Reflux

Ein brodelnder Vulkan namens GERD

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Betroffene vergleichen ihre Refluxbeschwerden häufig mit einem brodelnden Vulkan im Magen. © iStock
Betroffene vergleichen ihre Refluxbeschwerden häufig mit einem brodelnden Vulkan im Magen. © iStock

Unter Reflux versteht man das Zurückfließen der Magenflüssigkeit (vor allem Magensäure und Verdauungsenzyme) in die Speiseröhre und die damit verbundenen Beschwerden, die von den Betroffenen häufig als „saures Aufstoßen“ oder „Magenbrennen“ beschrieben werden. Werden diese Symptome chronisch, spricht man von GERD (gastro-esophageal reflux disease). In der neuen S2k-Leitlinie zur gastroösophagealen Refluxkrankheit hat die Erkrankung eine erste allgemeingültige Definition nach Montreal-Klassifikation erhalten. Sie lautet wie folgt: GERD liegt vor, wenn durch Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre störende Symptome und/oder Läsionen in der Speiseröhre auftreten. Diese Definition erfasst somit bereits Patient:innen anhand ihrer Symptomatik und nicht erst nach einer umfassenden diagnostischen Abklärung.

Fehlende Goldstandards in der Diagnose

Mit einer Prävalenz von etwa 15–25 % ist GERD eine der häufigsten gastrointestinalen Erkrankungen in Ländern mit hohem Lebensstandard. Zur Diagnose werden neben einem ausführlichen Anamnese-Gespräch auch endoskopisch-histologische sowie funktionsdiagnostische Untersuchungsmethoden herangezogen. Bei einer Gastroskopie erfolgt eine endoskopische Untersuchung der Schleimhäute ausgehend vom Rachen in Speiseröhre, Magen bis in den Zwölffingerdarm. Bei Entzündungen und Abnormalitäten wird eine Biopsie mit anschließender histologischer Auswertung durchgeführt. Zusätzlich werden auch funktionsdiagnostische Methoden wie eine Impedanz-pH-Metrie angewendet, bei der mittels Sonden am Speiseröhrenausgang pH-Wert und Refluxepisoden für 24 Stunden ermittelt werden können. So kann auch eine nicht-erosive Refluxerkrankung (NERD) ohne Läsionen diagnostiziert werden. Doch trotz der gut erprobten Methoden wird aufgrund fehlender Goldstandards nur bei etwa 70 % aller Betroffenen eine korrekte Diagnose gestellt. 

Was den Vulkan zum Brodeln bringt

Reflux basiert in den meisten Fällen auf einer muskulären Dysfunktion des unteren Ösophagussphinkters, wodurch die mechanische Schließfunktion zwischen Speiseröhre und Magen gestört ist. Als Auslöser für diese Dysfunktion werden mechanische sowie organische Ursachen und gewisse Reizstoffe genannt. Eine große Rolle spielen vor allem mechanische Faktoren, die den intraabdominalen Druck erhöhen: Übergewicht, Schwangerschaft, Wasseransammlungen im Bauchraum oder übermäßige Nahrungsmittelaufnahme. Auch vorangegangene Zwerchfellerkrankungen (Zwerchfellbruch) sowie Verengungen des Magenausgangs (Pylorusstenosen) können den physiologischen Verschlussmechanismus stören. Des Weiteren haben auch gastrointestinale Erkrankungen wie eine Entzündung der Magenschleimhaut (Gastritis) oder Magen-Darm-Geschwüre (Ulcus ventriculi bzw. duodeni) häufig in Kombination mit einer Helicobacter-pylori-Infektion Reflux als Begleitsymptom. Die anfänglich erwähnte hohe Prävalenz bei hohem Lebensstandard zeigt außerdem, dass auch der Lebensstil einen großen Einfluss auf die Entwicklung von GERD hat. Besonders Rauchen, Alkohol, koffein- und kohlensäurehaltige Getränke, hohe Fett- und Zuckerzufuhr sowie einige Arzneimittel (Analgetika, Anticholinergika, Muskelrelaxantien etc.) führen zu gastrointestinalen Reizungen. Weitere Risikofaktoren sind das Lebensalter, männliches Geschlecht sowie Stress und Müdigkeit.


