Von dyspeptischen Beschwerden bis Reizdarm

Aktuelle Ergebnisse aus der Phytoforschung

Mag. pharm. Arnold Achmüller
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Eines der wichtigsten Indikationsgebiete von Heilpflanzen ist der Magen-Darm-Trakt. In keinem anderen Bereich kommen derart viele Teedrogen und Phytopharmaka zum Einsatz. Der Verdauungstrakt ist dabei auch einer jener Einsatzbereiche, in welchem Heilpflanzen im Rahmen der Möglichkeiten der Selbstmedikation sogar eine echte Alternative zu chemisch-synthetischen Heilmitteln darstellen können. Zahlreiche Heilpflanzen beeinflussen im Gegensatz zu chemisch-synthetischen Wirkstoffen nämlich mehrere Organe gleichzeitig, wodurch Beschwerden auf unterschiedliche Arten gemildert werden. Dadurch entsprechen sie häufig eher dem Krankheitsgeschehen, welches sich – wie beispielsweise bei dyspeptischen Beschwerden – nicht nur auf ein Organ beschränkt.

Pfefferminzöl – hilfreich bei Reizdarm

Pfefferminzöl, meist als magensaftresistente Kapsel eingenommen, hat sich bereits seit einigen Jahren als effektives pflanzliches Heilmittel bei Reizdarm bewährt. Das ätherische Öl verfügt bei ausreichender Dosierung über antimikrobielle, krampflösende und galletreibende Eigenschaften. Die krampflösende Wirkung, die sowohl in vitro als auch in vivo bestätigt wurde, ist hauptsächlich auf das enthaltene Menthol zurückzuführen, das Kalziumkanäle im Verdauungstrakt blockiert und dadurch die Muskelspannung verringert.

Es gibt viele Studien, die die positiven Auswirkungen von Pfefferminzöl auf Verdauungsbeschwerden, insbesondere bei Reizdarm, bestätigen. Aktuelle Studien und Metaanalysen zeigen, dass Pfefferminzöl im Hinblick auf Reizdarmbeschwerden gut verträglich, kostengünstig und in seiner Wirkung mit Ballaststoffen und Spasmolytika vergleichbar ist.1,2 Die magensaftresistenten Kapseln sollten 30 Minuten vor einer Mahlzeit und nicht zeitgleich mit Medikamenten, die die Magensäure reduzieren, eingenommen werden. Bei Refluxkrankheiten oder Sodbrennen sowie bei Gallensteinen oder anderen Gallenleiden sollte Pfefferminzöl aufgrund seiner entspannenden Wirkung auf den Ösophagusschließmuskel und seiner galletreibenden Wirkung vermieden werden.

Feigenkaktus – entzündungshemmend & wundheilungsfördernd

In den letzten Jahren gab es auch interessante Erkenntnisse im Hinblick auf den ursprünglich aus Mexiko stammenden und heutzutage im Mittelmeerraum sehr verbreiteten Feigenkaktus. Mittlerweile gibt es zahlreiche Untersuchungsergebnisse, die dem Feigenkaktus und den enthaltenen Schleimstoffen, Ballaststoffen und Anthocyanen unter anderem entzündungshemmende und wundheilungsfördernde Wirkungen zuschreiben. Beispielsweise zeigten Untersuchungen abheilende Effekte bei Magenulcera.

Es sind mittlerweile auch Daten zu Wirkungen im unteren Verdauungstrakt verfügbar. In einer placebo-kontrollierten Studie mit 60 Patient:innen mit Reizdarmsyndrom reduzierte ein ballaststoffreiches Feigenkaktuspulver beispielsweise deutlich die Symptome. Die Ergebnisse zeigten, dass Patient:innen, die täglich 20 g und 30 g Feigenkaktus einnahmen, signifikant häufiger von einer angemessenen Symptomlinderung berichteten als jene in der Placebogruppe.3

