Hitzebewältigung

Die Kunst des Schwitzens

Mag. pharm. Dr.  Alfred  KLEMENT
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Schwitzen ist essenziell, um die Körpertemperatur auch bei Hitze oder körperlicher Aktivität stabil zu halten. © Shutterstock
Schwitzen ist essenziell, um die Körpertemperatur auch bei Hitze oder körperlicher Aktivität stabil zu halten. © Shutterstock

Bei einem Besuch im Tiergarten lassen sich die einzigartigen anatomischen Besonderheiten zur Anpassung an die Hitze gut am mächtigen Elefanten und am ausdauernden Kamel studieren.

Mit Dumbo-Ohren gegen die Hitze

In den tropischen Savannen benetzen Elefanten ihren Körper zur Abkühlung mit Wasser, indem sie den Rüssel als Dusche einsetzen. Wichtig für die Kühlung sind die sehr großen Ohren, die pro Minute bis zu zehn Liter Blut aufnehmen können. Sie besitzen ein dichtes Geflecht von Arterien und Venen, die je nach Temperaturverhältnissen dilatieren oder komprimieren und damit zum Erhalt der physiologischen Körpertemperatur beitragen.

Kamele als Minimalisten

Kamele können ihre Körpertemperatur um bis zu neun Grad verändern. Das bedeutet, dass Werte zwischen 33 °C in der Nacht und 42 °C untertags erreichbar sind. So schwitzen Kamele am Tag weniger und sparen damit Wasser. Die erhöhte Körpertemperatur tagsüber sorgt für ein geringeres Temperaturgefälle zwischen Körpertemperatur und Luft. Die Tiere besitzen eine „eingebaute Klimaanlage“, denn ihre Höcker dienen als Sonnenschutz und als Energiespeicher, weil das darin gelagerte Fett die Wärme kaum leitet. Zusätzlich können sie Wasserreserven in ihrer Blutbahn speichern. Das erklärt, warum sie tagelang ohne Fressen und Trinken auskommen.

Ein Fell, das kühlt

Eine ihrer Überlebenseinrichtungen ist ihr Felldrüsensystem, das dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge als Grundlage für ein innovatives passives Kühlmaterial diente. Es erfordert keine Stromzufuhr und kühlt fünfmal länger als bisherige Technologien. Medikamente und Lebensmittel ließen sich damit deutlich klimafreundlicher transportieren, so das fünfköpfige Team um Jeffrey Grossman, der die Fakultät „Materials Science and Engineering“ am MIT leitet.

Schweißnass

Bisherige Innovationen, die ohne externe Energieversorgung temperieren können, ahmen einen Prozess nach, den fast alle Tiere nutzen: das Schwitzen. Schweiß sammelt sich auf der Haut, verdunstet und löst einen Kühleffekt aus. Dazu dient experimentell ein Hydrogel, ein chemisches Polymer, das viel Wasser binden kann und dabei selbst wasserunlöslich bleibt. Wegen seiner biokompatiblen gewebeähnlichen Eigenschaften kommt es vorerst in der Medizintechnik zum Einsatz, etwa zur Hydratisierung und Kühlung von Wunden, in Kontaktlinsen und Implantaten.

Blut zur Feinregulation

Menschen sind hinsichtlich ihres Wärmehaushalts auf eine durchschnittliche Körpertemperatur von 36,5 °C ± 0,3 °C angewiesen. Bei Abweichungen muss der Körper nachsteuern, um diese Temperaturzone wieder zu erreichen, schließlich sind die Lebensvorgänge temperaturabhängig. Am schnellsten und am genauesten geschieht das über die Hautgefäße. Stellgröße ist dabei die Durchblutungsintensität der Körperoberfläche. Denn während Abstrahlung und Schwitzen für eine grobe Regulierung des Wärmehaushaltes reichen, funktioniert die Steuerung der Körpertemperatur über die Durchblutung wesentlich feiner. Das gilt vor allem bei Schwankungen im Bereich der moderaten Umgebungstemperaturen von rund 24 °C. Für das Gleichgewicht von Wärmebildung und Wärmeabgabe sind die Mechanismen der Wärmeabgabe eine besonders wichtige Steuerungsgröße.

