Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe

Gut für die Gesundheit

Mag. pharm. Arnold Achmüller
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Lycopin ist einer der effektivsten Radikalfänger unter den Carotinoiden; 6 mg täglich oder zwei Tomaten werden empfohlen. © iStock
Lycopin ist einer der effektivsten Radikalfänger unter den Carotinoiden; 6 mg täglich oder zwei Tomaten werden empfohlen. © iStock

Sekundäre Pflanzenstoffe sind chemische Verbindungen, die von Pflanzen produziert werden, jedoch nicht direkt für ihr Wachstum, ihre Entwicklung oder Fortpflanzung notwendig sind. In der Pflanze haben sie vielfältige Funktionen, darunter den Schutz vor Krankheitserregern und UV-Strahlen bzw. dienen sie als Lockstoffe. In jüngster Zeit hat die Forschung erkannt, dass bestimmte Verbindungen wie beispielsweise Schwefelverbindungen, Flavonoide und Carotinoide in Heilpflanzen und Nahrungsmitteln besonders gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzen.

Dies gilt auch im Hinblick auf die mediterrane Ernährung, die besonders reich an diesen Verbindungen ist. Aktuelle Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass der gesundheitsfördernde Effekt einer vegetabilen mediterranen Ernährung auf diese Verbindungen zurückzuführen ist. In der mediterranen Küche stehen Lebensmittel wie Oliven, Lauchgewächse (vor allem Knoblauch) und Tomaten im Fokus, welche nachweislich eine präventive Wirkung hinsichtlich neurologischer und kardiovaskulärer Erkrankungen zeigen.

Alliin und Co. – Lipidsenkend und antiatherogen

Lauchgewächse wie Knoblauch, Zwiebel und Bärlauch wurden schon in der Antike in Küche und Medizin wegen ihrer heilenden Eigenschaften geschätzt. Heute beeindrucken insbesondere ihre positiven Effekte auf das Herz-Kreislauf-System. Verantwortlich dafür sind diverse Schwefelverbindungen.

Knoblauch ist in diesem Zusammenhang besonders gut erforscht. Er enthält Alliin, welches durch enzymatische Spaltung in Allicin umgewandelt wird. Beide Substanzen wirken leicht lipidsenkend, vasodilatativ, hemmen die Thrombozytenaggregation und sind mild blutdrucksenkend. Es gibt zudem deutliche Hinweise auf antiatherogene Effekte. Deshalb kann Knoblauch zur Prophylaxe arteriosklerotischer Veränderungen sowie bei leicht erhöhten Blutdruck- und Cholesterinwerten hilfreich sein. Um von diesen Wirkungen zu profitieren, empfiehlt das HMPC eine Tagesdosis von 6–10 mg Alliin bzw. 3–5 mg Allicin. Dies entspricht etwa 600–900 mg getrocknetem Knoblauchpulver oder einer frischen Knoblauchzehe. Bärlauch und Zwiebel sind noch nicht so intensiv erforscht. Erste Studien weisen jedoch auch bei ihnen antioxidative und leicht blutverdünnende Effekte nach.1

Polyphenole – Gut für Herz und Nervensystem

Polyphenole sind aromatische Verbindungen, die in vielen Pflanzen im sekundären Stoffwechsel vorkommen. In der Pflanze neutralisieren sie schädliche Radikale. Im menschlichen Körper erfüllen sie ähnliche Funktionen: Sie verhindern Zellschäden und verlangsamen Alterungsprozesse. Einige dieser Verbindungen, insbesondere die zu den Polyphenolen gehörenden Flavonoide und ihre Untergruppen, haben auch kardioprotektive und neuroprotektive Wirkungen. Besonders relevant sind hierbei Anthocyane (z. B. in Holunderbeeren, Aronia und Heidelbeeren), Catechine (grüner Tee) und Oligomere Proanthocyanidine (OPC).2,3,4

Ein weiteres bedeutendes Polyphenol ist das Resveratrol, das in Trauben, Erdnüssen, Himbeeren, Maulbeeren und dem Japanischen Knöterich zu finden ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass Resveratrol die Bildung von Atherosklerose hemmt, die Gefäße erweitert und die Fließeigenschaft des Blutes durch Hemmung der Thrombozytenaggregation verbessert.5

Resveratrol und andere Polyphenole zeigen jedoch in hohen Dosierungen estrogenartige Wirkungen. Daher bestehen Unsicherheiten bezüglich der sicheren Maximaldosis. Es ist ratsam, sich bei der täglichen Dosierung an der typischen physiologischen Aufnahme dieser Stoffe zu orientieren. Für Resveratrol liegt dieser Wert beispielsweise bei bis zu 10 mg pro Tag.

Secoiridoide und Hydroxytyrosol – Multitalent Olive

Die gesundheitlichen Vorteile von Oliven und Olivenöl sind seit langem bekannt und wurden unter anderem in der PREDIMED-Studie (n = 7.447) bestätigt. In der Studiengruppe, die sich mediterran und reich an Olivenöl ernährte, war die Rate kardiovaskulärer Ereignisse um 31 % niedriger als in der Gruppe, die lediglich eine fettarme Ernährung befolgte. Interessanterweise wiesen auch die Teilnehmer:innen der Gruppe, die neben einer mediterranen Ernährung täglich 30 g Nüsse zu sich nahmen, ebenfalls eine um 28 % geringere Rate an kardiovaskulären Ereignissen auf.6