Ingwer – bessert Übelkeit und Colitis ulcerosa

Ingwer wurde in den letzten Jahren in den unterschiedlichsten Indikationen untersucht und ist und war Gegenstand unzähliger Studien. Ein Fokus liegt dabei auch im gastrointestinalen Bereich. Neben nachgewiesenen verdauungsfördernden Wirkungen gibt es mehrere Untersuchungen, die Ingwer als wirksames Antiemetikum und entzündungshemmendes Heilmittel im Darmtrakt definieren. In einer kleinen Doppelblindstudie wurde beispielsweise untersucht, ob Ingwer das Erbrechen bei Kindern mit akuter Gastroenteritis reduzieren kann. In der Studie wurden 141 Kinder ausgewählt und entweder mit Ingwer oder einem Placebo behandelt. Interessanterweise zeigte sich, dass die Kinder, denen Ingwer in einer nicht spezifisch festgelegten Dosis verabreicht wurde, eine um 20 % geringere Wahrscheinlichkeit hatten zu erbrechen als jene in der Placebo-Gruppe.4

Die Wirkung von Ingwer auf Patient:innen mit leichter bis mittelschwerer Colitis ulcerosa wurde in zusätzlichen Studien analysiert. In einer aktuellen, kleineren Untersuchung wurden 46 Patient:innen willkürlich ausgewählt und erhielten über einen Zeitraum von 12 Wochen entweder 2.000 mg getrocknetes Ingwerpulver täglich oder ein Placebo. Die Ergebnisse zeigten, dass Ingwer das Malondialdehyd-modifizierte LDL (MDA-LDL, ein Indikator für oxidativen Stress) nach 6 und 12 Wochen signifikant reduzierte, den Schweregrad der Krankheitsaktivität nach 12 Wochen verbesserte und die Lebensqualität der Patient:innen signifikant erhöhte.5

Heidelbeerfrüchte – wirken nicht nur stopfend

Die getrockneten Früchte der Heidelbeere sind vielen Menschen als natürliche Hilfe bei Durchfallerkrankungen bekannt. Allerdings besitzt diese Beere weit mehr Heilpotenzial als nur das. Insbesondere die in den frischen Heidelbeeren reichlich enthaltenen Anthocyane werden schon lange mit antioxidativen und entzündungshemmenden Effekten in Verbindung gebracht.

Heidelbeeren wirken nicht nur bei Diarrhoe. Interessante Studienergebnisse gibt es zu entzündlichen Darmerkrankungen. © Shutterstock
Heidelbeeren wirken nicht nur bei Diarrhoe. Interessante Studienergebnisse gibt es zu entzündlichen Darmerkrankungen. © Shutterstock


Aktuelle Studien fokussieren unter anderem auf ihre Wirkung bei Magen-Darm-Entzündungen. In einer kleinen Pilotstudie zeigte eine anthocyanreiche Heidelbeerbehandlung bei 13 Colitis ulcerosa-Patient:innen signifikante Verbesserungen: 63,4 % erreichten eine Remission und der Entzündungsmarker Calprotectin sank deutlich.6 Eine weitere Studie zeigte, dass gefriergetrocknete Heidelbeeren (180 g pro Tag) Symptome bei Patient:innen mit diversen gastrointestinalen Störungen linderten und das allgemeine Wohlbefinden steigerten. Die Studienautor:innen schlussfolgerten, dass wohl die Polyphenol- und Ballaststoffkomponenten der Heidelbeeren für diese Effekte verantwortlich sind.7

Kümmelöl – lindert funktionelle Dyspepsie

Kümmelfrüchte enthalten reichlich ätherisches Öl, dessen Hauptkomponenten Carvon und Limonen sind. Dieses Öl verleiht den Früchten nicht nur ihren angenehmen Geschmack, sondern hat auch krampflösende, blähungstreibende und antibakterielle Eigenschaften. Frühere Untersuchungen zeigten, dass Carvon sowohl auf das Gewebe von Magen und Dünndarm muskelentspannende und krampflösende Wirkungen hat.

