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Kisunla®

Mag. pharm. Dr. Angelika Chlud
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Alzheimer © iStock
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Die Alzheimer-Krankheit ist eine primär degenerative zerebrale Erkrankung, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren bis Jahrzehnten entwickelt. Von einer frühen asymptomatischen Phase schreitet die Erkrankung über eine prodromale Phase der leichten kognitiven Störung (Mild Cognitive Impairment, MCI) fort bis hin zur leichten, mittelschweren und schweren Demenz.

Wendepunkt in der Therapie

Im Gehirn von Alzheimer-Kranken sind typische Eiweißablagerungen, Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen, festzustellen. Die gängige Hypothese lautet, dass plaqueförmige Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn die krankheitstypische Neurodegeneration auslösen. Mit den neuen monoklonalen Antikörpern Lecanemab (Leqembi®) und Donanemab (Kisunla®) stehen in Europa nun erstmals zwei Medikamente zur Verfügung, die den Verlauf der Alzheimer-Krankheit moderat verlangsamen können und an einer der möglichen Ursachen ansetzen. Beide Arzneien reduzieren schädliche Amyloid-Plaques erheblich, wobei sie unterschiedliche Targets adressieren: Lecanemab bindet vor allem an lösliche Protofibrillen von β-Amyloid und initiiert so deren Abbau durch das Immunsystem. Donanemab hingegen bindet an die unlösliche, N-verkürzte Form des Beta-Amyloids (N3pE-Aβ) in den Plaques im Gehirn und fördert deren Entfernung durch Mikroglia-vermittelte Phagozytose. 

Keine oder nur eine Kopie von ApoE4

Beide Antikörper sind zur Behandlung von Erwachsenen mit klinisch diagnostizierter MCI und leichter Demenz aufgrund der Alzheimer-Krankheit zugelassen. Sie dürfen aber nur bei Personen mit bestätigter positiver Amyloidpathologie eingesetzt werden, wenn sie zudem Apolipoprotein E4 (ApoE4)-Nichtträger:innen oder heterozygote ApoE4-Träger:innen sind, d. h., wenn keine oder nur eine Kopie des ApoE4 vorliegt. Der Test auf den ApoE4-Status vor Therapiebeginn dient als Informationsgrundlage bezüglich des Risikos für das Auftreten von Amyloid-assoziierten Bildgebungsanomalien (Amyloid-Related Imaging Abnormalities, ARIA). Das Risiko für ARIA ist bei homozygoten ApoE4-Trägern höher, daher dürfen diese Erkrankten nicht mit den neuen Antikörpern behandelt werden. Auflage der Zulassung ist zudem, dass eine Therapieinitiierung nur im Rahmen einer zentralen Registrierung erfolgt (Controlled Access Program).

Wie läuft die Behandlung ab?

Donanemab hat eine Halbwertszeit von 12,1 Tagen und muss nur einmal monatlich über die Vene infundiert werden (Lecanemab hingegen alle 2 Wochen). Die Infusion dauert etwa 30 Minuten. Danach sollten die Patient:innen weitere 30 Minuten beobachtet werden. Die Dosis wird aus Sicherheitsgründen zu Beginn langsam gesteigert und die Therapie nur so lange fortgesetzt, bis bildgebende Verfahren zeigen, dass die Amyloid-Ablagerungen weitgehend entfernt sind. In Studien dauerte das meist zwischen sechs und 18 Monaten. Rund drei Viertel der Teilnehmer:innen hatten danach keine nachweisbaren Ablagerungen mehr im Gehirn. Jedoch soll die maximale Behandlungsdauer von 18 Monaten nicht überschritten werden, selbst wenn die Entfernung der Plaques nicht bestätigt werden kann.

Regelmäßige MRT-Kontrollen nötig

Eine Behandlung mit Kisunla® kann, ebenso wie bei Lecanemab, zu Amyloid-assoziierten Bildgebungsanomalien (ARIA) im Gehirn führen. Dazu zählen Schwellungen oder kleine Blutungen, die oft keine Beschwerden verursachen und nur im MRT sichtbar sind. In manchen Fällen können jedoch Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Gang-/Standunsicherheit, Schwindel, Tremor, Seh- oder Sprachstörungen oder Verwirrtheit auftreten. Es wurden auch schwerwiegende Fälle von ARIA beobachtet, wenige mit tödlichem Ausgang. Diese Nebenwirkungen sind der Grund für die engmaschige MRT-Überwachung.

Kurzprofil
Kisunla®

Wirkstoff 

Donanemab, monoklonaler Antikörper gegen Beta-Amyloid


Indikation: 

Leichte kognitive Störung und leichte Demenz bei Alzheimer-Krankheit mit Amyloid-Pathologie (ApoE-ε4-heterozygote Träger:innen oder Nichtträger:innen)


Darreichungsform und Dosierung 

Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung mit 350 mg Donanemab in 20 ml; Erwachsene: 1. Dosis 350 mg, 2. Dosis 700 mg, 3. Dosis 1.050 mg, anschließend 1.400 mg alle 4 Wochen. Behandlungsdauer bis zur Plaques-Entfernung max. 18 Monate.


