Dermakosmetik

Mikrobiom im Tiegel

MAG. PHARM.  René  GERSTBAUER
Artikel drucken
Hautcreme © shutterstock
© shutterstock

Die Haut ist von einer vielfältigen Mikrobiota besiedelt, welche wesentlich zur Hautgesundheit beiträgt. Ein stabiles Hautmikrobiom schützt vor krankmachenden Keimen und reguliert das lokale Immunsystem. Dysbiose – also ein Ungleichgewicht der Mikroben – wird mit Hauterkrankungen wie atopischem Ekzem, Psoriasis und Akne in Verbindung gebracht.

Probiotika sind lebende Mikroorganismen, welche in ausreichender Menge verabreicht einen gesundheitlichen Nutzen für den Wirt erbringen (z. B. durch Immunmodulation und Konkurrenz mit Pathogenen). Präbiotika hingegen sind nicht verdauliche Substrate (meist Ballaststoffe), welche selektiv das Wachstum nützlicher Mikroben fördern. In der Dermakosmetik werden diese Konzepte genutzt, um durch topische Anwendungen das Hautmikrobiom positiv zu beeinflussen. 

Ausschlag © iStock
Die gezielte Ansiedlung gesundheitsfördernder Hautkeime wie Roseomonas mucosa reduzierte in Studien die Ekzemsymptome. © iStock
Wissenschaftlicher Exkurs I
Wirksamkeit bei atopischer Dermatitis

Die atopische Dermatitis (AD) ist eine chronisch- entzündliche Hauterkrankung mit gestörter Barrierefunktion und reduzierter mikrobieller Vielfalt. Pro- und Präbiotika werden sowohl zur Prävention als auch zur Therapie untersucht.

Studien deuten darauf hin, dass die frühe Gabe bestimmter Probiotika (z. B. Lactobacillus rhamnosus) das AD-Risiko bei Risikokindern senken kann. Eine große randomisierte Studie mit 800 Säuglingen zeigte einen protektiven Effekt durch präbiotische Nahrungsergänzung. Allerdings sind die Ergebnisse heterogen und stammabhängig. Eine Cochrane-Übersicht (2023) mit 39 Studien fand insgesamt nur geringe Effekte gegenüber Placebo. Einzelne Stämme wie Bifidobacterium animalis CECT 8145 oder L. casei CECT 9104 zeigten in spezifischen Kombinationen jedoch positive Resultate.

Auch zur adjuvanten Behandlung werden Probiotika untersucht. Einige Studien berichten eine Reduktion von Entzündung und Symptomschwere, andere zeigen keinen Effekt. Besonders bei Kindern scheinen bestimmte Kombinationen wirksam zu sein, die Evidenz bei Erwachsenen ist schwächer. 

Eine Übersichtsarbeit im Journal of the American Academy of Dermatology beschreibt den Nutzen als uneinheitlich, betont aber das Potenzial der topischen Anwendung. Studien mit präbiotischen Emollientien (z. B. Mannose, Inulin oder alpha-Glucan-Oligosacchariden) berichten signifikante Rückgänge von Rötung und Juckreiz, wenngleich die Datenlage aufgrund geringer Studienzahl noch begrenzt ist.

Neue Ansätze

Innovative Strategien wie die gezielte Ansiedlung gesundheitsfördernder Hautkeime (z. B. Roseomonas mucosa) oder der Einsatz hitze-inaktivierter Probiotika (z. B. Lactobacillus johnsonii NCC 533) zeigen in ersten Studien vielversprechende Ergebnisse: Verbesserung der Barrierefunktion, ungünstigeres Milieu für pathogene Keime und Reduktion von Ekzemsymptomen.

Keine Leitlinienempfehlung

Die S3-Leitlinie Atopische Dermatitis spricht Pro- und Präbiotika keine generelle Empfehlung aus. Sie verweist auf widersprüchliche Studienlagen und fordert weitere Untersuchungen. Derzeit gelten Pro- und Präbiotika – wenn überhaupt – als individualisierte Ergänzung. Für die Primärprävention bei Hochrisiko-Kindern gibt es Hinweise in allergologischen Leitlinien, auch hier jedoch ohne klare Empfehlung.