Die Wärmeabgabe kann über drei Vorgänge erfolgen:

  • Abstrahlung (60 %)
  • Wärmeleitung und Konvektion (25 %) 
  • Verdunstung, Schwitzen (15 %)

Das Schwitzen als sichtbarer Vorgang wird laienhaft als wichtigste Komponente der Wärmeregulierung angesehen. Das stimmt aber nicht, weil schon viel früher eine Temperaturregulierung über die Durchblutung einsetzt. Das Schwitzen hat bei der Wärmeregulierung vielmehr eher den Status eines Reservemechanismus.

Hitzeerkrankungen

Kann die Körpertemperatur nicht in den adäquaten Sollwertbereich zurückgeführt werden, dann tritt thermischer Stress auf, der das Herz-Kreislauf-System vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern sowie bei Älteren gesundheitlich belastet. Thermischer Stress hat auch eine Bedeutung für unterschiedliche Formen des Bluthochdrucks. 

  • Typischerweise erzeugt Kältestress einen sogenannten Wärmekonservierungskreislauf, häufig mit begleitendem Bluthochdruck.
  •  Hitzestress ist dadurch gekennzeichnet, dass der Körper versucht, Wärme im Sinne eines Wärmedissipitationskreislaufs durch eine gesteigerte Durchblutung abzugeben, was ebenfalls mit erhöhtem und häufig stark schwankendem Blutdruck verbunden sein kann.

Epidemiologen registrieren immer wieder eine signifikant gehäufte Sterblichkeit während Hitzewellen, die vor allem ältere Menschen sowie Personen mit Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen trifft. Hohe Temperaturen können tatsächlich Herzinfarkt, Kreislaufversagen, Störungen der Atmungsorgane, aber auch der Gehirndurchblutung auslösen1

Lokaler Sonnenstich und systemischer Hitzschlag

Während es sich beim Sonnenstich um eine lokale Erwärmung des Kopfes und in der Folge um eine Entzündung der Hirnhäute handelt, steigt beim Hitzschlag die Körpertemperatur so stark an, dass ein Herz-Kreislauf-Kollaps droht. Beides kann lebensgefährlich verlaufen.

Sonnenstich

Vom Sonnenstich ist im Gegensatz zum Hitzschlag nicht der ganze Körper betroffen, sondern zunächst einmal nur der Kopf. Im Inneren des Schädels lässt das konzentrierte Sonnenlicht die Hirnhäute anschwellen. Kleinkinder mit ihren noch sehr dünnen Schädeldecken bzw. Personen mit schüttererem Haar oder ohne Kopfbehaarung müssen besonders achtsam sein und sollten eine Kopfbedeckung tragen. Sie können unter Kopfschmerzen, Schwindel, Brechreiz und ggf. für eine Meningitis typische Nackensteifigkeit leiden. Vor allem bei Kleinkindern kommt es vor, dass Sonnenstich-Symptome erst Stunden später auftreten, vor allem plötzliches Erbrechen und Fieber. Kleinkinder sollen zur Sicherheit von einer Ärztin/einem Arzt begutachtet werden, um eine Meningitis auszuschließen. 

Maßnahmen 

  • Erstens betroffene Person aus der prallen Sonne bringen und im Schatten mit erhöhtem Oberkörper lagern, damit das Blut nicht in den Kopf steigt.
  •  Zweitens Kopf und Nacken mit feuchten, kalten Tüchern oder Eisbeuteln kühlen. Die Eisbeutel sollen keinen direkten Hautkontakt haben, um Erfrierungen zu vermeiden. 

Hitzschlag

Ein Hitzschlag entsteht meist durch die Kombination von körperlicher (Über-)Anstrengung und hohen Temperaturen. Outdoor-Sportler wie Jogger, Radfahrer oder Wanderer sind deshalb besonders gefährdet. Betroffene haben einen niedrigen Blutdruck bei gleichzeitig hohem Puls. Symptome wie Schwindel, Atemnot, Krämpfe und Halluzinationen können auftreten. Schlimmstenfalls kommt es zu Bewusstseinseintrübungen und Herz-Kreislauf-Stillstand. Sind Kopf und Nacken längere Zeit direkter Sonnenstrahlung ausgesetzt, kann eine Reizung der Hirnhäute mit einer Entzündung oder sogar Schwellung des Gehirns resultieren. Werden die Symptome übersehen oder nicht ernst genommen, droht ein Hitzschlag gefährlich zu werden. Eine vorherrschende Windstille und/oder gar feucht-schwüle Wetterlage erschwert die Thermoregulation des Körpers zusätzlich, weil sie die Verdunstung einschränkt.

