Faszien

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Mag. Larissa Grünwald
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Faszien © shutterstock
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Mittlerweile wird das Fasziengewebe als eigenständiges Organ angesehen, das weitaus mehr Funktionen ausübt als die reine Stütz-
und Bindefunktion. Es enthält Rezeptoren, die Informationen über Druck, Temperatur und chemische Veränderungen im Körper weiterleiten. Zusätzlich unterstützt es das Immunsystem, beherbergt Blutgefäße und Lymphkanäle, ist ein exzellenter Wasserspeicher und ermöglicht das reibungslose Funktionieren unserer Muskeln.

Das Fasziengewebe ist ein netzartiges, überaus komplexes Gewebe, das mehr oder weniger alle Teile des Körpers zusammenhält und miteinander verbindet. So werden Muskeln, Sehnen, Knochen, Gefäße und Nerven dicht umhüllt und erst durch das Fasziengewebe zu einem zusammenhängenden Organismus. Dies wird auch in der Akupunktur genutzt, da viele Akupunkturpunkte an Kreuzungspunkten der Faszien liegen und der Effekt über das Fasziennetzwerk einen weiten Körperbereich beeinflussen kann.

Bausubstanz der Faszien

Die Faszien bestehen größtenteils aus Wasser und den Strukturproteinen Kollagen und Elastin. Kollagen wird gerne in der Kosmetik zur Glättung und Straffung der Hautzellen angewandt und verleiht dem Gewebe Struktur und Spannung. Das glycin- und prolinreiche Protein ist hygroskopisch, zieht Wasser an und lässt auf diese Weise das Gewebe glatt und prall aussehen. Elastin ist ein Protein, das zwar ebenfalls Struktur verleiht, allerdings verglichen mit Kollagen viel elastischer ist. Beide zusammen sorgen dafür, dass das fasziale Gewebe nicht nur reißfest, sondern ebenso dehnbar bleibt. Entscheidend ist auch eine gewisse Gleitfähigkeit, sodass Organe leicht verschoben und Muskeln geschmeidig bewegt werden können.  

Faszien © shutterstock
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Schicht für Schicht

Es lassen sich drei Typen an Faszien unterscheiden: Die oberflächlichen Faszien liegen unter der Haut und bestehen vor allem aus einem recht lockeren Fasziengewebe, das sich mit dem Fettgewebe ergänzt. Sie dienen v. a. als Puffer, dämpfen oberflächliche Stöße ab und befinden sich in den meisten Teilen des Körpers.

Die tiefen Faszien sind etwas kompakter, bestehen aus dichten Kollagenfasern und umschließen jeden einzelnen Muskel, sämtliche Knochen, Nervenbahnen und Blutgefäße. Innerhalb des Muskels trennen sie zudem die einzelnen Muskelfasern voneinander, sodass diese nicht aneinander reiben können. Zu den tiefen Faszien gehören auch die Sehnen, Sehnenplatten, Bänder und Gelenkkapseln. Darüber hinaus sind die tiefen Faszien mit zahlreichen sensorischen Rezeptoren, die auf mechanische, chemische und thermische Reize reagieren, ausgestattet. Aus diesem Grund wird das Fasziengewebe häufig als Sinnesorgan bezeichnet, das seine Eindrücke unentwegt an das Gehirn leitet. Neben den sensorischen Rezeptoren befinden sich in dieser Schicht alle peripheren Nervenenden und damit eine große Anzahl potenzieller Schmerzrezeptoren, die sowohl auf Verletzungen der Faszien selbst als auch auf Verletzungen der Nerven reagieren.

Die letzte Gruppe bilden die viszeralen Faszien, die wiederum für die Aufhängung und Einbettung der inneren Organe sowie des Gehirns verantwortlich sind. Jedes einzelne dieser Organe ist zum Schutz mit einer doppelten Faszienschicht ausgestattet. Zu den viszeralen Faszien gehören zum Beispiel die Hirnhaut des Gehirns, der Herzbeutel des Herzens, das Brustfell der Lunge sowie das Bauchfell.