Topische Probiotika als Schutzschild

Prä- und Probiotika in der Hautpflege zielen darauf ab, die mikrobielle Besiedlung der Haut in Richtung eines gesunden Gleichgewichts zu verschieben. Topisch aufgebrachte Probiotika (bzw. ihre lysierten Bestandteile) können als Schutzschild wirken, indem sie die Ansiedlung von Krankheitserregern auf der Haut verdrängen.

Darüber hinaus produzieren sie antimikrobielle Substanzen (z. B. Bakteriocine) und kurbeln die Produktion hauteigener Abwehrmoleküle an. Wichtig ist auch die Immunmodulation: Bestimmte mikrobiologische Lysate binden an Rezeptoren von Hautzellen und dämpfen überschießende Entzündungsreaktionen. Ein Beispiel ist das Lysat von Vitreoscilla filiformis, welches an Toll-like Rezeptor 2 bindet und so die Freisetzung anti-inflammatorischer Mediatoren (z. B. IL-10) stimuliert, Hautabwehrmechanismen aktiviert und die Barrierefunktion stärkt.

Insgesamt wird dem gezielten Einsatz „guter“ Bakterien und ihrer Stoffwechselprodukte zugeschrieben, Hautrötungen und Entzündungen zu reduzieren, die Hautbarriere zu stärken (z. B. via vermehrter Bildung von Ceramiden oder Tight-Junction-Proteinen) und das Hautmilieu (pH-Wert) so zu beeinflussen, dass pathogene Keime gehemmt werden. Präbiotische Inhaltsstoffe (etwa Inulin, alpha-Glucan-Oligosaccharide oder bestimmte Zuckerverbindungen) dienen als Nährstoff für hautfreundliche Bakterien und fördern indirekt deren Wachstum und Funktionen.

Wissenschaftlicher Exkurs II
Wirksamkeit bei Akne und seborrhoischen Hautzuständen

Akne vulgaris steht in engem Zusammenhang mit dem Hautmikrobiom und der Darm-Haut-Achse. Probiotika können dabei auf zwei Wegen wirken: systemisch über das Immunsystem und topisch durch Beeinflussung des Hautmilieus.

Kleinere randomisierte Studien zeigen, dass probiotische Multikulturen (z. B. Lactobacillus acidophilus, Bifidobacterium bifidum) Akne-Läsionen ähnlich gut verbessern können wie systemische Antibiotika. Auch Bacillus-Präparate reduzierten Entzündungen und Sebumproduktion. Trotz vielversprechender Ergebnisse sind größere Studien nötig, um Stämme, Dosierung und Dauer klar zu definieren. Aktuell gelten orale Probiotika als gute Ergänzung zu einer Aknetherapie.

Im dermakosmetischen Bereich finden probiotische Inhaltsstoffe wie Fermente und hitzeinaktivierte Kulturen zunehmend auch in Akneprodukten Verwendung. Eine L. plantarum-haltige Creme führte in einer Studie nach acht Wochen zu einer signifikanten Reduktion von Papeln und Pusteln – vergleichbar mit der Wirkung von topischen Antibiotika. Weitere Studien zeigten Verbesserungen bei Sebumproduktion, transepidermalem Wasserverlust und Entzündungsparametern. Auch hautschützende Faktoren wie Aqua-porin-3 und Hyaluronsäure-Synthase-2 wurden durch Probiotika verstärkt exprimiert.

Fazit für die Tara

Prä-/Probiotika sind bei Akne und fettiger Hau vielversprechend, aber kein Ersatz für bewährte 
Therapien. Sie können sie jedoch sinnvoll ergänzen – v. a. bei sensibler Haut, geringer Verträglichkeit klassischer Mittel oder Kundenwunsch nach natürlichen Optionen. Wichtig: auf regelmäßige Anwendung und realistische Erwartungen hinweisen.

Akne © iStock
© iStock

Weitere Anwendungsgebiete in Dermakosmetik und Dermatologie

Neben Akne und atopischer Dermatitis werden Prä- und Probiotika auch bei anderen Hautzuständen erforscht – insbesondere zur Unterstützung der Hautbarriere, Feuchtigkeitsversorgung und Anti-Aging.