Die Körpertemperatur kann bei einem Hitzschlag auf über 40 °C steigen. Ab 41 °C besteht Lebensgefahr. Betroffene klagen über Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen, der Puls ist erhöht, die Atmung schnell und flach. Auch Verwirrung und Krämpfe treten auf. Die Schweißproduktion fällt aus, weil die Temperaturregelung des Körpers irritiert ist. Die Haut fühlt sich zunächst trocken und heiß an, später erscheint sie blass-grau. Der Hitzschlag gilt als medizinischer Notfall, im schlimmsten Fall kann eine Atemstörung oder gar Atemlähmung auftreten. Man sollte daher sofort den Notruf wählen und dann erst die beschriebenen Maßnahmen setzen.

Nicht zu stark kühlen

Der überhitzte Körper sollte möglichst gekühlt werden, aber nicht durch ein Kältebad, weil ein solches Kältestressreaktionen auslösen kann. Am besten besprüht man den Körper mit einer Sprayflasche großflächig mit Wasser und wedelt zwischendurch mit einem Tuch oder einer Zeitung Luft zu, um so die Verdunstung zu begünstigen. Auch kalte Getränke wie Wasser, Apfelsaft oder Früchtetees sind in der Lage, den Körper zusätzlich zu kühlen und den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Ist die vom Hitzschlag betroffene Person bewusstlos, muss sie in die stabile Seitenlage gebracht werden, um ihre Atemwege freizuhalten.

Damit Arzneimittel nicht schaden

Bei länger anhaltenden Hitzewellen kann es nötig sein, die Medikamenten-Dosis anzupassen, denn die Wirkung von Medikamenten kann sich durch heiße Temperaturen verändern. © iStock
Bei länger anhaltenden Hitzewellen kann es nötig sein, die Medikamenten-Dosis anzupassen, denn die Wirkung von Medikamenten kann sich durch heiße Temperaturen verändern. © iStock

Arzneimittel, die während einer Hitzeperiode die Gesundheit beeinträchtigen können, sind v. a. Antihypertonika, Parasympatholytika, Psychopharmaka und Hypnotika. Antihypertonika könnten z. B. bei einer prognostizierten Hitzewelle vom behandelnden Arzt/von der behandelnden Ärztin zur Hypotonie-Vorbeugung vorübergehend verringert dosiert werden. Parasympatholytika wie Mittel gegen Blasenentleerungsstörungen (Oxybutynin) oder gegen Spasmen des Magen-Darm-Traktes (Butylscopolamin) hemmen die Schweißproduktion und fördern eine Überhitzung. Bei einer Behandlung mit Psychopharmaka ist zu bedenken, dass die Fähigkeit zum adäquaten Verhalten bei Hitze beeinträchtigt sein kann. Vorsicht ist vor allem bei Neueinstellungen auf diese Wirkstoffe geboten. Diphenhydramin oder Doxylamin können wegen ihrer anticholinergen Eigenschaften während einer Hitzeperiode ein Risiko darstellen.

Vorsicht ist bei transdermalen Systemen (Nitrate, Scopolamin, Fentanyl) angebracht. Sie neigen dazu, ihre Wirkstoffabgabe bei Hitze und Okklusionsbedingungen zu verändern!

In Hitzeperioden kann die sinnvolle Empfehlung, ausreichend zu trinken, bei körperlicher Belastung (z. B. beim Sport) zu einer lebensgefährlichen Hyponatriämie führen. Auch Diuretika (z. B. Thiazide) bergen ein solches Risiko für eine Hyponatriämie, die sich durch zusätzliche Flüssigkeitsaufnahme verschlimmern kann. Hypernatriämien kommen seltener vor als Hyponatriämien, ihre Letalität ist jedoch höher. Gefährdet sind vor allem Menschen mit verringerter Durstwahrnehmung wie ältere und geistig eingeschränkte Personen.

Quellen

1 United States Environmental Protection Agency (EPA), Climate Impacts on Human Health, 19.01.2017, online: 
https://19january2017snapshot.epa.gov/climate-impacts/climate-impacts-human-health.html, abgerufen am 19.11.2018
2 Hitzebedingte Gesundheitsstörungen in der hausärztlichen Praxis. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und 
Familienmedizin e. V. (DEGAM), Stand 06/2020, gültig bis Juni 2025, AWMF-Register-Nr. 053-052, www.awmf.org

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