Saisonale Augenbeschwerden

Winterlust statt Augenfrust

MAG. PHARM. Verena Kimla
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Der ständige Wechsel zwischen beheizten Räumen und kalter Außenluft ist ein echter Härtetest für den Tränenfilm, denn Wärme und Wind lassen die Tränenflüssigkeit rascher verdunsten. Die Folge sind gereizte, brennende oder tränende Augen. Häufig entwickelt sich aus einem gestörten Tränenfilm ein Sicca-Syndrom mit typischen Symptomen wie Fremdkörpergefühl, Lichtempfindlichkeit, Sehstörungen und Rötungen. Bei stärkerer Ausprägung sind auch Bindehaut- oder Hornhautentzündungen möglich. Die Beschwerden behindern nicht nur die Bildschirmarbeit, sondern machen auch das Tragen von Kontaktlinsen unangenehm oder unmöglich. 
Tritt das Problem erstmals auf, sollte eine augenärztliche Abklärung erfolgen, um andere Ursachen auszuschließen. Denn Winterzeit ist auch Erkältungs- und Grippezeit und in Verbindung mit einer Erkältung kann eine virale Konjunktivitis auftreten, die häufig durch Adenoviren verursacht wird und sehr ansteckend ist. Die Symptome von Konjunktivitis und Sicca-Syndrom können sich im Anfangsstadium ähneln.


Sicca-Syndrom – Zwei Unterformen


Doch nicht nur Umweltfaktoren können zur Entstehung des Trockenen Auges (Sicca-Syndrom, Keratokonjunktivitis sicca) beitragen, auch vielerlei andere Faktoren sind beteiligt. Dazu zählen physiologische Veränderungen des Tränenfilms durch hormonelle Einflüsse und Alter, Grunderkrankungen, Arzneistoffe sowie ophthalmologische Faktoren wie das Tragen von Kontaktlinsen oder eine Fehlfunktion der Meibom-Drüsen (siehe Kasten 2, rechts). Auch Androgen- oder Vitamin-A-Mangel sowie Hornhaut-, Katarakt- und refraktive Operationen (LASIK) können die Tränenfilmproduktion negativ beeinflussen. 

Das Trockene Auge ist mit einer Prävalenz von rund 15 % der Gesamtbevölkerung eine häufige Erkrankung. Im Alter sind mehr Menschen betroffen, insbesondere Frauen. Bei 60–80 % der Betroffenen ist die Lipidphase des Tränenfilms gestört. Den Beschwerden liegt eine mangelhafte Benetzung der Augenoberfläche zugrunde, an der mehrere Vorgänge ursächlich beteiligt sind, darunter inflammatorische Prozesse, die zu Entzündungen der Binde- oder Hornhaut, Schädigung der Augenoberfläche und zu Sehstörungen führen können. Es werden im Wesentlichen zwei Unterformen – bzw. kombinierte Formen dieser beiden – unterschieden: 

• Hyposekretorische Form (ca. ein Drittel):
Störungen der wässrig-muzinösen Tränenfilmanteile, verminderte Tränenproduktion. Diese Unterform äußert sich v. a. durch ein Fremdkörpergefühl. Sie wird durch Jahreszeit, Klima und Raumbedingungen beeinflusst.
• Hyperevaporative Form (ca. zwei Drittel):
Störungen der Lipidanteile des Tränenfilms. Dadurch reißt der Tränenfilm auf, Tränenflüssigkeit verdunstet vermehrt oder läuft über die Lider ab. So können auch tränende Augen auf ursächlich trockene Augen hinweisen.

Tara-Tipps: Richtige Anwendung von Augentropfen

• Anbruchdatum vermerken, Haltbarkeitshinweise beachten
• Präparat ggf. vor der Anwendung schütteln
• Bei Anwendung mehrerer Präparate 15 Minuten Abstand halten; erst Wirkstoff-haltige Tropfen, dann Tränenersatzmittel anwenden
• Nur einen Tropfen pro Auge eintropfen
• Nach dem Eintropfen: 1 Minute auf den inneren Augenwinkel an der Nase drücken 
→ zu schneller Abfluss über den Tränenkanal wird verhindert 
• Kontaktlinsenträger:innen: Linsen erst 15 Minuten nach dem Eintropfen wieder 
einsetzen; konservierungsmittelfreie Produkte verwenden