“Da der Lymphfluss ausschließ­lich durch Muskelbewegung in Gang gehalten wird, ist das Lymphsystem auf eine aus­reichende Aktivität der Muskeln angewiesen. Bei länger anhaltenden Verspannungen kann das umgebende Fasziengewebe durch Ablagerung von Fibrin verkleben.“

Nicht nur verbindlich

Neben der Binde- und Stützfunktion sind Faszien aufgrund ihrer exzellenten Wasserbindungsfähigkeit wichtige Wasserspeicher und gleichzeitig Teil unseres Abwehrsystems. Einerseits hindern sie Fremdkörper am Eindringen in das Gewebe, andererseits beherbergen sie sogenannte Fresszellen, die Mikroorganismen und Gewebetrümmer enzymatisch auflösen können. Die Qualität, insbesondere der Flüssigkeitsgehalt der Faszien, ist entscheidend für die Elastizität und Beweglichkeit der Muskeln und reguliert die Versorgung und den Abtransport wichtiger Stoffwechselprodukte in und aus den Organen. 

Faszienverklebung

Neben den Blutgefäßen führen auch die Lymphgefäße durch das Fasziengewebe. Mit der Lymphflüssigkeit werden Nährstoffe zu den Zellen transportiert und Stoffwechselabfallstoffe abtransportiert. Der Lymphfluss wird ausschließlich durch Muskelbewegung in Gang gehalten, daher ist das Lymphsystem auf eine ausreichende Aktivität der Muskeln angewiesen. Besteht beispielsweise eine länger anhaltende Muskelverspannung, z. B. im Nacken-, Schulter- oder Rückenbereich, so kann aufgrund der fehlenden Motorik in diesem Gebiet der Lymphfluss merklich abnehmen. Da die Lymphe u. a. den Blutgerinnungsfaktor Fibrinogen transportiert, kann sich dieses bei einem Lymphstau im Gewebe anreichern und zum körpereigenen Klebstoff Fibrin abgebaut werden. Dessen Aufgabe ist in der Regel das Verschließen von Wunden – in diesem Fall verklebt das Fibrin das umliegende Fasziengewebe.

Faszien © shutterstock
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Faszien als Schmerzquelle

Immer mehr Aufmerksamkeit erlangen Faszien als Quelle chronischer Schmerzen im Zusammenhang mit Entzündungen, Fehlhaltungen, Verspannungen, Überbelastungen und Bewegungseinschränkungen. Durch den Verlust der Zugkraft und der Flexibilität wird die Beweglichkeit der betroffenen Muskelfasern deutlich eingeschränkt. Genauso können die Nerven, die durch diesen Gewebebereich führen, gequetscht werden, was zu empfindlichen Schmerzen führen kann. Dabei handelt es sich um Schmerzen, deren Ursache nicht im Röntgenbild erkennbar ist.

Auslöser Stress

Mittlerweile kennt die Forschung zahlreiche Auslöser der chronischen Faszienspannung. Eine große Rolle spielen Stresshormone, die zu einer Anspannung der Faszien führen, ohne die Muskeln in diesen Prozess zu involvieren. Sobald der Stress vorüber ist, entspannen sich die Faszien wieder. Ist der Stress jedoch von langer Dauer, bleiben die Faszien permanent im gespannten Zustand und verlieren, ebenso wie ein dauerhaft gespanntes Gummiband, ihre Flexibilität und beginnen sukzessive zu verhärten. 

Auslöser Flüssigkeitsmangel

Weiterer Auslöser ist ein Flüssigkeitsmangel, der die räumliche Struktur der Faszien empfindlich verändern kann. Statt der normalerweise rautenförmigen Anordnung verlieren die Fasern an Struktur und gleichen eher einem verknoteten Wollknäuel als einem haltgebenden Gewebe. Die Faszien wachsen ineinander, verfilzen und beginnen an allen Ecken und Enden miteinander zu verkleben. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass der Bewegungsumfang der Muskeln zunehmend eingeschränkt wird. Verhärtet sich das Fasziengewebe schließlich, wird das Beugen oder Strecken der Gelenke immer schmerzhafter.

