Eiweiß-Supplementierung

Fitnessorientierter Einsatz von Protein-Präparaten

Mag. pharm. Christopher Waxenegger
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Die Qual der Wahl:  Molkenprotein ist als  Konzentrat, Hydrolysat  und Isolat erhältlich.  Hydrolysate sind besser  bioverfügbar als Konzentrate, Isolate versprechen einen  höheren Proteingehalt. © iStock
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Proteine sind organische Verbindungen, die aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und – im Gegensatz zu Kohlenhydraten und Fetten – Stickstoff bestehen. Sie sind als Stickstofflieferanten essenziell für den Strukturstoffwechsel von Muskeln, Knochen und Bindegewebe. Proteine fungieren als:

  • Träger der Erbinformation
  • Bausteine von Antikörpern zur Abwehr von Krankheitserregern
  • Grundstoff für Enzyme und Hormone
  • Transporter für körpereigene Stoffe
  • Bestandteil biologischer Membranen

Dies erklärt, wieso eine ausreichende Proteinzufuhr für den menschlichen Organismus von elementarer Bedeutung ist (Stickstoffbalance). Ferner verwendet der Körper Proteine zum Aufbau von Muskulatur sowie zur Regeneration und Wiederherstellung des Gewebes nach Mikroverletzungen als Folge des Trainings. In der Literatur werden bei Kraftsportler:innen wiederholt altersunabhängige, positive Effekte auf die muskuläre Proteinbiosynthese, Muskelmasse und Muskelkraft beschrieben. Im Ausdauersport dienen Proteine nach Entleerung der Kohlenhydratspeicher vor allem zur Energiebereitstellung. Untersuchungen an Marathonläufer:innen zeigen, dass während des Trainings und Wettkampfes vermehrt Proteine aus der Muskulatur abgebaut und die anfallenden Aminosäuren in der Leber verstoffwechselt werden – erkennbar an einem signifikanten Anstieg der Harnstoffkonzentration im Serum. Diese und weitere Beobachtungen unterstreichen die Bedeutung von Proteinen auch außerhalb des klassischen Bodybuildings im ambitionierten Breitensport. Die gewünschten strukturellen und metabolischen Anpassungen sind jedoch nur dann messbar, wenn die Proteinzufuhr mit regelmäßigem Training einhergeht.

Täglicher Proteinbedarf

Im Ausdauersport dienen Proteine nach Entleerung der Kohlenhydratspeicher vor allem zur Energiebereitstellung. © Shutterstock
Im Ausdauersport dienen Proteine nach Entleerung der Kohlenhydratspeicher vor allem zur Energiebereitstellung. © Shutterstock

Ernährungsgesellschaften sind sich einig, dass der tägliche Proteinbedarfs primär über eine ausgewogene Ernährung gedeckt werden sollte. Der DACH-Referenzwert für die empfohlene Zufuhr beträgt bei gesunden Erwachsenen im Alter von 19 bis 65 Jahren 0,8 g/kg/Tag und bei Erwachsenen über 65 Jahren 1,0 g/kg/Tag. Bei Sportler:innen mit einem Trainingsvolumen von mehr als fünf Stunden pro Woche wird von einem höheren Bedarf ausgegangen. Die International Society of Sports Nutrition und das American College of Sports Medicine empfehlen, dass die Proteinzufuhr im Sport, abhängig von Trainingszustand und -ziel, zwischen 1,2 g/kg/Tag und 2,0 g/kg/Tag liegen sollte. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. schließt sich dieser Empfehlung in ihrem Positionspapier „Proteinzufuhr im Sport“ an, sofern keine relevanten Nierenfunktionsstörungen vorliegen.

Zu beachten
Proteinkonsum und Nierenfunktion

Es besteht Konsens, dass bei einer Protein-zufuhr von bis zu 2,0 g/kg/Tag bei nierengesunden und ausreichend hydrierten Erwachsenen keine negativen Effekte 
auf die Nierenfunktion zu erwarten sind. 

Bei vorgeschädigten Nieren (z. B. Diabetes, chronischer Niereninsuffizienz) kann ein schädlicher Effekt höher dosierter Proteingaben über einen langen Zeitraum nicht ausgeschlossen werden. In diesem Fall erscheint eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion und Supplementierung unter ärztlicher Aufsicht empfehlenswert.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht eine Proteinzufuhr in doppelter Höhe des Referenzwerts als sicher an, leitet aber keine Empfehlung für Sportler:innen ab.