Der Tränenfilm – Schleim, Wasser und Fett


Um das Trockene Auge und die dementsprechende Therapie zu verstehen, ist ein Blick auf den Tränenfilm unerlässlich. Dieser besteht aus drei Schichten, die kontinuierlich ineinander übergehen (siehe Abbildung, S.68). Von innen nach außen sind das die Muzinschicht (besteht aus Mukopolysacchariden), die wässrige, seröse Schicht (besteht aus Wasser, Glucose, Immunglobulinen, antimikrobiellen Proteinen, Puffersystemen und Wachstumsfaktoren) und die Lipidschicht (besteht aus Cholesterin und Cholesterinestern, Triglyceriden und Phospholipiden). Während die Muzinschicht die Hornhaut befeuchtet und die Gleitfähigkeit der Bindehaut gegenüber der Hornhaut gewährleistet, ist die seröse Schicht eine Art „Spülflüssigkeit“, die Mikroorganismen abwehrt und die Hornhaut mit Nährstoffen versorgt. Die Lipidschicht hingegen verhindert die Verdunstung der serösen Schicht, schützt das Auge also vor Austrocknung. Sie ist aber auch optisch am Sehen beteiligt. Der Tränenfilm gleicht Unebenheiten der Hornhaut aus und hält die Funktionsfähigkeit des optischen Apparats aufrecht. Dabei schwankt die Tränenproduktion hinsichtlich Menge und Zusammensetzung über den Tagesverlauf hinweg. Am Abend wird weniger Tränenflüssigkeit produziert. Kontaktlinsenträger:innen sollten daher abends die Linsen so bald wie möglich entfernen und stattdessen ihre Brille tragen.


Talgdrüsenfehlfunktion


Häufigster Risikofaktor sowohl für das Trockene Auge als auch die (chronische) Lidrandentzündung (Blepharitis) ist eine Fehlfunktion bzw. eine chronische Störung der Meibom-Drüsen (Meibom-Drüsen-Dysfunktion). Bei den Meibom-Drüsen handelt es sich um Talgdrüsen, die sich an den Augenlidern befinden. Auch die MDD ist – wie das Trockene Auge selbst – weit verbreitet und betrifft vermutlich rund 60 % der über 40-Jährigen. Meist sind die Ausführungsgänge der Drüsen blockiert und es liegt daher eine hyposekretorische Form des Sicca-Syndroms vor. Dadurch kann sich die Zusammensetzung des Drüsensekretes verändern sowie dessen Menge verringern, was wiederum den Lipidanteil des Tränenfilms beeinflusst.

Trockenes Auge: wichtige Risikofaktoren

Physiologische Veränderungen des Tränenfilmes
– Alter, weibliches Geschlecht, Schwangerschaft/Stillzeit/Menopause

Grunderkrankungen
– Rosazea, Akne vulgaris, Psoriasis 
vulgaris, Stevens-Johnson-Syndrom, 
Atopische Dermatitis, Allergien
– Diabetes mellitus
– Schilddrüsenerkrankung
– Hepatitis C, HIV 
– Sjögren-Syndrom, Rheumatoide Arthritis

Arzneistoffe/Wirkstoffe
– Orale Kontrazeptiva, Betablocker 
(systemisch und lokal), Psychopharmaka, Benzodiazepine, Antihistaminika, Anti_cholinergika, Isotretinoin, Sympathomimetika („Weißmacher“: lindern die Rötung durch Vasokonstriktion, können Sicca-Syndrom aber auslösen bzw. verstärken),

Konservierungsmittel
Umweltfaktoren
– Ozon, Abgase, Rauch/Zigarettenrauch, trockene (Heizungs-)Luft, Bildschirmarbeit, Wind

Ophthalmologische Faktoren
– Lidanomalien, Blepharitis, chirurgische Maßnahmen, Kontaktlinsen (reduzierte Hornhautsensibilität, Schädigung der Meibomdrüsen), Meibomdrüsen-
Dysfunktion (MDD)