Warnsignale erkennen

Klassische Reflux-Patient:innen an der Tara klagen über saures Aufstoßen, einen unangenehmen Geschmack im Mund und brennende Schmerzen hinter dem Brustbein und/oder im Magen, besonders nach den Mahlzeiten bzw. im Liegen. Es handelt sich dabei um die typischen Leitsymptome bei GERD. Doch es gibt noch weitere, untypische Warnsignale, die auf eine Refluxerkrankung hindeuten können: Heiserkeit, Räusperzwang, Fremdkörpergefühl im Rachen, trockener Hustenreiz und Halsschmerzen (vor allem morgens) sowie dentale Erosionen. Das alleinige Auftreten dieser unspezifischen Symptome wird auch als stiller Reflux bezeichnet. Bei sehr starken bzw. akut auftretenden Beschwerden sowie bei sensiblen Personengruppen wie Kindern und Schwangeren sollte vor allem bei erstmaligem Auftreten ein ärztlicher Rat eingeholt werden (siehe Kasten 1). 

Red flags
Wann abklären lassen?
  • Hinweis für gastrointestinale Blutungen
  • Gewichtsverlust
  • Schluck- und Atembeschwerden
  • rezidivierendes Erbrechen
  • genetische Prädisposition für gastrointestinale Tumore
  • Ausstrahlen der Schmerzen in den Rückenbereich
  • akute Schmerzen im Brustbereich

Kasten 1


Was den Vulkan zum Schlummern bringt 

Unabhängig vom Auslöser sollte eine vorliegende Refluxerkrankung in jedem Fall abgeklärt und behandelt werden. Anhaltender Reflux führt auf Dauer zu schweren Schleimhautschäden und kann langfristig zu präkanzerogenen Veränderungen der Epithelzellen (Barrett-Ösophagus) und somit zu einem erhöhten Risiko für Speiseröhrenkrebs führen. Die Ziele einer medikamentösen bzw. nicht-medikamentösen Therapie sind laut S2k-Leitlinie vor allem die Kontrolle der Refluxsymptome, die Regeneration bereits vorhandener Schleimhautläsionen bzw. -entzündungen sowie die Prävention von Rezidiven und Komplikationen (Karzinome, Stenosen und Blutungen). 

Die Klassiker

Die medikamentöse Therapie mit PPI ist die wichtigste Maßnahme in der Akut- als auch Langzeittherapie und ist H2-Rezeptorantagonisten (Cimetidin, Ranitidin und Famotidin) vorzuziehen. Dosis und Therapiedauer hängen dabei von Krankheitsverlauf und der diagnostischen Abklärung ab: Eine PPI-Therapie in einfacher Standarddosierung (siehe Tabelle unten) über vier bis acht Wochen soll bereits bei regelmäßigen Refluxbeschwerden eingeleitet werden. Die Einnahme erfolgt dabei nüchtern und idealerweise morgens 30 bis 60 Minuten vor einer Mahlzeit mit Leitungswasser. Eine abendliche Einnahme kann bei Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln (Schilddrüsenhormone, Eisen, etc.) und/oder bei vorwiegend nächtlichen Beschwerden angedacht werden. Bei ausreichender Symptomkontrolle wird auf eine Bedarfstherapie bzw. auf die halbe Standarddosis umgestellt. Bei Nichtansprechen sollte eine umfangreiche diagnostische Abklärung durchgeführt (siehe oben) und anschließend bei Bedarf kurzfristig auf die doppelte Standarddosis (2 x täglich) erhöht werden. Eine PPI-Therapie gilt als gut verträglich, es kann jedoch aufgrund der Resorptionsverminderung von Nährstoffen wie Magnesium, Calcium, Eisen, Vitamin B12 etc. bei langfristiger Einnahme zu Mangelzuständen und Komplikationen (Osteoporose, Muskelkrämpfe, Eisenmangelanämie etc.) sowie zur Veränderung des Darmmikrobioms kommen. Es gilt daher eine PPI-Dauertherapie zu vermeiden und einen Auslassversuch zum frühestmöglichen Zeitpunkt anzudenken. Dabei ist auf eine schrittweise Dosisreduktion zu achten, um einen Rebound-Effekt zu vermeiden. 