Art der Anwendung 

I.v. nach Verdünnung über mind. 30 Minuten


Gegenanzeigen

Frühere intrazerebrale Hämorrhagien, > 4 Mikrohämorrhagien, superfizielle Siderosen, vasogene Ödeme (ARIA-E), zerebrale Amyloid-Angiopathien, unkontrollierte Blutungsstörungen, schwere Erkrankung der weißen Substanz, schlecht eingestellte Hypertonie, Undurchführbarkeit eines MRT, Therapie mit Antikoagulanzien


Wechselwirkungen

Nicht empfohlen: Thrombolytika (außer bei vitaler Indikation).

Vorsicht: Antithrombotika.


Warnhinweise

Testung des ApoE-Status vor der Behandlung. 

Vor 1., 2., 3., 4. und 7. Infusion (bei Risikofaktoren auch vor 12.) MRT durchführen. Patientenpass mitgeben. 

Auf Symptome von ARIA achten. Vorsicht bei erhöhtem Risiko für intrazerebrale Hämorrhagien. Keine Untersuchungen an Erkrankten mit keiner bzw. geringer Tau-Last und Patient:innen mit Down-Syndrom.


Nebenwirkungen

ARIA-E, ARIA-H, Anaphylaxie, Kopfschmerzen, intrakranielle Hämorrhagien, Übelkeit, Erbrechen, infusionsbedingte Reaktionen.

Zahlreiche Kontraindikationen

Bei Patient:innen mit unkontrollierten Blutungsstörungen dürfen weder Kisunla® noch Leqembi® verabreicht werden. Kontraindiziert sind die Antikörper auch bei einer laufenden Therapie mit Antikoagulanzien. Tabu sind sie außerdem bei: Hinweisen auf zerebrale Amyloidangiopathien bei der MRT-Untersuchung vor der Behandlung, früheren intrazerebralen Blutungen, mehr als vier Mikroblutungen im Gehirn, oberflächlichen Siderosen oder vasogenen Ödemen.

Weitere Kontraindikationen von Kisunla® sind: eine schwere Erkrankung der weißen Substanz im Gehirn, Erkrankte mit schlecht eingestellter Hypertonie und Gegebenheiten, die keine MRT-Beurteilung zulassen, einschließlich Klaustrophobie oder das Vorhandensein metallischer (ferromagnetischer) Implantate/Herzschrittmacher.

Zulassungsstudie

Die Phase-III-Studie TRAILBLAZER-ALZ 2 umfasste 1.736 Alzheimer-Patient:innen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Demenz. Die Teilnehmenden wurden 1:1 randomisiert und erhielten entweder Donanemab (1.400 mg) oder Placebo. Die Ergebnisse zeigten eine 35%ige Verlangsamung des kognitiven Verfalls unter Donanemab im Vergleich zu Placebo, gemessen mit der Integrated Alzheimer Disease Rating Scale (iADRS). Zusätzlich wurde eine 36%ige Verlangsamung des funktionellen Verfalls festgestellt. Nach 76 Wochen war die Amyloidlast um 84 % niedriger, und 76,4 % der Studienteilnehmenden hatten sogar „Amyloid-Freiheit“ erreicht. Zudem führte die Plaque-Reduktion auch zu einer Reduktion von Tau. Betroffene im Niedrig-Tau-Bereich hatten durch die 76-wöchige Therapie einen „Zeitgewinn“ von 4,36 Monaten, die Gesamtkohorte von 2,47 Monaten.

Doch die Behandlung mit Donanemab ist nicht risikolos: In der TRAILBLAZER-ALZ 2-Studie traten bei 36,8 % der Patient:innen ARIA-E (Ödeme) oder ARIA-H (Hämorrhagien) auf. Symptomatische ARIA-E wurden bei 6,1 % der Patient:innen beobachtet, während 31,4 % ARIA-H entwickelten. Deshalb wurde die Zulassung von Kisunla® im ersten Anlauf im März 2025 von der EMA abgelehnt. Erst im zweiten Anlauf wurde die Zulassungsgenehmigung erteilt – unter strengen Auflagen für die Anwendung, hieß es seitens der Kommission.

Verwendete Grundlagen

•   Austria Codex Fachinformation Kisunla®

•   Europäischer Beurteilungsbericht zu Kisunla® 

•   www.dgn.org/artikel/dgn-begrusst-ema-empfehlung-fur-die-zulassung-von-donanemab; abgerufen am 27.10.2025

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