
Der ständige Griff zum Smartphone und der Blick auf den Laptop gehören fest zum Tagesablauf. Handys sind im Dauerbetrieb und übernehmen dabei vielfältige Aufgaben – sie erleichtern und beschleunigen die Kommunikation, lenken ab und funktionieren als Multitool: Sie dienen als Wecker, Kalender mit Erinnerungsfunktion, Navigationsgerät oder Übersetzungshelfer. Auch der Unterhaltungsaspekt kommt nicht zu kurz – dank sozialer Netzwerke, Musik-Apps, Spielen und Videos ist für Abwechslung gesorgt.
Unaushaltbar: Handy weglegen
Doch so praktisch das Smartphone auch ist – viele erleben die ständige Erreichbarkeit als Stressfaktor. Dauerhafte Online-Präsenz beeinträchtigt nicht selten die Konzentration und stört den Schlaf. Besonders kritisch wird es laut dem Neurowissenschaftler und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Volker Busch, wenn mehrere Medien parallel genutzt werden – etwa wenn während des Ansehens eines Films parallel Chatnachrichten gelesen oder beantwortet werden.
Durch dieses ständige Wechseln der Aufmerksamkeit zwischen unterschiedlichen Reizen geht die sogenannte Arbeits- und Genusstiefe verloren. Werden Inhalte nur noch oberflächlich verarbeitet, sinkt die kognitive Leistungsfähigkeit, insbesondere Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit, langfristig. Dieser Prozess kann in einen problematischen Kreislauf münden: „Viele Menschen halten medienfreie Phasen innerlich kaum noch aus und verspüren ein starkes Bedürfnis, ähnlich einem Entzugssymptom, wieder zum Smartphone zu greifen“, so der Experte.
Nach Einschätzung der US-amerikanischen Psychiaterin Dr. Anna Lembke kann exzessiver Medienkonsum ein suchtähnliches Verhalten hervorrufen, das mit dem von Drogenabhängigkeit vergleichbar ist. Bei der Nutzung von sozialen Medien werden im Gehirn neurobiologische Prozesse aktiviert, insbesondere die Ausschüttung von Dopamin, die jenen ähneln, die auch beim Konsum psychoaktiver Substanzen auftreten.
Die Effekte der Digital Detox-Studie von Noah Castelo waren eindrucksvoll:
119 von 467
Nur 119 Studienteilnehmer:innen schafften das zweiwöchige Digital Detox, drei Viertel brachen vorzeitig ab.
Höhere Lebenszufriedenheit
Die Proband:innen empfanden eine signifikant höhere Lebenszufriedenheit nach der digitalen Pause.
Verbesserte Konzentration
In den Aufmerksamkeitstests waren die Teilnehmer:innen nach dem Digital Detox deutlich besser.
Prolongierte Wirkung
Der positive Effekt war anhaltend: Selbst zwei Wochen nach dem Ende der digitalen Pause war die mentale Gesundheit noch verbessert, wenn auch abgeschwächt.
Nur jede/r Vierte schafft digitales Fasten
Die Lösung ist Digital Detox. Darauf weisen die kontrollierten Untersuchungen unter der Leitung des Verhaltenswissenschaftlers Noah Castelo von der University of Alberta in Kanada hin. Sein Team analysierte über einen Zeitraum von vier Wochen, wie sich eine digitale Pause auf die mentale Gesundheit der Proband:innen auswirkt. Die Teilnehmer:innen waren im Durchschnitt 32 Jahre alt, 63 % waren weiblich. Die 467 Studienteilnehmer:innen sollten eine App installieren, die den Internetzugang ihres Smartphones für zwei Wochen blockieren würde. Doch allein diese Voraussetzung war schon schwierig umzusetzen: Nur 266 Proband:innen installierten die App und nur 119 (25,5 %) schafften es, die mindestens geforderten 10 von 14 Tagen offline zu bleiben.
Messbare Verhaltensänderungen
Die Teilnehmer:innen wurden in zwei Gruppen randomisiert. Die eine Hälfte (242 Proband:innen) konnte ihr Handy zunächst normal nutzen, bevor es für zwei Wochen offline ging. Bei der anderen Gruppe (225 Proband:innen) wurde das Internet sofort für zwei Wochen gesperrt, in den anschließenden 14 Tagen hatten sie hingegen wieder vollen Zugriff darauf. Zu Beginn der Intervention, nach zwei sowie nach vier Wochen erfassten die Wissenschaftler:innen das subjektive Wohlbefinden und die mentale Gesundheit der Personen durch Fragebögen.
Während der Detox-Phase veränderte sich das Verhalten der Studienteilnehmer:innen merkbar. Sie verbrachten mehr Zeit mit Hobbys, trafen Freund:innen oder waren in der Natur unterwegs. Das hatte positive Effekte: Die Proband:innen hatten eine höhere Lebenszufriedenheit, intensivere positive Emotionen und weniger Symptome von psychischen Beschwerden. Und in einem Aufmerksamkeitstest, der ihre Fähigkeit maß, sich für längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren, erzielten sie bessere Werte. Selbst nachdem sie das Handy wieder nutzten, waren Konzentrationsfähigkeit und Wohlbefinden noch verbessert – wenn auch nicht mehr so stark wie während der digitalen Abstinenz.
Quelle
Castelo N, et al. Blocking mobile internet on smartphones improves
sustained attention, mental health, and subjective well-being.
PNAS Nexus 2025; 4(2): pgaf017