Olive © Shutterstock
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Oftmals werden diese positiven Effekte auf die in der Olive enthaltenen einfach ungesättigten Fettsäuren, insbesondere die Ölsäure, zurückgeführt. Doch Oliven und Olivenblätter bieten eine größere Vielfalt an potenziellen Wirkstoffen. Sowohl in den Blättern als auch in den Früchten – und somit auch im Olivenöl – sind zahlreiche Polyphenole und Phenolsäuren vorhanden. Vor allem das Secoiridoid Oleuropein und das daraus gebildete Hydroxytyrosol spielen hierbei eine Schlüsselrolle. Hydroxytyrosol zeigt im Kontext des Herz-Kreislauf-Systems gefäßerweiternde und leicht blutdrucksenkende Effekte und wirkt zudem hemmend auf die Thrombozytenaggregation. Aktuelle Untersuchungen deuten auch auf antikanzerogene Effekte hin.7 Die empfohlene Tagesdosis von Hydroxytyrosol beträgt 10–20 mg, was in etwa einem täglichen Olivenölkonsum von 25–50 ml entspricht.

Lycopin – Gefäßwirksames Carotinoid

Carotinoide sind in vielen Gemüse- und Obstsorten vertreten und bislang sind etwa 600 verschiedene Verbindungen bekannt. In Pflanzen wirken sie – ähnlich wie Polyphenole – meist als Schutzstoffe gegen verschiedene schädliche Umweltfaktoren. Einige dieser antioxidativen Verbindungen haben auch im menschlichen Körper zellschützende Eigenschaften, wenngleich die Resorption aufgrund einer oftmals eingeschränkten Bioverfügbarkeit begrenzt ist.

Ein herausragendes Beispiel ist Lycopin, das vor allem in Tomaten vorkommt, aber auch in Wassermelonen, Papayas und Aprikosen zu finden ist. Von den rund 18 Carotinoiden, die im menschlichen Blutserum nachweisbar sind, sind Lycopin und β-Carotin normalerweise die mengenmäßig dominierenden. Lycopin mit seinen vielen Doppelbindungen ist einer der effektivsten Radikalfänger unter den Carotinoiden. Es hat zudem positive Effekte bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen gezeigt. Es gibt nicht nur Hinweise auf krebshemmende Wirkungen, sondern auch auf die Verringerung der Atherosklerosebildung. Mit Tomatenextrakten konnten beispielsweise die Fließeigenschaften des Blutes verbessert sowie leicht blutdrucksenkende und antiphlogistische Effekte beobachtet werden. In einer vierwöchigen Studie wurde beispielsweise der Effekt von Carotinoiden aus Tomatensaft auf entzündliche Biomarker bei Personen mit hohem kardiovaskulärem Risiko untersucht. Die Teilnehmer:innen erhielten entweder 200 ml oder 400 ml Tomatensaft täglich oder Wasser in der Kontrollgruppe. Die Konzentration der entzündlichen Biomarker ICAM-1 und VCAM-1 war nach jeder Tomatensaft-Intervention signifikant niedriger im Vergleich zur Kontrollgruppe. Insbesondere Lycopin zeigte eine starke Korrelation mit diesen Rückgängen, was darauf hindeutet, dass es das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch die Reduzierung entzündlicher Moleküle, die mit Arteriosklerose in Verbindung stehen, mindern kann.8

Für die tägliche Aufnahme werden rund 6 mg Lycopin empfohlen, was ungefähr zwei Tomaten entspricht.

Spermidin regt die Autophagie an

Erbsen © Shutterstock
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Spermidin ist eine derzeit intensiv beforschte Substanz. Neben seinem Vorkommen in der Samenflüssigkeit ist es in vielen Körperzellen sowie in verschiedenen Lebensmitteln, darunter Keimgemüse, Weizenkeimen, Erbsen, Vollkornprodukten, Salat und Äpfeln zu finden. Untersuchungen haben gezeigt, dass Spermidin die Autophagie in Zellen stimuliert – ein Prozess, bei dem die Zelle defekte oder überflüssige Bestandteile abbaut. Oftmals werden vorzeitige Alterungsprozesse und degenerative Krankheiten mit einer im Alter abnehmenden Kapazität für diese zelleigenen Reinigungsprozesse in Verbindung gebracht. Es wird angenommen, dass eine spermidinreiche Ernährung die im Alter abnehmende Spermidinkonzentration im Körper wieder erhöhen und somit die Lebensdauer verlängern könnte.9 Nach ersten Labor- und Tierversuchen gibt es nun auch Anwendungsbeobachtungen beim Menschen. Eine kleinere Studie mit 85 älteren Proband:innen zeigte beispielsweise, dass die Einnahme von Spermidin die kognitive Leistung insbesondere bei Personen mit leichter Demenz signifikant verbesserte. Dabei war die höhere Spermidin-Dosierung wirksamer als die niedrigere, mit deutlichen Verbesserungen in standardisierten Gedächtnistests.10

Quellen

1 Hiyasat B et al.: Antiplatelet activity of Allium ursinum and Allium sativum. Pharmacology 2009; 83(4):197-204
2 Wood E. et al.: Blueberries and cardiovascular disease prevention. Food Funct 2019; 10(12):7621-7633
3 Miller M et al.: Dietary blueberry improves cognition among older adults in a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Eur J Nutr 2018; 57(3):1169-1180
4 Bernatoniene J et al.: The Role of Catechins in Cellular Responses to Oxidative Stress. Molecules. 2018; 23(4)
5 Hector K et al.: The effect of resveratrol on longevity across species: a meta-analysis.  2012; 8(5):790-3

Weitere Literatur auf Anfrage

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