Kümmelfrüchte und insbesondere das daraus gewonnene Kümmelöl eignen sich daher ausgezeichnet zur Behandlung von Blähungen und Reizdarmbeschwerden. Zudem hat Kümmelöl eine antibakterielle Wirkung, die helfen kann, die bei Reizdarmsyndrom oft gestörte Darmflora wieder zu verbessern. Aktuelle Studien stützen diese Erkenntnisse: In einer placebo-kontrollierten Studie erlebten Patient:innen mit funktioneller Dyspepsie nach vierwöchiger Einnahme von Kümmelöl und L-Menthol eine signifikante Verbesserung ihrer Symptome.8 In einer anderen Studie zeigte sich, dass bei Personen mit Reizdarmsyndrom bereits das Einmassieren von verdünntem Kümmelöl im Bauchbereich die Symptome linderte.9

Wer Kümmel als Tee zubereitet, sollte für eine optimale Wirkung 2- bis 3-mal täglich 1 bis 2 Teelöffel der Kümmelfrüchte pro Tasse verwenden. Um das ätherische Öl besser freizusetzen, sollten die Früchte kurz vor der Zubereitung zerrieben oder angestoßen werden. Alternativ kann man 1 bis 2 Tropfen des ätherischen Öls in Wasser verdünnt einnehmen. Es ist wichtig, die Tagesdosis von maximal sechs Tropfen nicht zu überschreiten, da eine zu hohe Dosierung von Kümmelöl zu Erregungszuständen führen kann. Es sind aber auch Präparate mit einer Kombination aus Pfefferminz- und Kümmelöl in magensaftresistenten Zubereitungen verfügbar.

Kurkuma – hilfreich bei Colitis ulcerosa

Neben zahlreichen weiteren Anwendungsbereichen wird Curcumin, der aktive Inhaltsstoff in Kurkuma, auch hinsichtlich seiner potenziellen gesundheitsfördernden Effekte auf den Verdauungstrakt untersucht. Eine aktuelle Metaanalyse aus sechs Studien mit 385 Patient:innen bestätigt die positiven Effekte von Curcumin auf die Remission von Symptomen bei Colitis ulcerosa ohne signifikante Nebenwirkungen.10 Darüber hinaus haben neuere Studien gezeigt, dass Curcumin typische Entzündungsparameter bei Menschen mit Colitis ulcerosa reduziert.11 In der Praxis sollte wegen der schlechten Wasserlöslichkeit von Curcumin die Einnahme standardisierter Präparate bevorzugt werden. Um die Bioverfügbarkeit von Curcumin zu verbessern, werden häufig Zusätze wie Piperin oder Kombinationen mit Phospholipiden, Mizellen und Liposomen verwendet.

Eine aktuelle Metaanalyse bestätigt die Wirksamkeit von Curcumin bei Colitis ulcerosa – und das ohne signifikante Nebenwirkungen. © Shutterstock
Eine aktuelle Metaanalyse bestätigt die Wirksamkeit von Curcumin bei Colitis ulcerosa – und das ohne signifikante Nebenwirkungen. © Shutterstock


Quellen

1 Alammar et al.: The impact of peppermint oil on the irritable bowel syndrome: a meta-analysis of the pooled clinical data. BMC Complement Altern Med. 2019; 19(1):21.
2 Weerts Z. et al.: A trial-based economic evaluation of peppermint oil for the treatment of irritable bowel syndrome. United European Gastroenterol J. 2021; 9(9):997-1006.
3 Remes-Troche J. et al.: Nopal fiber (Opuntia ficus-indica) improves symptoms in irritable bowel syndrome in the short term: a randomized controlled trial. Neurogastroenterol Motil. 2021; 33(2):e13986.
4 Nocerino R. et al.: Efficacy of ginger as antiemetic in children with acute gastroenteritis: a randomised controlled trial. Aliment Pharmacol Ther. 2021; 54(1):24-31.
5 Nikkhah-Bodaghi M. et al.: Zingiber officinale and oxidative stress in patients with ulcerative colitis: A randomized, placebo-controlled, clinical trial. Complement Ther Med. 2019; 43:1-6.

Weitere Literatur auf Anfrage

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