Gesunde Fette zur 
Entzündungshemmung

Ungesättigte Fettsäuren sind für eine faszienfreundliche und gleichzeitig entzündungshemmende Ernährung essenziell. Leinöl, Algenöle oder Fisch bzw. Fischöle versorgen uns mit lebensnotwendigen Omega-3-Fettsäuren. Eicosapentaensäure (EPA) ist zusätzlich entzündungshemmend.

Empfohlene Dosierung

Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA

500–1.000 mg/Tag

Faszienschäden

Durch das Verkleben und Verhärten des Fasziengewebes kann es in diesem Bereich zu vermehrten Verletzungen kommen. So führen z. B. Überdehnungen durch übertriebene sportliche Aktivitäten oder Fehlhaltungen zu feinen Rissen in den Faszien. Muskelzerrungen, Sehnenreizungen, Fersensporn oder Tennisarm zählen ebenfalls zu den häufigsten Verletzungen des Fasziengewebes, wie Schnittwunden, Knochenbrüche oder jede Art von Operation.

Ernährung

Natürlich ist auch die Ernährung als mögliche Ursache für Faszienschmerz nicht ausgenommen. Eine dauerhafte einseitige und mikronährstoffarme Ernährung kann den effizienten Abbau der Makronährstoffe in den Zellen behindern und neben Leistungseinbußen auch zu einer vermehrten Bildung saurer Stoffwechselzwischenmetabolite führen. Dieser Prozess ist vergleichbar mit der Anhäufung von Lactat bei starker Anstrengung, hat jedoch eine andere Ursache. Die gebildeten Metabolite werden sukzessive ins Gewebe abgegeben und können das empfindliche Gewebe reizen, sodass Entzündungen in allen Körperbereichen entstehen können. Auch die von den Faszien umhüllten Nerven werden durch die Säurebelastung gereizt, was sich wiederum in undefinierbaren Schmerzen äußern kann.

Faszientraining & basische Ernährung 

Um diesem Prozess zu begegnen, ist neben einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme auch Bewegung und eine mikronährstoffreiche Ernährung entscheidend. Besonders effizient wirken spezielle Formen des Faszientrainings sowie manuelle Behandlungen wie Rolfing, Osteopathie, Shiatsu oder die Senmotic Methode, eine vorwiegend basische Ernährung mit einer Extraportion basischen Mineralstoffen. Was das Training betrifft, so wird sowohl vor übertriebenen sportlichen Belastungen als auch vor muskulärer Unterforderung gewarnt. Beide Extreme führen zum gleichen unerfreulichen Ergebnis: schmerzende Faszien mit zunehmend eingeschränkter Muskelfunktion.

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Basische Ernährung

Eine Ernährungsumstellung auf eine mikronährstoffreiche Kost mit reichlich Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, vollwertigen Getreideprodukten, Fisch, magerem Fleisch und mageren Milch- und Milchprodukten sowie Nüssen und Samen ist Voraussetzung für ein schmerzfreies, effizientes Fasziengefüge. Ergänzende basische Elektrolyte wie Magnesium, Kalium, Calcium und Natrium in ausgewogenem Verhältnis spielen dabei eine genauso wichtige Rolle wie basische Säfte und regelmäßige basische Ganzkörperbäder oder basische Fußbäder und ausreichend Flüssigkeit. 

Mikronährstoffe für die Faszien

Silicium beschleunigt die Bildung und Erneuerung der Bindegewebsfasern Elastin und Kollagen. Elastin hält dabei das Bindegewebe elastisch und Kollagen verleiht ihm seine Festigkeit. Fehlt Silicium, so kann es neben dem Elastizitätsverlust zu einer mangelnden Nährstoffversorgung der einzelnen Körperzellen und zu einer reduzierten Entgiftungsleistung kommen. Eine weitere wichtige Eigenschaft des Siliciums ist seine Fähigkeit, das bis zu 300-Fache seines Eigengewichtes an Wasser zu binden. Dadurch unterstützt es den Körper bei der Aufrechterhaltung seines Wasserhaushaltes, ohne den ein gut funktionierender Stoffwechsel nicht möglich wäre. 

