
Bei der phytotherapeutischen Behandlung von Harnwegsinfektionen werden drei verschiedene Wirkprinzipien unterschieden:
- Harnwegsdesinfizienzien, die antimikrobiell in den Harnwegen wirken (z. B. Arbutin, Senfölglykoside),
- Aquaretika, welche die Harnmenge erhöhen und so die Ausschwemmung von Bakterien fördern, sowie
- Antiadhäsiva (z. B. Cranberry, D-Mannose), die das Anhaften von Bakterien an der Blasenschleimhaut verhindern.
Eine optimale Therapie kombiniert idealerweise ein aquaretisches Mittel mit einem der anderen beiden Wirkmechanismen.
Die Selbstmedikation bei Harnwegsinfektionen wird auch von aktuellen Leitlinien gedeckt, wonach eine antibiotische Therapie bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen je nach Symptomatik nicht immer erforderlich ist.1 Die Spontanheilungsraten bei akuten, unkomplizierten Harnwegsinfektionen liegen nach einer Woche bei etwa 30 bis 50 %. Eine symptomatische Behandlung, unter anderem mit diversen Phytopharmaka, kann durchaus sinnvoll sein und das Abklingen der Beschwerden beschleunigen.
Limitationen der Selbstmedikation
Eine Selbstmedikation ist nur bei kurzfristigen, unkomplizierten Harnwegsinfektionen, asymptomatischer Bakteriurie oder zur Prophylaxe von Rezidiven ratsam. Bei anhaltenden Symptomen über drei bis vier Tage, Fieber, Harnverhalt, Krämpfen oder Blut im Urin ist ärztliche Konsultation erforderlich. Dies gilt auch für Harnwegsinfektionen bei Kindern, Schwangeren und Männern. Phytotherapeutische Ansätze können zusätzlich unterstützend im Rahmen einer ärztlich überwachten Behandlung in Kombination mit einer möglichen Antibiotikatherapie sinnvoll sein.
Grenzen der Selbstmedikation
- Harnwegsinfekte bei Männern, Kindern, Schwangeren,
Diabetiker:innen oder Personen mit Niereninsuffizienz - Wenn die Beschwerden länger als 3–4 Tage anhalten
- Bei Blut im Urin
- Bei gleichzeitig auftretendem Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit oder Erbrechen
- Bei Veränderungen von Geruch oder Farbe des Urins
- Bei starken Schmerzen während des Harnlassens
- Bei Schmerzen oder Spannungsgefühl in der Leisten-
oder Nierengegend - Bei allgemeiner Schwäche oder deutlichem Krankheitsgefühl
- Bei mehr als drei Harnwegsinfekten pro Jahr
- Bei sich verschlimmernden Symptomen
Antibakteriell wirksam: Bärentraubenblätter
Bärentraubenblätter haben eine lange Tradition in der Behandlung von Harnwegsinfektionen und werden meist als Tee oder Extrakt genutzt. Die Blätter enthalten Phenolglucoside, insbesondere Arbutin, aus dem nach mehreren Metabolisierungsschritten in den Harnwegen das antibakteriell wirksame Hydrochinon freigesetzt wird. Früher nahm man an, dass ein alkalisches Harnmilieu für die Freisetzung von Hydrochinon notwendig sei, doch neuere Studien zeigen, dass dies enzymatisch in den Bakterien selbst erfolgt, sodass keine Alkalisierung des Urins erforderlich ist. Bärentraubenblätter wirken breit antibakteriell, wie In-vitro-Studien gegenüber Escherichia coli, Proteus vulgaris, Bacillus subtilis, Pseudomonas aeruginosa, Mycobacterium smegmatis, Enterobacter aerogenes, Streptococcus faecalis und Staphylococcus aureus gezeigt haben. Von den zahlreichen verfügbaren Studien zeigte beispielsweise eine klinische Studie mit 382 Frauen, dass im Vergleich zu Placebo weniger Antibiotika notwendig waren, wenn Bärentraubenblätter verwendet wurden.2 Die empfohlene Tagesdosis für den Tee beträgt 8 g der getrockneten und zerkleinerten Blätter, verteilt auf 2 bis 4 Tassen pro Tag. Die Zubereitung von Bärentraubenblättern kann als Infus oder Mazerat erfolgen, wobei das Mazerat für magenempfindliche Personen oft besser verträglich ist, da es einen geringeren Gehalt an Gerbstoffen aufweist. Hierbei werden die Blätter mit kaltem Wasser übergossen, 6 bis 12 Stunden stehen gelassen und kurz vor dem Trinken erhitzt. Aufgrund des potenziell gesundheitsschädlichen Hydrochinons sollte die Anwendung von Bärentraubenblättern auf eine Woche beschränkt und nicht öfter als fünfmal pro Jahr erfolgen. Kinder, Schwangere, Stillende sowie Personen mit Nierenerkrankungen sollten Bärentraubenblätter nicht verwenden.