Tabelle
Standarddosierungen
der zugelassenen 
PPI in Österreich
PPIStandarddosis
Omeprazol40mg
Pantoprazol40mg
Esomeprazol40mg
Lansoprazol30mg
Rabeprazol20mg

Eine „natürliche“ Alternative

An der Tara wird oft zu Beginn eine natürliche bzw. nicht-medikamentöse Behandlungsmethode gewünscht. Zum Einsatz kommen dabei vor allem Antazida bzw. Basenpulver (basische Magnesium-, Calcium- und Aluminiumsalze). Der Wirkmechanismus beruht dabei auf der Neutralisation der Magensäure, kann jedoch bei übermäßiger Anwendung zur reflektorischen Anregung der Magensäureproduktion führen. Einen Vorteil bringen Komplexverbindungen wie Hydrotalcit oder Magaldrat, sogenannte Schichtgitterantazida, die eine gleichmäßige Pufferung gewährleisten. Bei allen Antazida muss jedoch auf eine mögliche Wechselwirkung mit anderen Arzneimitteln und eine Aufnahmehinderung hingewiesen werden. Ein zeitlicher Abstand von zwei Stunden zu anderen Arzneimitteln (Tetrazykline, Chinolone, Eisen etc.) sollte eingehalten werden. 

Eine übermäßige Anwendung von Antazida kann zur reflektorischen Anregung der Magensäureproduktion führen. © Shutterstock
Eine übermäßige Anwendung von Antazida kann zur reflektorischen Anregung der Magensäureproduktion führen. © Shutterstock


Da Reflux jedoch meist nicht durch einen Säureüberschuss, sondern vorwiegend durch eine mechanische Störung der Schließfunktion hervorgerufen wird, gelten Alginate als die neuen Stars im Bereich der Selbstmedikation und wurden sogar in die S2k-Leitlinie aufgenommen. Es handelt sich dabei um Salze der Alginsäure, die als Polysaccharid in Zellwänden von Braunalgen vorkommen und bei Kontakt mit der Magensäure einen Gelschaum bilden. Der aufschwimmende Schaum bildet im Magen eine physikalische Schutzbarriere und verhindert den Rückfluss des Mageninhalts in die Speiseröhre. Eine unterstützende und natürliche Hilfe im Bereich der Pflanzen bieten vor allem die Käsepappel, Kamille, Melisse, Schafgarbe, Süßholzwurzel und Papaya. 

Vom Überfluss zum Rückfluss

Die bereits erwähnten Maßnahmen führen in den meisten Fällen zu einer kurzfristigen Symptomlinderung während der Anwendung und haben keinen langfristigen Effekt auf den Krankheitsverlauf. Eine Kontrolle von GERD gelingt deshalb meist nur durch eine konsequente Änderung des Lebensstils (siehe Kasten 2). Eine Meta-Analyse von Hampel et al. zu Adipositas und Reflux zeigte bereits, dass das Risiko von GERD mit zunehmendem Gewicht steigt. Gleichzeitig besteht laut der populationsbasierten HUNT-Studie außerdem eine Korrelation zwischen der BMI-Reduktion und einer Symptomlinderung bzw. dem Therapieerfolg. Eine deutliche Verbesserung erreichen die Patient:innen deshalb meist nur durch zusätzliche Gewichtsreduktion und eine Anpassung der Ernährung.

Lebensstil-Massnahmen
Zusatztipps für die Tara
  • Kleine Mahlzeiten und keine Spätmahlzeiten
  • Weniger Zucker, Fett, Kaffee, Kohlensäure, scharfen Speisen und Zitrusfrüchten
  • Gewicht reduzieren
  • Rauchstopp und Verzicht auf Alkohol
  • Stress reduzieren
  • Kopfende im Bett erhöhen bzw. Linksseitenlage (bei nächtlichen Beschwerden)
  • Zwerchfell- bzw. Atemtraining
  • Auf enge Kleidung verzichten
  • Auf ausreichend Schlaf und Bewegung achten

Kasten 2


Text: Mag. pharm. Alissa Domaingo

Quellen

• Madisch A et al.: S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. AWMF online 2023; Reg. Nr.: 021-013
• Bittinger M et al.: S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit. Bayrisches Ärzteblatt 2015; 10: 488-495
• Ness-Jensen E et al.: Weight Loss and Reduction in Gastroesophageal Reflux. A Prospective Population-Based Cohort Study: The HUNT Study. Am J Gastroenterol 2013; 108: 376-382
• Hampel H et al.: Meta-Analysis: Obesity and the Risk for Gastroesophageal Reflux Disease and Its Complications. Ann Intern Med. 2005; 143: 199-211
• Leiman D et al.: Alginate therapy is effective treatment for GERD symptoms: a systemic review and meta-analysis. Dis Esophagus 2017; 30(5): 1-9

Weitere Literatur auf Anfrage

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