Demgegenüber kommt eine aktuelle im British Journal of Sports Medicine publizierte Metaanalyse von 49 Studien zu dem Schluss, dass eine Proteinzufuhr von über 1,6 g/kg/Tag nicht sinnvoll ist und nur in besonderen Trainingssituationen bzw. zeitlich begrenzt empfohlen werden kann. Etwa wenn das Risiko für eine unzureichende Bedarfsdeckung besteht, wie bei längerfristiger:

  • Einhaltung einer energiereduzierten Diät, um Körpergewicht zu verlieren,
  • Eliminierung wichtiger proteinhaltiger Lebensmittelgruppen aus dem Speiseplan,
  • einseitiger Ernährung von Lebensmitteln mit geringer Nährstoffdichte,
  • Einhaltung von veganen Ernährungsformen, ohne auf die Ergänzungswirkung bestimmter pflanzlicher Proteinquellen zu achten, oder
  • Supplementierung von anabolen Hormonen im Bodybuilding.

Proteinqualität

Shake © Shutterstock
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Kaum ein Thema in der Sportindustrie wird derart angeregt diskutiert wie die Proteinqualität. Dieser Begriff beschreibt, wie effizient ein über die Nahrung zugeführtes Protein in körpereigenes umgesetzt werden kann. Vereinfacht gesagt geht es also darum, ob der Gehalt an essenziellen Aminosäuren in der Eiweißquelle optimal auf das Spektrum der Eiweißbausteine im Körper abgestimmt ist. Über die Jahre wurden mehrere Methoden zur Bestimmung der Proteinqualität entwickelt. Die biologische Wertigkeit (BW) ist vermutlich die gängigste.

Hierfür wurde willkürlich Volleiprotein als Referenzprotein gewählt und bekam eine BW von 100 zugeordnet. Benötigt man zum Beispiel 0,5 g Volleiprotein für eine ausgeglichene Stickstoffbilanz und von einem anderen Eiweiß 1,0 g, so bekommt dieses eine BW von 50 zugeordnet usw. Durch intelligentes Kombinieren ist es möglich, die BW von Nahrungsmitteln mit niedriger BW zu steigern. Die Tabelle listet die BW einiger gängiger Nahrungsmittel und Proteinkombinationen auf.

Proteinqualität im Vergleich 
Biologische Wertigkeit ausgewählter Lebensmittel
NahrungsmittelBiologische Wertigkeit
36 % Vollei + 64 % Kartoffel136
75 % Milch + 25 % Weizenmehl125
60 % Vollei + 40 % Soja124
Whey104
Vollei100
Rindfleisch92
Kuhmilch88
Soja85
Mais71
Weizenmehl57
nach Pellet PL, et al.

Anders als oft irrtümlich angenommen, bedeutet eine BW von 100 jedoch nicht, dass 100 % des Proteins im Körper umgesetzt werden. Die BW ist demnach keine absolute Prozentzahl. Zudem beziehen sich die Prozentangaben auf die Eiweißfraktionen der Nahrungsmittel. Um eine maximale BW von beispielsweise 136 mit Vollei und Kartoffeln zu erzielen, benötigt man pro Ei mit einem Eiweißgehalt von 7 g rund 600 g Kartoffeln. Erst diese Menge Kartoffeln liefert die benötigten 12 g Kartoffeleiweiß für das angegebene Verhältnis.

Proteinpräparate

Whey bzw. Molkenprotein

Whey ist ein Teil des Kuhmilchproteins und macht mengenmäßig ungefähr 20 % des Proteinanteils aus. Die restlichen 80 % entfallen auf Casein. Je nach Herstellungsverfahren lassen sich grob drei Arten von Whey unterscheiden:

  • Whey-Konzentrat
  • Whey-Hydrolysat
  • Whey-Isolat

Whey ist am häufigsten in Form von ultrafiltriertem Whey-Konzentrat im Handel. Bei Hydrolysaten werden die Proteine durch Säure oder Enzyme weiter aufgespalten, sodass sie als kurzkettige Peptide mit höherer BW vorliegen. Whey-Isolat wird mittels Ionenaustauschverfahren hergestellt, was eine besonders schonende Aufbereitung sicherstellen soll. 

Casein bzw. Milchprotein

Das lange Zeit als minderwertigeres Whey bezeichnete Casein besitzt einige grundlegende Vorteile gegenüber reinem Molkenprotein, was es zu einem idealen Ergänzungsprotein macht.