Cranberry zur Rezidivprophylaxe
Cranberry, die nordamerikanische Verwandte der heimischen Preiselbeere, hat sich besonders bei wiederkehrenden Harnwegsinfekten als wirksam erwiesen. Aktuell werden die in Cranberrys enthaltenen Proanthocyanidine als Hauptwirkstoffe betrachtet, da sie die Adhäsionsfähigkeit von Bakterien an der Blasenschleimhaut hemmen. Zahlreiche Studien zeigen insbesondere bei prophylaktischer Einnahme einen signifikanten Nutzen zur Vorbeugung von Rezidiven. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2012 mit 1.616 Patient:innen bestätigte beispielsweise diese präventive Wirkung.3 Ein aktueller Cochrane-Review unterstreicht das ebenfalls, denn laut Auswertung der Daten reduzierten Cranberry-Produkte das relative Risiko von wiederkehrenden Harnwegsinfektionen insgesamt um 30 %. Insbesondere bei Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfekten und bei Kindern wurde eine signifikante Reduktion beobachtet, während bei anderen Personengruppen der Nutzen als gering oder nicht vorhanden betrachtet wird.4
Einige Autor:innen vermuten, dass Cranberrysaft die effektivste Darreichungsform ist und eine längere, regelmäßige Anwendung die optimale Form der Anwendung darstellt.
Allerdings ist die Studienlage bisher uneinheitlich, weshalb weitere Untersuchungen notwendig sind, um die optimale Darreichungsform und Tagesdosierung zu bestimmen. Auch der Umstand, dass es Cranberrys bisher nur in Form von Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten gibt, erschwert den Vergleich unterschiedlicher Präparate.
D-Mannose – Anti-adhäsives Wirkprinzip
D-Mannose ist ein einfaches Zucker-Molekül, das u. a. aus der Birkenrinde gewonnen wird. Es ist ein Baustein zahlreicher pflanzlicher Polysaccharide und kann zur Prävention und Behandlung von Harnwegsinfektionen verwendet werden. Seine Wirkung ist in der Bindung an Fimbrien begründet, das sind kleine, haarartige Strukturen auf der Oberfläche vorwiegend gramnegativer Bakterien wie Escherichia coli. Diese Bindung verhindert, dass die Bakterien an den Zellen der Blasenwand anhaften, und erleichtert deren Ausschwemmung mit dem Urin. Um diesen Effekt zu erzielen, wird eine Tagesdosierung von 2 bis 3 g empfohlen. Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 aus den vorhandenen Studiendaten ergab in diesem Zusammenhang, dass D-Mannose bei Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen die Rückfallrate im Vergleich zu Placebo signifikant reduzieren kann. D-Mannose wurde allgemein gut vertragen, wobei nur eine geringe Anzahl von Teilnehmerinnen über Nebenwirkungen wie Durchfall berichtete. Die Interpretation der Ergebnisse sollte jedoch mit Vorsicht erfolgen, da nur wenige Studien mit unterschiedlichen Designs und insgesamt kleinen Stichproben berücksichtigt wurden.5
Vielversprechend: die Senfölglucosinolate
Eine vielversprechende Wirkstoffgruppe für die Therapie von Harnwegsinfektionen sind die scharf schmeckenden Senfölglucosinolate. Diese sind in hoher Konzentration in Meerrettich, Brunnenkresse und Kapuzinerkresse enthalten. Senfölglucosinolate sind Prodrugs, aus denen nach enzymatischer Spaltung die wirksamen flüchtigen Isothiocyanate entstehen. Diese Verbindungen wirken antibakteriell gegen zahlreiche gramnegative und grampositive Erreger sowie pilzhemmend und antiviral. Isothiocyanate werden im Dünndarm schnell resorbiert und über Harn und Atemluft ausgeschieden, wodurch sie in ausreichender Konzentration antimikrobielle Wirkungen in den Harn- und Atemwegen entfalten. Diese Effekte wurden durch mehrere fundierte Studien bestätigt. In einer dreiarmigen Kohortenstudie mit einer Kombination aus Meerrettichwurzel und Kapuzinerkresse, an der 479 Patient:innen mit akuter Blasenentzündung teilnahmen, zeigte sich eine Wirkung, die mit der von Standardantibiotika vergleichbar war.6 Eine weitere Studie mit 219 Teilnehmer:innen, die dieselbe Kombination verwendete, zeigte eine signifikante Reduktion der Rezidivrate im Vergleich zu Placebo.7 Um Magenreizungen zu vermeiden, sollten senfölhaltige Präparate immer nach einer Mahlzeit eingenommen werden. Bei akuten Magen-Darm-Geschwüren sowie akuter Nierenentzündung sollte auf die Anwendung aufgrund der zusätzlichen Reizung der Schleimhäute verzichtet werden.