Empfohlene Dosierung

Silicium 10–30 mg/Tag

Oligomere Proanthocyanidine (OPC) sind sekundäre Pflanzenstoffe aus der Gruppe der Polyphenole und zählen zu den stärksten Antioxidantien. Sie sind besonders zahlreich in den Kernen und der Haut von blauen Trauben zu finden. OPC bewahrt gemeinsam mit Vitamin C die Bindegewebszellen, die Faserproteine, aber auch das ernährende Gefäßsystem vor Entzündungsprozessen und unterstützt die Synthese bzw. Regeneration von Kollagenfasern.

“Eine mikronährstoffreiche Kost mit reichlich Gemüse, Obst, Nüssen und Vollwertprodukten ist Voraussetzung für ein schmerzfreies Fasziengefüge.“

Empfohlene Dosierung

Oligomere Proanthocyanidine (OPC)   100–150 mg/Tag

Vitamin C   500–1.000 mg/Tag

Ähnlich effektiv wirkt Zink, das einerseits seine antientzündliche Wirkung ausspielen kann und andererseits die Regeneration und Synthese von Kollagen und Elastin katalysiert.

Empfohlene Dosierung

Zink   20–30 mg/Tag

Hyaluronsäure

Im weiteren Fokus steht das Polysaccharid Hyaluronsäure, das als wichtiger Bestandteil des Fasziengewebes vor allem für die Wasserbindung und das gesunde, seidige Gleiten der Faszienschichten verantwortlich ist. Bewährt hat es sich mittlerweile als wichtiger Schmierstoff in der Synovialflüssigkeit von Gelenken. Im Gewebe sorgt die Hyaluronsäure für die nötige Elastizität und ermöglicht einen guten Stoffaustausch zwischen extrazellulärem Gewebe und den Körperzellen. Bei Entzündungen wird Hyaluronsäure abgebaut, wobei die Bruchstücke Signale auslösen können, die nicht nur die Entzündung verschlimmern, sondern auch Schmerzen verursachen können. Dieser Prozess kann mit einer zusätzlichen Zufuhr an Hyaluronsäure insbesondere bei langwierigen Rücken-, Knie-, Schulter- oder Nackenschmerzen unterbrochen werden.

 Empfohlene Dosierung

Hyaluronsäure   50–200 mg/Tag

Proteine zur Regeneration

Die Aminosäuren L-Lysin, L-Arginin und L-Prolin sind wichtige Proteine für die Faszienbildung und die Regeneration des Körpers. Gute Quellen für die essenzielle Aminosäure L-Lysin sind Fisch, Fleisch, Pilze, Hülsenfrüchte sowie Nüsse und Erbsen. L-Arginin und L-Prolin kann der Körper selbst produzieren und finden sich ebenfalls v. a. in Fleisch, Fisch, Nüssen und Hülsenfrüchten. Um eine hohe biologische Wertigkeit der Proteine zu erreichen, sollten tierische und pflanzliche Eiweißquellen sinnvoll miteinander kombiniert werden. 

Empfohlene Dosierung

L-Lysin   500–2.000 mg/Tag

L-Arginin   1.000–2.000 mg/Tag

L-Prolin   500–1.000 mg/Tag

Quellen

•   De Morree JJ: Dynamik des menschlichen Bindegewebes. U&S.2013

•   Schleip R.: Faszien in Sport und Alltag. Riva. 2018

•   Jirikowski G: Faszien und Aponeurosen des Bewegungsapparats. In: Manuelle Medizin. 2016; 1: 10-13

•   Möckl E: Die Faszien im Alter. DO 2016; 14(1): 17-21

•   Schleip R, et al.: Faszien als sensorischen und emotionales Organ: Emotionen, Faszien und Immunsystem. Osteopathische Medizin 2023; 24(2): 28-32

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