Wohltuende Lidrandmassage


Um die Meibomdrüsen zur Produktion von Sekret anzuregen und der hyperevaporativen Form des Trockenen Auges zu begegnen, ist die Lidrandhygiene bzw. Lidrandmassage eine wirksame und einfache Basismaßnahme, die  zweimal täglich durchgeführt werden sollte: Zunächst wird ein mit heißem Wasser getränkter Waschlappen oder eine Kompresse für ca. 5 Minuten auf die geschlossenen Augen gelegt. Dadurch verflüssigt sich das in den verstopften Meibom-Drüsen gestaute Sekret. Dann werden die Lidränder mit einem Wattestäbchen (ggf. mit Anwendung einer geeigneten Reinigungsflüssigkeit) massiert, indem in Richtung Wimpern gestrichen wird, also am Oberlid von oben nach unten und am Unterlid von unten nach oben (zum Auge hin). Abschließend wird entlang der oberen und unteren Lidränder (parallel zur Lidkante), auch in den Wimpern, massiert. Zur Lidrandhygiene sollte jedes Mal und für jedes Auge ein neues Wattestäbchen verwendet werden. Falls Augentropfen oder -salben verwendet werden, sollten diese erst nach der Behandlung angewendet werden.


Gut geschützt vor Wind und Wetter


Um die Verdunstung des Tränenfilms zu verhindern und die Augen zu schützen, kann auch auf physikalische Maßnahmen zurückgegriffen werden. Bei Winterspaziergängen schirmen Brillen mit Seitenschutz vor Wind ab. Da Schnee bis zu 80 % der UV-Strahlung reflektiert, lohnen sich am gleißend weißen Hang (Ski)-Brillen mit UV-400-Filter. So werden die Augen geschützt und das Risiko für Schneeblindheit reduziert.
Schneeblindheit (auch Photokeratitis) entsteht aufgrund von sonnenbrandähnlichen Verbrennungen der Hornhaut und Bindehaut durch zu hohe UV-Belastung. Die Symptome beginnen etwa sechs bis zwölf Stunden nach UV-Exposition mit tränenden, lichtempfindlichen Augen, Fremdkörpergefühl, evtl. Verminderung der Sehkraft und Schmerzen. In leichteren Fällen heilt die Photokeratitis nach wenigen Tagen ohne bleibende Schäden von selbst aus, bei schweren Fällen kann es aber auch zu Vernarbung der Hornhaut und Netzhautschäden kommen. (Fach)ärztliche Beratung ist auch bei leichteren Symptomen unumgänglich.


Durch das Tal der Tränen(Flüssigkeit)


Helfen Maßnahmen wie Luftbefeuchtung (idealerweise: 40–60 % Luftfeuchtigkeit), Lidrandmassage, UV- und Windschutz nicht oder nicht ausreichend gegen trockene Augen, können Tränenersatzprodukte verwendet werden. Die Produktlandschaft ist mittlerweile groß und vielfältig. Oft müssen Patient:innen mehrere Präparate ausprobieren, um das passende zu finden. Konservierungsmittelfreie Produkte sind dabei empfehlenswert, da Konservierungsmittel (insbesondere Benzalkoniumchlorid) das Auge reizen und den Tränenfilm negativ beeinflussen können. Quartäre Ammoniumverbindungen wie Benzalkoniumchlorid haben zudem ein allergenes Potential. Auch bei Kontaktlinsenträger:innen können Konservierungsmittel problematisch sein: In weichen Kontaktlinsen reichern sie sich an, wodurch sie zu Augenschäden führen können, bei harten Kontaktlinsen bleiben sie länger zwischen Linse und Hornhaut haften als im Normalfall. Kontaktlinsenträger:innen greifen daher am besten zu unkonservierten Produkten.

Unter den unkonservierten Einzeldosisbehältnissen sind die unterschiedlichsten Primärverpackungssysteme erhältlich, welche die Keimfreiheit durch den Einbau von Filtersystemen und/oder die Anwendung von Unterdruck gewährleisten. Liegen Augenschäden vor, sollten zudem Citrat-haltige Puffer dem gängigeren Phosphat-Puffer vorgezogen werden, da hierdurch die Kalzifizierung der Hornhaut mit dauerhafter Trübung vermieden werden kann. 