Aquaretika: Birke, Goldrute und Co.

Im Rahmen einer Durchspülungstherapie haben sich Aquaretika als besonders wirksam erwiesen, wobei vor allem verschiedene Teedrogen eine zentrale Rolle spielen. Pflanzliche Aquaretika fördern primär eine Wasserdiurese, die durch eine erhöhte renale Durchblutung und die daraus resultierende erhöhte glomeruläre Filtrationsrate entsteht. Verschiedene Inhaltsstoffe sind für diese Wirkung verantwortlich. Bei Wacholderbeeren, Petersilienkraut und -wurzel sowie Liebstöckelwurzel sind es die ätherischen Öle, die durch Reizung des Nierenepithels die Nierendurchblutung anregen; daher sollten sie bei Patient:innen mit entzündlichen Nierenerkrankungen nicht angewendet werden. Häufiger jedoch sind es Flavonoide, wie sie in Birkenblättern, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel und Schachtelhalmkraut vorkommen, sowie
Saponine, die in Orthosiphonblättern, Queckenwurzel und Bruchkraut enthalten sind, die eine aquaretische Wirkung entfalten.
Zumindest bei den Flavonoiden lässt sich das mittlerweile auch theoretisch erklären. Bestimmte Flavonoide blockieren die neutrale Endopeptidase (NEP), ein Enzym, das unter anderem für den Abbau natriuretischer Peptide verantwortlich ist.8 Diese Peptide spielen eine Rolle bei der Regulation des Wasser- und Salzhaushalts im Körper, indem sie die Ausscheidung von Natrium und Wasser fördern. Durch die Hemmung der NEP erhöhen Flavonoide die Konzentration dieser Peptide, was zu einer verstärkten Diurese führen kann.
Mehrere Studien haben die Wirksamkeit verschiedener Aquaretika bei Harnwegsinfektionen untersucht. In einer kleinen, placebokontrollierten Studie erhielten Teilnehmer:innen mit Harnwegsinfektionen beispielsweise 20 Tage lang vier Tassen Birkenblättertee oder ein Placebo. Am Ende der Studie hatten die Teilnehmer:innen in der Verumgruppe signifikant niedrigere Bakterienspiegel im Urin.9 Für eine optimale Durchspülungstherapie sollten täglich mindestens zwei Liter Flüssigkeit getrunken werden. Es kann außerdem sinnvoll sein, Aquaretika nach einer Antibiotikatherapie länger einzunehmen, um eventuell verbliebene Keime zu beseitigen. Bei Ödemen infolge eingeschränkter Herz- oder Nierenfunktion sind Aquaretika allerdings kontraindiziert.
Quellen
- S3-Leitlinie: Unkomplizierte Harnwegsinfektionen. Bayerisches Ärzteblatt 11/2017552-559.
- Datta R, Juthani-Mehta M.: Antibiotic-sparing agents for uncomplicated cystitis: uva-ursi and ibuprofen not ready for primetime. Clin Microbiol Infect. 2019;25(8):922-924.
- Wang, CH et al., Cranberry-containing products for prevention of urinary tract infections in susceptible
populations: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Arch Intern Med. (2012);172(13):988-996 - Williams et al.: Cranberries for preventing urinary tract infections, 2023, Cochrane Database of Sysstematic Reviews
- Lenger S. et al.: D-mannose vs other agents for recurrent urinary tract infection prevention in adult women: a systematic review and meta-analysis. Am J Obstet Gynecol. 2020 Aug;223(2):265.e1-265.e13.
Weitere Literatur auf Anfrage