Die Apotheken der Josefstadt

Johanna, Maria, der Kaiser, ein alter Löwe und die Welt

Mag. pharm. Franz Biba
Artikel drucken
Blick in eine Ausstellungsvitrine: im Hintergrund rechts ein Inhalations-Apparat für Asthmatiker:innen um 1885; daneben ein modernes Dosieraerosol © Franz Biba
Blick in eine Ausstellungsvitrine: im Hintergrund rechts ein Inhalations-Apparat für Asthmatiker:innen um 1885; daneben ein modernes Dosieraerosol © Franz Biba

Im Bezirksmuseum Josefstadt wird nun erstmals die Geschichte aller fünf Josefstädter Apotheken anhand vieler bisher verborgener Schätze gezeigt. Begleitend ist ein kleiner Abriss zur Geschichte der Pharmazie zu sehen.

Von Joseph I. zu Joseph II.

Die Josefstadt, der kleinste Bezirk Wiens, wurde nach dem Kronprinzen und späteren Kaiser Joseph I. benannt, der die von den Türken zerstörte Vorstadt wieder aufbauen ließ. Und es ist dem Sohn seiner Nichte zu verdanken, dass im Gebiet der heutigen Josefstadt Apotheken entstanden. Mit Hofentschließung vom 31. August 1782 hob nämlich Kaiser Joseph II. das Apothekergremium und dessen Filialapotheken in den Vorstädten auf und gestattete „jedem ordentlich gelehrten und examinierten Apotheker“ in oder vor der Stadt, nach Genehmigung, eine Apotheke zu errichten. 

Matthias Moser, ehemals Provisor der Filialapotheke St. Ulrich, nützte als erster die Gelegenheit und eröffnete 1783 in der Vorstadt Josefstadt, die bereits 146 Häuser zählte, die Apotheke „Zum goldenen Löwen“. Die frühesten Apothekennamen gehen auf Hausnamen bzw. Hauszeichen zurück.

  • Alte Löwen-Apotheke: 1783 von Matthias Moser in der Josefstadt 126 (heute Josefstädter Straße 30) gegründet (Hauszeichen „Zum goldenen Löwen“); seit 1911 ist die Apotheke im gegenüberliegenden Haus (Josefstädter Straße 25) und heißt nun „Alter Löwe“.

  • Welt-Apotheke: bis 1843 als Schild „Zur Sonne“ (Hauszeichen des Gebäudes, in dem die Apotheke 1783 eröffnet wurde). Im Laufe ihrer Geschichte hatte diese Apotheke sieben verschiedene Adressen und drei verschiedene Namen. In der Josefstadt befindet sich die Apotheke seit 1841 (im Haus „zum roten Apfel“), ab 1843 unter dem Namen „Weltheiland Apotheke“. Seit 1899 am heutigen Standort Lerchenfelder Straße 122, Namensänderung im Jahr 2007 in „Welt-Apotheke“.

  • Kaiser Josef-Apotheke: Erinnerung an den Namensgeber der Josefstadt; eröffnet 1871 von Mag. pharm. Josef Eduard Binder, ehemaliger Provisor der Apotheke im Allgemeinen Krankenhaus, in der Laudongasse 34, Ecke Daungasse; 1913 verlegt in die Alser Straße 51, wo sich die Apotheke auch heute noch befindet. 

  • Maria-Treu-Apotheke: eröffnet 1909 von Mag. pharm. Jaroslav Korn in der Josefstädter Straße 68; das Hauszeichen „Zur kleinen Mariahilf“ mutierte – mit Bezug zum Gnadenbild der nahe gelegenen Piaristenkirche – im Apothekenschild zur „Maria Treu“. 

  • Apotheke in der Josefstadt – Zur Heiligen Johanna: in der Florianigasse 13 von Mag. pharm Josef R. Katzer im Jahr 1913 eröffnet; den Apothekennamen leitete er vom Vornamen seiner damals 9-jährigen Tochter Johanna ab. 2018 kam noch die Bezeichnung „Apotheke in der Josefstadt“ dazu. 

Die Chronik der Josefstädter Apotheken ist hervorragend dokumentiert und wird im Bezirksmuseum auf großen Schautafeln mit vielen historischen Fotos, die dankenswerterweise von den Apotheken zur Verfügung gestellt wurden, präsentiert.

