • Erscheint oft Tage nach dem Gebrauch eines Mittels bei Ihnen ein Hautausschlag, der an Masern erinnern kann und Pusteln hat?
Weiterführende Literatur
Buchtipp

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Allergologie in Klinik und Praxis © Thieme
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