Die Wahl des geeigneten Tränenersatzmittels richtet sich nach dem Ausmaß der Beschwerden. Dünnflüssige Lösungen mit niedrigerer Viskosität (z. B. Polyvinylpyrrolidon) eignen sich bei leichten Beschwerden. Dickflüssigere Tropfen, etwa mit Cellulosederivaten (Hypromellose) oder synthetischen Polymeren (z. B. Carbomer), werden bei stärkeren Beschwerden empfohlen.  Darüber hinaus gibt es Muzinanaloga, Osmoprotektiva (normalisieren die Osmolalität des Tränenfilms, z. B. mit Ectoin, Glycerol oder Trehalose) und Elektrolyt-substituierende Augentropfen. Eine weitere Möglichkeit sind Augentropfen und Augengele für die Nacht bzw. Produkte mit Dexpanthenol und Vitamin A.

tränenfilm © APOVERLAG
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Heilsame Hyaluronsäure


Hyaluronsäure hat nicht nur eine hohe Wasserbindungskapazität, sondern wirkt auch antioxidativ, wundheilungsfördernd und mucoadhäsiv, haftet also gut auf dem Auge. Zudem verfügt sie über ein viskoelastisches, thixotropes Fließverhalten. Die Viskosität des Produktes sinkt beim Lidschlag und steigt beim geöffneten Auge wieder an. Das führt zu einer schnelleren gleichmäßigen Verteilung der Augentropfen, einer längeren Wirksamkeit und verringerter Schlierenbildung. Hyaluronsäure wird in Konzentrationen von 0,1–0,4 % eingesetzt und stabilisiert ab einer Konzentration von 0,1 % den Tränenfilm. Viskosität und Fließverhalten der verschiedenen Hyaluronsäure-Präparate sind nicht durch die Konzentration der Hyaluronsäure bedingt, sondern durch die Kettenlänge. Es lohnt sich daher, verschiedene Produkte zu testen.


Lipidersatz für labile Lipidschichten


Lipidhaltige Augentropfen sind Alternativen zu wässrigen Tränenersatzmitteln. Sie stabilisieren den Tränenfilm und pflegen den Lidrand. Hierbei kommen u. a. Produkte mit semifluorierten Alkanen, Phospholipiden und Triglyceriden allein oder in Kombination mit Tränenersatzmitteln zur Anwendung. Lipidhaltige Produkte können auch als Lidsprays aufgebracht werden, die auf die geschlossenen Lider gesprüht werden. Durch die Körperwärme und den Lidschlag gelangen sie in die äußere Lipidschicht des Auges. Der Fettanteil kann die Sehstärke nach dem Eintropfen jedoch vorübergehend verringern.


Nahrungsergänzungsmittel bei trockenen Augen


Obwohl einige Studien darauf hindeuteten, dass die Einnahme von Fischölpräparaten bei trockenen Augen hilfreich sein könnte, konnten jüngste randomisierte klinische Untersuchungen keinen Nutzen in der Vorbeugung oder Behandlung trockener Augen feststellen. Fischöl-Präparate können jedoch versuchsweise zur Anwendung kommen, sofern nicht gleichzeitig blutverdünnende Medikamente eingenommen werden. Empfohlen werden dann 2–3 g Fischöl täglich über einen Monat hinweg. Sollte sich danach keine Besserung zeigen, kann die Einnahme abgebrochen werden. Weitere potenziell wirksame Behandlungen für das Trockene Auge sind orale Antioxidantienpräparate und topisches Vitamin A.

Quellen
•   BVA, DOG, Leitlinie Trockenes Auge, März 2019, abrufbar unter dog.org/
fuer-aerzte/leitlinien-stellungnahmen-empfehlungen/bindehaut-hornhaut-sklera/leitlinien-bindehaut-hornhaut-sklera/trockenes-auge-2, Zugriff am 12.10.2025
•   Kaercher T: CME-Fortbildung, Das Trockene Auge – Therapie. Stand 09/2016
•   flexikon.doccheck.com/de/Tränenfilm Zugriff am 11.10.2025
•   www.gelbe-liste.de/selbstmedikation/trockenes-auge/traenenersatzfluessigkeit 
•   Rose O, Pfister E: Entscheidungshilfen für die Therapie des 
trockenen Auges. DtschApothZtg 2014;154(3):50

Weitere Literatur auf Anfrage



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