Das Dispensatorium pharmaceuticum Austriaco-Viennense

Die beiden ältesten Apotheken im Bezirk wurden 1783 gegründet. Womit hat man damals geheilt? Antwort auf diese Frage gibt ein Faksimile der seinerzeit gültigen amtlichen Wiener Arzneitaxe, in der alle Museumsbesucher:innen blättern können und die man mittels QR-Code auch kostenlos aufs Handy herunterladen kann. In dieser „Nova Pharmacopoeorum Taxa“ sind nicht weniger als nahezu 900 einfache Arzneidrogen enthalten. Sie waren zum überwiegenden Teil pflanzlicher Herkunft; nicht wenige entstammten aber auch dem Mineralreich und dem Tierreich, wie

  • Regenwürmer (Lumbricorum terrestrium exsiccat)
  • Wildschweinzähne (Dentium apri)
  • Spanische Fliegen (Kantharis, Canthariden)

und sogar vom Menschen, wie 

  • geraspelte Menschenhirnschale (Cranii humani),
  • ausgelassenes Menschenschmalz oder Armesünderfett (Pinguedo hominis) sowie
  • zermahlene ägyptische Mumien (Mumia vera). 

Weiters sind in der Taxe Preise für insgesamt 1.618 Composita – das sind Arzneimittel, die der Apotheker nach den Vorschriften des „Dispensatorium pharmaceuticum Austriaco-Viennense“ (Arzneibuch aus 1770) herstellen musste – enthalten.

Apotheker stellten im 18. Jhdt. nicht nur die Einlaufflüssigkeit her, sie übernahmen auch die Applikation. Für das Setzen eines Klistiers konnten sie laut geltender Taxordnung „bey jemand vermöglichen“ 20 Kreuzer (entspricht heute etwa 13 Euro) und „bey einem Gemeinen“ 15 Kreuzer verrechnen1.

Sparsame Patient:innen besorgten sich „Pilulae perpetuae“ (Unvergängliche Pillen). Die Kugeln aus einer Antimon-Legierung wurden bis ins 19. Jahrhundert als ein die Verdauung förderndes Mittel verschluckt und nach dem Durchgang durch den Darmkanal wieder gesammelt, abgewaschen und zu gleichem Zweck wiederverwendet.

Rundgang durchs Museum

Die Ausstellung gliedert sich in sechs Bereiche:

  1. Geschichte der Pharmazie und des Apothekerberufes 
  2. Chronik der fünf Josefstädter Apotheken
  3. Arzneidrogen und Phytopharmaka
  4. Geräte und Gefäße aus den Apotheken
  5. Herstellung und magistrale Rezeptur
  6. einige Objekte aus einem historischen Warenlager 

Alle Exponate sind aus dem 8. Bezirk. Die Sonderschau kann bei freiem Eintritt bis 29. Jänner 2023 besucht werden2 und wird vom Autor dieser Kolumne kuratiert. Bei der Eröffnung am 13. März konnte die Museumsleiterin Maria Ettl unter den zahlreich erschienenen Festgästen Apothekenteams der Leihgeber und die Vizepräsidentin der Landesgeschäfts-stelle Wien der Österreichischen Apothekerkammer, Mag. pharm. Susanne Ergott-Badawi, begrüßen. 

Quellen

•   H. Rotter: Die Josefstadt. Geschichte des 8. Wiener Gemeindebezirkes. Selbstverlag, Wien (1918)
•   F. Biba: Von Namen, Zeichen, Nummern und Schriften. ÖAZ 70 (22), S. 78–79 (2016)
•   L. Hochberger und J. Noggler: Geschichte der Wiener Apotheken. Verlag des Wiener Apotheker-Hauptgremiums, Wien (1919)
•   A. Wiltsch: Das Dispensatorium pharmaceuticum Austriaco-Viennense, 
nach den Ausgaben von 1737 und 1770. In: Jahrbuch des städtischen Museums zu Wels (1935).
•   Nova Pharmacopoeorum Taxa. Verlag typis Joannis Thomae de Trattnern, Wien (1771)
•   F. Oesterlen: Handbuch der Heilmittellehre. Verlag der Laupp'schen Buchhandlung, Tübingen (1847)
1   Zur Umrechnung der Kaufkraft vgl. C. Bebermeier: Celeste Coltellini (1760–1828): Lebensbilder einer Sängerin… Seite 148. Verlag Böhlau (Köln) 2015
2   Öffnungszeiten sowie Informationen über begleitende Veranstaltungen unter www.bezirksmuseum.at/de/bezirksmuseum_8

Das könnte Sie auch interessieren