Eigenschaften gängiger Proteinpräparate 
WheyCaseinVolleiproteinSojaprotein
Vorteilehohe BW von 104antikataboles Proteinhohe BW von 100hoher Glutamingehalt
anaboles Proteinlangsame Resorptionhoher BCAA-Gehalthoher Arg-Gehalt
schnelle Resorptionhoher Glutamingehalthoher Gehalt an Phe, Tyr, Met, Cys und Arggeeignet, wenn Milchprotein, 
Ei und Laktose unverträglich
hoher BCAA-Gehaltgutes Diätproteingeeignet für Veganer:innen
Milchzuckeranteil gering
Fettanteil gering
Nachteileniedriger Glutamingehaltmäßiger BCAA-Gehaltmanche Präparate hoher 
Natriumgehalt
pflanzliche Östrogene in Konzentraten (nicht jedoch in Isolaten)
relativ teuerhoher Milchzuckeranteilmäßiger Glutamingehaltniedriger Met-Gehalt
hoher Natriumgehaltrelativ teuer
mäßiger Geschmack
BW: Biologische Wertigkeit, BCAA: Verzweigtkettige Aminosäuren, Phe: Phenylalanin, Tyr: Tyrosin, Met: Methionin, Cys: Cystein, Arg: Arginin

Die vielfach empfohlene abendliche Anwendung als „regeneratives Protein“ beruht auf einer wegweisenden Studie der 90er-Jahre, die bei gesunden Proband:innen mit einer normalen Proteinzufuhr nach einer zehnstündigen Fastenperiode 30 g Whey mit 30 g Casein verglich und für Casein einen konstanten Leucin-Spiegel, stellvertretend für alle Aminosäuren, über annähernd sieben Stunden feststellte.

Eiprotein

Eiklarproteinpulver soll die hohe BW von Vollei mit einem gleichzeitig niedrigen Fettgehalt vereinen und galt früher als der Goldstandard unter den Protein-Supplementen. Mittlerweile hat – wohl auch aufgrund des wenig angenehmen Geschmacks und des hohen Preises – Whey diese Vorrangstellung inne. Viele Hersteller bieten Eiprotein aufgrund des bitteren Geschmacks bevorzugt in Kapselform oder in Kombipräparaten an.

Sojaprotein

Ein Alleinstellungsmerkmal von Sojaprotein ist, dass es sich für Personen eignet, die sich vegetarisch oder vegan ernähren bzw. eine Unverträglichkeit haben. Inzwischen ist es gelungen, den ursprünglich schlechten Geschmack durch moderne Produktionsverfahren zu entfernen. Anzumerken ist, dass Sojaproteinkonzentrat pflanzliche Östrogene (z. B. Daidzein, Genistein) enthalten kann, die in einigen Studien negative Auswirkungen auf den Muskelmassezuwachs und die Testosteronspiegel bei Männern hatten. Will man auf Nummer sicher gehen, bietet sich Sojaproteinisolat an, bei dem diese Verbindungen enzymatisch aufgespalten wurden.

Mehrkomponenten-Protein

Mehrkomponenten-Proteine vereinen verschiedene Eiweißarten mit unterschiedlichen Resorptionszeiten. Beispiele für pflanzliche Mehrkomponentenproteine sind Mischungen aus Erbsen-, Hanf- und Reisproteinen.

Fazit

Proteine sind essenzielle Nährstoffe für Sportler:innen, die weit über den reinen Muskelaufbau hinausgehen und als Bausteine für Enzyme, Hormone und Antikörper fungieren. Während für Freizeitsportler:innen 0,8–1,0 g/kg/Tag ausreichen, benötigen ambitionierte Athlet:innen 1,2-2,0 g/kg/Tag. Nach derzeitiger Auffassung dürfte die Mischung verschiedener Proteinquellen mit unterschiedlicher Zusammensetzung und Resorptionskinetik die beste Wahl darstellen. Diese sollten je nach Trainingsziel, -intensität und -umfang mehrmals täglich (3–4 x/Tag) zugeführt werden.

Quellen

  • Bergia RE, et al.: Effect of whey protein supplementation on body composition changes in women: a systematic review and meta-analysis. Nutr Rev 2018; 76(7): 539-551
  • Boirie Y, et al.: Slow and fast dietary proteins differently modulate postprandial protein accretion. Proc Natl Acad Sci USA 1997; 94(26): 14930-14935
  • Cuyul-Vásquez I, et al.: Effectiveness of Whey Protein Supplementation during Resistance Exercise Training on Skeletal Muscle Mass and Strength in Older People with Sarcopenia: A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrients 2023; 15(15): 3424
  • Davies RW, et al.: The Effect of Whey Protein Supplementation on the Temporal Recovery of Muscle Function Following Resistance Training: 
    A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrients 2018; 10(2): 221
  • Frühbeck G. Protein metabolism. Slow and fast dietary proteins. Nature 1998; 391(6670): 843, 845

    Weitere Literatur auf Anfrage

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