Hautbarriere & Anti-Aging

Probiotische Inhaltsstoffe wie Streptococcus thermophilus- oder Lactobacillus plantarum-Lysate fördern nachweislich die Ceramidbildung und die Expression feuchtigkeitsbindender Faktoren. In Studien wurden Verbesserungen der Hautelastizität, Faltentiefe und Porengröße berichtet. Auch die Hautpigmentierung konnte durch Fermente positiv beeinflusst werden. Obwohl viele Daten aus industriefinanzierten Studien stammen, unterstützen erste unabhängige Arbeiten den Nutzen für Hautfeuchte und Barrierefunktion. 

Wundheilung

Präklinische Studien zeigen, dass postbiotische Cremes mit L. fermentum, L. reuteri und B. subtilis die Epithelisierung fördern und Entzündungen hemmen. Bei Postbiotika handelt es sich um inaktivierte Mi-kroorganismen und/oder ihre Bestandteile, die dem Wirt einen gesundheitlichen Nutzen bringen. Auch wenn die Evidenz begrenzt ist, könnte die postbiotische Wundpflege in Zukunft eine antibiotikasparende Alternative darstellen – erste dermakosmetische Sprays und Gele sind erhältlich.

Stellenwert an der Tara

Prä- und Probiotika in der Hautpflege stellen einen wachsenden Trend dar, der auf dem verbesserten Verständnis des Hautmikrobioms basiert. Für die Apothekenpraxis bedeutet dies: Produkte mit Prä- oder Probiotika (sei es medizinische Hautpflege für Atopiker:innen, Akne-Kosmetika oder regenerierende Cremes) können als zusätzliche Option angeboten werden, insbesondere für Patient:innen, die nach schonenden, biologischen Ansätzen fragen.

Wichtig ist eine realistische Beratung: Die Kund:innen sollten wissen, dass diese Produkte zwar auf einem wissenschaftlich plausiblen Konzept beruhen und oftmals gut verträglich sind, aber dass sie konventionelle Therapien nicht vollständig ersetzen. In Bereichen wie leichten Formen der atopischen Dermatitis oder Akne können Prä-/Probiotika-Präparate helfen, den Medikamentenverbrauch (z. B. Kortison, Antibiotika) zu reduzieren, indem sie das Hautmilieu verbessern. Bei schwerwiegenden Erkrankungen sind sie allenfalls begleitend einzusetzen. 

Wunden behandeln © AdobeStock
Die Wundpflege mit Postbiotika könnte in Zukunft eine antibiotika-sparende Alternative darstellen. Einige Bakterienstämme fördern die Epithelisierung. © AdobeStock

Ergänzende Maßnahme für gesunde Hautflora

Der aktuelle wissenschaftliche Stand sieht Prä- und Probiotika in der Hautpflege als vielversprechend, aber noch nicht abschließend bewiesen an. Erste klinische Studien und dermatologische Forschung zeigen klare Tendenzen zugunsten verbesserter Hautfunktionen. Gleichzeitig mahnen Expert:innen zur Zurückhaltung, bis größere Langzeitstudien vorliegen.

Patient:innen und Kund:innen, die solche Produkte anwenden, berichten häufig von einer Verbesserung des Hautgefühls und weniger Irritationen, was sich mit den biologischen Wirkmechanismen deckt. Zusammengefasst haben Prä- und Probiotika ihren Platz in der modernen Dermakosmetik als ergänzende Maßnahme für eine gesunde Hautflora gefunden – mit weiterem Potenzial, welches in den kommenden Jahren durch Forschung und klinische Erfahrung konkretisiert werden wird.

Quellen

  • S3-Leitlinie: Atopische Dermatitis [Neurodermitis, atopisches Ekzem] (2023), AWMF Reg.Nr. 013-027.
  • Chilicka K, et al.: Microbiome and Probiotics in Acne Vulgaris – A Narrative Review. Life (Basel) 2022; 12(3): 422.
  • Baquerizo K, et al. Probiotics and prebiotics in dermatology. J Am Acad Dermatol 2014; 71(4): 814 - 821.
  • Phan S, et al. Topical Prebiotics and Microbiome Metabolites: A Systematic Review of the Effects of Altering 
    the Skin Microbiome in Atopic Dermatitis. J Integr Dermatol 2023;3(2): 1-10.
  • Bieber T. Atopic dermatitis: an expanding therapeutic pipeline for a complex disease. Nat Rev Drug Discov. 2022;21(1):21-40.

Weitere Literatur auf Anfrage

Das könnte Sie auch interessieren